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Ex-Brigadegeneral Erich Vad: Deutsche Panzerlieferung ist eine militärische Eskalation

Vad erkennt in der Ukraine einen eindeutigen Abnutzungskrieg. Waffenlieferungen würden einzig "Militarismus pur" bedeuten. Es herrsche aktuell "aus reiner Selbstermächtigung" eine Gleichschaltung der Medien. Die Eindimensionalität seitens Baerbocks Außenpolitik sei nur schwer zu ertragen. Er fordert: keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine.
Ex-Brigadegeneral Erich Vad: Deutsche Panzerlieferung ist eine militärische Eskalation© picture alliance / dpa, Kristina Dunz

General a.D. Erich Vad, langjähriger militärpolitischer Berater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel, äußerte sich in einem Interview mit dem von Alice Schwarzer herausgegebenen Magazin EMMA zu den jüngsten innen- und außenpolitischen Entscheidungen der amtierenden Bundesregierung. Vad gilt als moderater Militär hinsichtlich möglicher Entscheidungen pro Waffenlieferungen an die Ukraine. 

Hinsichtlich der seitens Kanzler Scholz verkündeten Lieferung von 40 Panzern des Modells Marder an die Ukraine lautet die persönliche Einschätzung von Vad:

"Das ist eine militärische Eskalation, auch in der Wahrnehmung der Russen – auch wenn der über 40 Jahre alte Marder keine Wunderwaffe ist. Wir begeben uns auf eine Rutschbahn. Das könnte eine Eigendynamik entwickeln, die wir nicht mehr steuern können."

Der "Überfall Putins" sei für ihn "nicht völkerrechtskonform". Es war laut Vad daher richtig, die Ukraine zu unterstützen. Rückblickend auf die Beschlussentscheidungen der Bundesregierung müssten nun jedoch "endlich die Folgen bedacht werden". Der General a.D. fragt sich daher:

"Will man mit den Lieferungen der Panzer Verhandlungsbereitschaft erreichen? Will man damit den Donbass oder die Krim zurückerobern? Oder will man Russland gar ganz besiegen? Es gibt keine realistische End-State-Definition. Und ohne ein politisch strategisches Gesamtkonzept sind Waffenlieferungen Militarismus pur."

Vad schließe sich der Meinung des amerikanischen Generalstabschefs Mark Milley an, der aktuell davon ausgeht, dass "ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten sei und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg seien". Alles andere würde "den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben" darstellen. Dieser Blickwinkel hätte für Milley in Washington "viel Ärger" und öffentliche Kritik bedeutet. Vad kommentiert:

"Er hat eine unbequeme Wahrheit ausgesprochen. Eine Wahrheit, die in den deutschen Medien übrigens so gut wie gar nicht publiziert wurde. Das Interview mit Milley von CNN tauchte nirgendwo größer auf, dabei ist er der Generalstabschef unserer westlichen Führungsmacht."

Der US-Generalstabschef hatte in dem CNN-Interview für ihn aktuell erkennbare Parallelen zum Ersten Weltkrieg dargelegt. Vad erläutert ergänzend diesbezüglich:

"Im Ersten Weltkrieg hat allein die sogenannte 'Blutmühle von Verdun', die als Abnutzungsschlacht konzipiert war, zum Tod von fast einer Million junger Franzosen und Deutscher geführt. Sie sind damals für nichts gefallen. Das Verweigern der Kriegsparteien von Verhandlungen hat also zu Millionen zusätzlicher Toter geführt. Diese Strategie hat damals militärisch nicht funktioniert – und wird das auch heute nicht tun."

Militärische Fachleute, "die wissen, was unter den Geheimdiensten läuft, wie es vor Ort aussieht und was Krieg wirklich bedeutet", würden laut Vad "weitestgehend aus dem Diskurs ausgeschlossen. Sie passen nicht zur medialen Meinungsbildung". Er kritisiert unmissverständlich:

"Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Das ist pure Meinungsmache. Und zwar nicht im staatlichen Auftrag, wie es aus totalitären Regimen bekannt ist, sondern aus reiner Selbstermächtigung."

EMMA erinnert an die von Alice Schwarzer im Juli 2022 initiierte Initiative "Offener Brief an Bundeskanzler Scholz" (aktuell 471.131 Unterzeichner). Vads Wahrnehmung lautet zu der medial mehrheitlich scharfen Kritik an den Unterstützern der Aktion:

"Zum Glück hat Alice Schwarzer ihr eigenes unabhängiges Medium, um diesen Diskurs überhaupt eröffnen zu können. In den Leitmedien hätte das wohl nicht funktioniert. Dabei ist die Mehrheit der Bevölkerung schon länger und auch laut aktueller Umfrage gegen weitere Waffenlieferungen. Das alles wird jedoch nicht berichtet. Es gibt weitestgehend keinen fairen offenen Diskurs mehr zum Ukraine-Krieg, und das finde ich sehr verstörend. Das zeigt mir, wie recht Helmut Schmidt hatte. Er sagte in einem Gespräch mit Kanzlerin Merkel: Deutschland ist und bleibt eine gefährdete Nation."

Der Handlungsspielraum von Außenministerin Annalena Baerbock sei für ihn sehr stark fokussiert auf Waffen. Die Hauptaufgabe der Außenpolitik war und bleibe "Diplomatie, Interessenausgleich, Verständigung und Konfliktbewältigung", was er aktuell nicht erkennen würde. Die Eindimensionalität der aktuellen Außenpolitik sei daher "nur schwer zu ertragen". Vad weiter:

"Ich bin ja froh, dass wir endlich mal eine Außenministerin in Deutschland haben, aber es reicht nicht, nur Kriegsrhetorik zu betreiben und mit Helm und Splitterschutzweste in Kiew oder im Donbass herumzulaufen. Das ist zu wenig."

Die aktive Rolle von Bündnis 90/Den Grünen als kriegstreibende Partei bezeichnet Vad als "Mutation der Grünen von einer pazifistischen zu einer Kriegspartei". Er selbst kenne keinen Grünen, der überhaupt auch nur den Militärdienst geleistet hätte. Vad wörtlich:

"Anton Hofreiter ist für mich das beste Beispiel dieser Doppelmoral."

Dass eine einzige Partei "so viel politischen Einfluss hat, dass sie uns in einen Krieg manövrieren kann", befindet der Ex-Brigade General als "schon sehr bedenklich". In der theoretischen Funktion als Militärberater hätte er der Bundesregierung aktuell geraten, "die Ukraine militärisch zu unterstützen, aber dosiert und besonnen, um Rutschbahneffekte in eine Kriegspartei zu vermeiden". Das Problem für Bundeskanzler Scholz lautet für ihn eindeutig:

"Grüne, FDP und die bürgerliche Opposition machen – flankiert von weitestgehend einstimmiger medialer Begleitmusik – dermaßen Druck, dass der Kanzler das kaum noch auffangen kann."

Zum militärischen Status quo im Gesamtkonflikt lautet daher seine Einschätzung:

"Man muss sich nur allein die numerische Überlegenheit der Russen gegenüber der Ukraine vor Augen führen. Russland kann bis zu zwei Millionen Reservisten mobil machen. Da kann der Westen 100 Marder und 100 Leoparden hinschicken, sie ändern an der militärischen Gesamtlage nichts.

Und die alles entscheidende Frage ist doch, wie man einen derartigen Konflikt mit einer kriegerischen Nuklearmacht – wohlbemerkt der stärksten Nuklearmacht der Welt! – durchstehen will, ohne in einen Dritten Weltkrieg zu gehen. Und genau das geht hier in Deutschland in die Köpfe der Politiker und der Journalisten nicht hinein!"

Vad betont, dass man "den Russen signalisieren muss: Bis hierher und nicht weiter!" Deshalb sei es für den Militär richtig, dass "die NATO ihre militärische Präsenz im Osten erhöht und Deutschland hier mitmacht". Dass laut medial-politischer Behauptungen Putin generell nicht verhandeln will, "ist unglaubwürdig". Russen wie Ukrainer wären am Anfang des Krieges "zu einer Friedensvereinbarung" bereit gewesen. "Daraus ist dann nichts geworden". Der "Schlüssel für die Lösung des Konfliktes" liege nicht "in Kiew, er liegt auch nicht in Berlin, Brüssel oder Paris, er liegt in Washington und Moskau". Vad wörtlich:

"Es ist doch lächerlich zu sagen, die Ukraine müsse das entscheiden."

Vad bezeichnet sich als "überzeugter Transatlantiker", der "im Zweifelsfall lieber unter einer amerikanischen Hegemonie als unter einer russischen oder chinesischen leben" möchte. Seine Status-Analyse lautet:

"Dieser Krieg war anfangs nur eine innenpolitische Auseinandersetzung der Ukraine. Die ging bereits 2014 los, zwischen den russischsprachigen ethnischen Gruppen und den Ukrainern selber. Es ist also ein Bürgerkrieg gewesen. Jetzt, nach dem Überfall Russlands, ist es ein zwischenstaatlicher Krieg zwischen der Ukraine und Russland geworden (...) Aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Es ist eben auch ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland, und da geht es um ganz konkrete geopolitische Interessen in der Schwarzmeerregion."

Sollte Russland "durch massive westliche Intervention" dazu gezwungen werden, sich aus der Schwarzmeerregion zurückzuziehen, würden die Russen laut Mutmaßung von Vad, "bevor sie von der Weltbühne abtreten, mit Sicherheit zu den Nuklearwaffen greifen". Vad wörtlich im Interview:

"Ich finde den Glauben naiv, ein Atomschlag Russlands würde niemals passieren. Nach dem Motto – 'Die bluffen doch nur'."

Als Lösungsmodell sehe er als mögliche Variante, "die Menschen in der Region, also im Donbass und auf der Krim, einfach fragen, zu wem sie gehören wollen". Dazu müssten die Beteiligten "die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen, mit bestimmten westlichen Garantien". Russland würde dafür "eine Sicherheitsgarantie" gegeben, die zumindest enthalte "keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine. Seit dem Gipfel von Bukarest von 2008 ist klar, dass das die rote Linie der Russen ist".

Deutschland müsse laut Vad seine "militärische Unterstützung so dosieren, dass wir nicht in einen Dritten Weltkrieg gleiten":

"Keiner von denen, die 1914 mit großer Begeisterung in den Krieg gezogen sind, war hinterher noch der Meinung, dass das richtig war. Wenn das Ziel eine unabhängige Ukraine ist, muss man sich perspektivisch auch die Frage stellen, wie eine europäische Ordnung unter Einbeziehung Russlands aussehen soll."

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