Militärberater von Angela Merkel: "Hass ist der Anfang des Krieges"
Brigadegeneral a.D. Erich Vad war militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zu Beginn des Ukraine-Krieges war Vad aufgrund seines beruflichen Werdegangs und der damit verbundenen Expertise ein gern gesehener Gast in deutschen Talkshows. Er setzte sich früh für Verhandlungen ein. Der Volksverpetzer betitelte ihn daraufhin als "General der Neuen Rechten", denn wer sich in Deutschland für andere Lösungen als eine militärische einsetzt, steht dem Faschismus nah, glaubt in Deutschland nicht nur der Volksverpetzer.
Die Polit-Talks kamen zunehmend ohne den ehemaligen Merkel-Berater aus, denn er verbreitete nicht die Message, die man vom Talkshowsessel in die deutschen Wohnzimmer übertragen wollte. Was Erich Vad zu sagen hatte, war zu kenntnisreich und daher zu differenziert. Der deutsche Mainstream präferiert militärische Lösungen, der Zuschauer soll diese Sicht übernehmen.
Seiner Message blieb Vad dennoch treu, zeigt sein aktuelles Buch "Abschreckend oder erschreckend? Europa ohne Sicherheit", das im Westend-Verlag erschienen ist. Er plädiert weiterhin für Verhandlungen zur Lösung des Ukraine-Konflikts. Die Begründung hat sich nicht geändert. Russland ist in der Lage jeden Eskalationsschritt mitzugehen, die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen. Im Fall einer Beteiligung der NATO droht ein Weltenbrand.
Dass Vad so vehement zurückgewiesen wird, ist dabei erstaunlich. Denn abgesehen von seiner Verhandlungsforderung unterscheidet sich seine Position kaum von der regierungsoffiziellen: Putin hat den Krieg angefangen, er verfolgt imperialistische Ziele. Es braucht daher in Deutschland massive Aufrüstung, die "Zeitenwende" ist aus diesem Grund eine richtige Entscheidung, denn Putin könnte nach der Einnahme der Ukraine auch andere Länder überfallen. Deutschland muss zudem innerhalb der EU eine Führungsrolle übernehmen.
Lediglich in einem Punkt unterscheidet er sich vom Mainstream und der deutschen Politik, denn Vad fordert eine deutsche und europäische Außenpolitik, die nicht blind den Vorgaben aus Washington folgt. Deutschland und die EU müssten die eigenen Interessen in den Blick nehmen. Ein Handelskrieg mit China liege nicht im Interesse Deutschlands, Aufrüstung dagegen schon.
Angela Merkel verstand internationale Beziehungen als Wettbewerb und Konkurrenzverhältnis. Staaten liegen miteinander im Wettstreit, glaubte die Kanzlerin. Vor allem ihre EU-Politik war davon geprägt. In ihrer Regierungszeit übernahm Deutschland in der EU eine Führungsrolle, indem es andere Volkswirtschaften wirtschaftlich niederrang. Freunde hat sich Berlin damit nicht gemacht, wie man inzwischen deutlich sieht. Der wirtschaftliche Niedergang Deutschlands wird im EU-Ausland mit Häme begleitet.
Erich Vad glaubt ebenfalls an diesen Wettbewerb um Einfluss-Sphären und Macht. Das ist bei aller analytischen Schärfe das große Manko des Buches. Ja, Staaten haben Interessen. Interessen zu verfolgen, ist legitim. Eine Regierung, die nicht die Interessen des eigenen Landes und seiner Bürger verfolgt, begeht Verrat.
Doch Vad setzt sich nicht nur dafür ein, das in deutscher Politik und in den deutschen Medien übliche Moralisieren aufzugeben und stattdessen eigene Ziele und Interessen klar zu formulieren und durchzusetzen. Vad redet einer neuen Blockbildung das Wort, in der Europa erneut einer Zweiteilung unterliegt, mit Russland auf der einen und der EU auf der anderen Seite. Die Ukraine wird irgendwann in die NATO aufgenommen, die Ursache des Konflikts wird nicht eliminiert, Lösungsvorschläge, die aus anderen Teilen der Welt unterbreitet werden, werden ignoriert. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und Punkt. Dass Russland diese Sicht aus guten Gründen nicht teilt, interessiert nicht.
Das ist bedauerlich, aber erklärbar. Putin lügt, bricht nach Belieben Verträge, überfällt aus dem Blauen heraus andere Länder aus reiner imperialistischer Großmannssucht, weiß der Konsument deutscher Medien. Mit der Realität hat das nichts zu tun, es ist aber die künstliche Wirklichkeit, in der sich der deutsche Medienkonsument aufhält.
Vad bedient das deutsche Putin-Klischee und unterlässt es, die Entwicklung hin zum Ukraine-Krieg und den Anteil, den Deutschland daran hat, nachzuzeichnen. Das ist sicherlich ein Defizit des Buches. Daran zeigt sich aber auch, was in Deutschland gerade sagbar ist und welche Grenze zu überschreiten man sich nicht erlauben sollte. Der Korridor ist eng gehalten. Erich Vad hat am eigenen Leib erfahren, wie eng der Meinungskorridor in Deutschland abgesteckt ist. Er weiß auch, was passiert, wenn man die Grenze überschreitet: Man wird nicht mehr gehört.
Man mag einwenden, die Bedrohung sei real. Russland setze sich schließlich gemeinsam mit China für die Ablösung der Hegemonie der USA ein. Das ist richtig. Darin aber ausschließlich eine Bedrohung zu sehen und die geopolitischen Umwälzungen als Kampf der liberalen Demokratien gegen den Autokratismus zu framen, ist unterkomplex und kurzsichtig.
Die Länder des Globalen Südens plädieren für die Demokratisierung der internationalen Beziehungen – eine Ordnung, wo Staaten auf der Grundlage ihrer Souveränität ihre Interessen untereinander diplomatisch aushandeln. In der Welt wird die Botschaft wohl gehört, in Deutschland aufgrund der Abschottung des Informationsraums allerdings nicht.
Im Angebot liegt auch die Chance für die Umsetzung dessen, was Erich Vad für Deutschland und Europa vorschwebt: mehr Autonomie und ein größeres Maß an echter Souveränität. Dafür muss allerdings der realistische Blick wieder geübt und das Moralisieren eingestellt werden. Den Weg dafür hat Erich Vad mit seinem Buch gewiesen – er muss nun konsequent verfolgt werden, auch von ihm selbst.
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