Sprudelnde Gewinne, satte Subventionen: Großkonzerne zocken in der Krise ab
Von Susan Bonath
Essen, heizen, Strom: Das Volk in Deutschland blecht wie nie zuvor, es geht ans Eingemachte. Dabei müssten die Energiepreise eigentlich längst purzeln, denn das tun sie an der Börse auch. Doch Fehlanzeige, den Großaktionären und Managern der großen Konzerne geht es prächtig. Sie nutzen die Not der Menschen skrupellos aus. Ihre Dividenden und Boni sprudeln wie nie zuvor. Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) bezeichnete das als "Skandal" Verbraucherschützer rufen nach der Politik.
Gewinne teils verdoppelt
Laut der internationalen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam haben 95 große Lebensmittel- und Energiekonzerne ihre Gewinne im vergangenen Jahr sogar mehr als verdoppelt. Insgesamt erzielten sie ein Plus von über 300 Milliarden Euro und schütteten knapp 260 Milliarden an ihre Anteilseigner aus, so Oxfam.
Zu den größten Profiteuren gehören etwa die Energieriesen Shell, ExxonMobil, Chevron, BP und TotalEnergies. Die NOZ nannte die großen Ölkonzerne "Kriegsgewinnler", die "im Geld schwimmen". Mit einem ansehnlichen Reibach rechnet auch die Monopol-Elite der Lebensmittelindustrie, wie der Großkonzern Unilever.
Von wegen "russischer Angriffskrieg"
Der Trick der Energieriesen ist vielfach im gewöhnlichen Monopolkapitalismus erprobt: Man kalkuliert mit den höchsten Börsenpreisen, zahlt nach deren Abfall aber weniger. Ende August letzten Jahres – übrigens noch vor dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines – schoss der Gaspreis an der europäischen Börse kurzzeitig auf umgerechnet über 30 Cent pro Kilowattstunde. Zwei Wochen später war er wieder auf 19 Cent gesunken.
Der Terrorakt auf Nord Stream 1 und 2 am 26. September sorgte nur für einen geringen und kurzzeitigen Anstieg auf 20 Cent. Seither purzelt der Preis für Erdgas an der europäischen Börse wieder. Seit Wochen hat er sich bei unter 6 Cent pro Kilowattstunde eingependelt. Das ist weniger, als Ende 2021.
Zum Vergleich: Im Jahr 2019 musste man an der europäischen Börse zwischen einem und zwei Cent für die Kilowattstunde zahlen, Ende 2020 waren rund 2 Cent fällig, Ende 2021 bereits bis zu 18 Cent. Damals konnte noch niemand etwas vom Einschreiten Russlands in den Krieg der ukrainischen Regierung gegen die Donbass-Bevölkerung ahnen.
Die Gründe waren also andere, wohl nicht zuletzt die Rendite der Konzerne. Nun müssten diese eigentlich als Grundversorger die sinkenden Preise an die Endverbraucher weitergeben. Schließlich geht es um existenzielle Bedürfnisse von Menschen. Das tun sie aber nicht und zocken lieber ab.
Warme Worte und Subventionen für Konzerne
Dass die Großhandelspreise für Gas und Strom seit Monaten wieder sinken, die Unternehmen dennoch an ihren Erhöhungen festhalten, hat die Politik in Nordrhein-Westfalen (NRW) bemerkt. Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) findet das unerhört. Über verschiedene Medien forderte sie die Versorger auf, die Verbraucherpreise dem Sinkflug anzupassen.
Wichtig sei, so Neubaur, "vor allem ein transparenter Umgang mit der Preisgestaltung". Andreas Mundt vom Bundeskartellamt will sogar gegen sehr hohe Preise vorgehen. Er wolle verhindern, dass die Unternehmen die steuerfinanzierten "Preisbremsen" der Bundesregierung missbrauchen, um sich mit weiter hohen Preisen staatliche Subventionen zu erschleichen. Seine Erfolgsaussichten erscheinen nicht besonders groß. Konzerne lassen sich nicht gerne reinreden.
Doch sogar die kommunalen Stadtwerke spielen dabei mit. In der Tagesschau "warnte" Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU), "vor falschen Hoffnungen". Er sehe eine dauerhafte Verdopplung der Gas- und Strompreise auf die Verbraucher zukommen. Bei seinem Gehalt muss er sich da sicher keine Sorgen machen.
Umverteilung nach oben
So bleibt die Inflation auf Rekordniveau. Besonders teuer sind nach wie vor die Waren für die absoluten Grundbedürfnisse: Essen, Heizen, Strom. Das ist eine klassische Umverteilung von unten nach oben, wie Oxfam treffend feststellte. Denn die Löhne und Gehälter in Deutschland halten dem nicht stand. Die Betroffenen können sich immer weniger leisten.
Das Statistische Bundesamt sieht den "stärksten sowie langanhaltendsten Reallohnrückgang seit Beginn der aktuellen Zeitreihe 2008". Demnach sanken die realen Einkommen 2022 gegenüber dem Vorjahr um insgesamt 4,1 Prozent – Tendenz steigend.
Bereits im ersten Coronajahr 2020 war der Wert der Einkommen um mehr als ein Prozent zurückgegangen. Eine Erholung gab es 2021 nicht, im Gegenteil. Die Umverteilung von unten nach oben floriert.
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