Hersteller und "Batteriehoffnung" Northvolt muss Insolvenz beantragen
Der schwedische Batteriezellenhersteller Northvolt hat sogenannten Gläubigerschutz nach US-Recht beantragt. Northvolt galt in der europäischen Automobilindustrie lange Zeit und bis zuletzt als großer Hoffnungsträger im Hinblick auf die Produktion von Batterien für E-Autos. Der deutsche Autokonzern Volkswagen ist der größte Anteilseigner des Herstellers. Weitere Eigentümer sind die US-Investmentbank Goldman Sachs und der Münchener Autokonzern BMW.
Für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die sich derzeit um eine Stabilisierung der deutschen Industrie und die Sicherung von Arbeitsplätzen bemühen, kommt dies einer Hiobsbotschaft gleich. Nach dem Antrag des finanziell angeschlagenen schwedischen Batterieherstellers Northvolt auf Gläubigerschutz in den USA trat Firmenchef Peter Carlsson zurück. Der ehemalige Tesla-Manager hatte den Konzern vor rund acht Jahren gegründet.
Das Unternehmen sollte als federführender Batterieproduzent in Europa die enorme Nachfrage im Segment der E-Automobilindustrie auffangen. Im Mai 2022 informierte das Bundeswirtschaftsministerium:
"Der Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck hat heute einen Zuwendungsbescheid über 155,4 Millionen Euro an Northvolt überreicht. Das schwedische Unternehmen plant, eine große Batteriezellfertigung in Deutschland zu errichten, voraussichtlich in Schleswig-Holstein."
Am 25. März dieses Jahres nahmen dann Bundeskanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck am ersten Spatenstich für den Bau einer "Batterie-Gigafactory" von Northvolt in Heide (Schleswig-Holstein) teil.
Boßel-Anwurf statt Spatenstich: In der neuen Fabrik von Northvolt bei Heide werden bald eine Millionen Batteriezellen im Jahr für E-Autos gefertigt. Deutschlands industrielles Herz schlägt künftig auch hier – an der Nordseeküste in Heide, bei frischer Brise und viel Offenheit! pic.twitter.com/aH03VUhlEn
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) March 25, 2024
Das Ministerium war an der Investition im Rahmen des "zweiten europäischen Großprojekts zur Batteriezellfertigung (Important Projects of Common European Interest, IPCEI)" als finanzieller Unterstützer beteiligt. 30 Prozent der Fördersumme trägt das Bundesland Schleswig-Holstein – und somit der Steuerzahler.
Zu dem nun in den USA eingeleiteten Insolvenzverfahren von Northvolt berichtet der NDR:
"Deshalb greift Northvolt jetzt auf eine Regel des amerikanischen Insolvenzrechts zurück: Beim sogenannten Chapter-11-Verfahren haben Firmen in der Krise die Möglichkeit, ihre Finanzen neu zu ordnen und das Unternehmen im besten Fall zu retten. 'Diese freiwillige Maßnahme hilft dem Unternehmen dabei, seine Schulden umzustrukturieren, das Geschäft auf Basis der aktuellen Kundenbedürfnisse anzupassen und eine Wachstumsperspektive zu schaffen', teilte Northvolt mit."
Die Entscheidung, in den USA Gläubigerschutz zu beantragen, kam laut Medienberichten allerdings keineswegs unerwartet. Bereits vor einer Woche hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass "Northvolt diesen Schritt in Erwägung ziehe". Wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht, verfügt Northvolt "derzeit nur noch über liquide Mittel in Höhe von 30 Millionen Dollar". Gleichzeitig belaufen sich die Schulden auf knapp sechs Milliarden Dollar.
Neben einem neuen Vorstandschef sucht das Unternehmen laut dem Handelsblatt "derzeit auch nach weiteren Investoren". Wie sich die Batterieproduktion auf dem europäischen Markt in Zukunft entwickelt, ist damit ungewiss.
"Ursprünglich sollte Northvolt die höherpreisigen Elektroautos des Volkswagen-Konzerns aus europäischer Produktion mit Batteriezellen beliefern."
Angesichts der derzeitigen Situation ist auf dem umkämpften Markt laut einem Autoexperten nun mit "Gegenwind für die europäische Batteriezellenbranche" zu rechnen. Chinesische Unternehmen würden bereits heute das Geschäft mit Batterien als "den wichtigsten Komponenten von Elektroautos dominieren". Auch Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz beziehen ihre Batteriezellen zurzeit "vom chinesischen Branchenprimus CATL und weiteren Firmen aus Asien".
Der Investmentbank UBS zufolge hätten chinesische Hersteller Kostenvorteile von rund 40 Prozent gegenüber den europäischen Unternehmen. Pro Fahrzeug liege "der Kostenunterschied daher bei rund 3.000 Euro", heißt es in einer Studie der UBS.
Wie der Merkur berichtete, habe Minister Habeck "nach eigenen Angaben 'in dauerndem Kontakt mit Northvolt'" gestanden. Nach einem Autogipfel mit Branchenvertretern teilte der Minister im September mit, dass das Northvolt-Werk "eigentlich schon ab 2026 Produkte liefern soll, doch jetzt ist unsicher, ob dieser Zeitplan gehalten werden kann". Ein Unternehmenssprecher von Northvolt bestätigte dies vor wenigen Wochen gegenüber dem NDR. Auch ein Großauftrag von BMW musste kürzlich storniert werden, da Northvolt nicht liefern konnte.
Die deutsche Tochtergesellschaft von Northvolt ist nicht Teil des eingeleiteten US-Verfahrens. Sie werde eigenen Angaben zufolge unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert, teilte das Handelsblatt mit.
"Die europäische Batteriezellenindustrie befindet sich insgesamt in einer herausfordernden Lage", so der Deutschlandchef der Tochtergesellschaft. Die Bauarbeiten am deutschen Werk in Schleswig-Holstein würden demnach "jedoch weitergehen". Die Zellmontage soll "nach neuem Zeitplan in der zweiten Jahreshälfte 2027 starten". Ursprünglich war dies bereits für Ende 2026 geplant.
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