Alles kein Problem? Wenig Protest gegen US-Raketenstationierung in Wiesbaden
Von Felicitas Rabe
Nach der Ankündigung der US-Regierung im Juli dieses Jahres, wonach die USA ab 2026 weitere Raketen in Deutschland stationieren wird, fand am Donnerstag erstmals ein Protest gegen die Aufstellung von US-Tomahawk-Marschflugkörpern, SM-16-Raketen und Dark-Eagle-Hyperschallraketen an einem US-Stützpunkt in Deutschland statt.
Ein Bündnis von Kreisverbänden der Partei Die Basis, dem Herausgeber des Nachrichtenportals Klartext-Rheinmain.de und Friedensaktivisten aus der Region organisierte die Protestveranstaltung vor dem Hauptquartier der US-Armee in Europa, der Clay-Kaserne in Wiesbaden-Erbenheim. Im Aufruf zur Kundgebung schrieben die Veranstalter: "Die NATO macht das Rhein-Main-Gebiet zur Hauptzielscheibe im Aufrüstungswahn! Unsere Regierung lässt sich das widerspruchslos gefallen – ebenso wie die Zerstörung von Nord Stream 2. Diese Regierung dient nicht der Bevölkerung – sie dient der Waffenindustrie und buckelt vor den USA."
Mit der geplanten US-Stationierung der neuen Langstreckenraketen wird der US-Standort Wiesbaden weiter ausgebaut. Dieser Plan wurde nicht gemeinschaftlich in der NATO entschieden, und es gab auch keine Zustimmung des Deutschen Bundestags. Infolge der Entscheidung wird Deutschland und speziell das Rhein-Main-Gebiet damit zur Hauptzielscheibe. Dazu erklärte der Journalist Patrik Baab in der Manova-Sendung "The Great WeSet" vom 21. September (ab Minute 56; wiedergegeben wie im Original):
Deutschland im Fokus russischer Atomwaffen
"Die russische Seite hat signalisiert, wenn die Amerikaner neue Raketen stationieren in 2026, dann rückt Deutschland in den Fokus russischer Atomwaffen. Den Amerikanern ist es gelungen, das nukleare Vernichtungswesen von sich wegzulenken und nach Deutschland auszulagern. Und das machen politische Hasardeure in Berlin mit, die sehr wohl [sehen], was sie da tun, und 84 Millionen Menschen in Geiselhaft nehmen für ihre Politik."
Im Angesicht des drohenden Wahnsinns, den die angekündigten US-Raketenstationierungen für Deutschland bedeuten, beteiligten sich am Donnerstag erschütternd wenige Menschen vor der US-amerikanischen Lucius-D.-Clay-Kaserne: Nur 400 Friedensaktivisten aus dem dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet scheinen sich über die Aufstellung von Langstreckenraketen gen Russland inmitten dieses Landes so zu sorgen, dass sie sich vor Ort an der Protestaktion beteiligten.
Dennoch machte der Bonner Rechtsanwalt Michael Aggelidis in seiner Rede Hoffnung: Mit dem ebenfalls neu geplanten US-Militär- und Logistikkommando in Wiesbaden wolle man zwar auch "die internationale Militärhilfe und Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte koordinieren", zitierte der NRW-Sprecher der Partei Die Basis aus der Hessenschau vom 18. Juli, aber es sei zweifelhaft, ob den USA das noch gelingen werde:
"Streng genommen erkennt die ganze Welt bis auf einen großen Teil einer komplett desinformierten westeuropäischen Öffentlichkeit euer Scheitern jeden Tag aufs Neue."
Hinsichtlich der US-Raketenstationierung forderte er eine Volksbefragung und eine Volksabstimmung. Ingrid Ruch von der Initiative Leuchtturm ARD betonte in ihrem Vortrag, dass die Bundesrepublik sich mit der Kriegsbeteiligung in der Ukraine verfassungswidrig verhalte. Auch dagegen müsse die Friedensbewegung protestieren, die angesichts der Kriegsgefahr ihre Zerstrittenheit aufgeben müsse: "Wir müssen gemeinsam auf die Straße gehen, wir wollen keinen ausgrenzen."
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Diether Dehm (Die Linke) stellte fest, dass es in Deutschland zwar massenhaft Friedensaktivisten gebe, die für den Frieden mit Russland seien, dennoch komme man aufgrund von Spaltungen innerhalb der Bewegung bei Demonstrationen immer noch kaum zusammen. Dazu beigetragen habe zuletzt die Gründungsversammlung im Thüringer Landtag. Unter Bezugnahme auf die ebenfalls am Donnerstag stattfindende Friedensdemonstration in Berlin erklärte Dehm:
"Wenn es das unwürdige Gewürge im Thüringer Landtag nicht gegeben hätte, dann wären jetzt mehr Menschen in Berlin auf der Straße."
Damit die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ihre Würde überhaupt organisiert vertreten könne, brauche es mehr Tarifverträge in diesem Land. Und unter Bezugnahme auf die Programmerklärung der Kommunistischen Partei Deutschlands aus dem Jahr 1930 zitierte der ehemalige linke Abgeordnete: "Wir brauchen eine soziale und nationale Revolution in Deutschland."
Der Politikwissenschaftler Hermann Ploppa verwies in seiner Rede auf die kommende BRICS-Versammlung am 22. Oktober in Kasan. Dort solle über eine neue weltweite Währungs- und Finanzordnung gesprochen werden, die völlig unabhängig von den USA etabliert werden würde. Deshalb sei die Situation aktuell auch so brandgefährlich. Schließlich lebten die USA von ungerechten Wechselgeschäften. Wenn ein Land sein an die USA "geliehenes" Geld zurückhaben wollte, würde so ein Land unter dem Vorwand einer "humanitäre Intervention" von den USA angegriffen.
In die deutsche Parteienlandschaft setzte Ploppa gar keine Hoffnung: Aktuell gebe es keine in der Politik vertretene Partei in Deutschland, die sich gegenüber Eurasien öffnen wolle oder sich klar zu einem Austritt aus der NATO bekenne. So könnten die Menschen nur auf ihre eigene Kraft setzen. Dabei müssten die Aktivisten großzügig und tolerant mit unterschiedlichen Meinungen in der Friedensbewegung umgehen. Ploppa betonte:
"Wir müssen einen Geist entwickeln, wo wir auch Unterschiede aushalten."
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