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Deutschlands LNG-Dilemma: Der problematische Gasdeal mit Katar

Mit dem Flüssiggas aus Katar werden keine zwei Prozent des russischen Erdgases, das über die Nord-Stream-Pipeline kam, ersetzt – und auch das erst in vier Jahren. Die Bundesregierung sieht in dem Abkommen mit Katar dennoch einen großen Erfolg. Mit Recht oder Mogelpackung? Und wo bleiben dabei all die "europäischen Werte"? (Teil 1)
Deutschlands LNG-Dilemma: Der problematische Gasdeal mit KatarQuelle: AFP © Ina Fassbender / AFP

Eine Analyse von Alexander Männer

Die anhaltende Energie- und Inflationskrise in der Europäischen Union führt weiter dazu, dass das Wohlergehen der EU-Volkswirtschaften und der Wohlstand der EU-Bürger sich immer weiter verringern. Eine der Hauptursachen dafür ist der enorme Preisanstieg für Erdgas, der vor allem wegen der drastischen Reduzierung der russischen Gaslieferungen nach Europa sowie dem ''Ausschalten'' der Nord-Stream-Pipelines zusätzlich enorm befeuert wurde.

Die Strategie der westlichen Staaten, Russlands Energieimporte in die EU durch Sanktionen signifikant zu senken und der russischen Wirtschaft dadurch den Geldhahn abzudrehen, hatte allerdings zur Folge, dass in Europa das Gas knapp wurde. Zur Erinnerung: Die Russen lieferten noch bis vor Kurzem unter anderem jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter via Ostseegasleitung Nord Stream 1 nach Deutschland, die danach zum Teil über das europäische Ferngasleitungsnetz in andere Länder weitergeleitet wurden.

Aufgrund dieser nun fehlenden Gasmengen sind gerade in den EU-Ländern die wirtschaftliche Entwicklung und inzwischen auch unzählige Produktionsstandorte gefährdet. Deshalb suchen die Europäer nach wie vor händeringend nach zusätzlichen Importmengen, um die anhaltende Gasknappheit zu überwinden.

LNG-Deal mit Katar

Deutschland versucht den Ausfall der Gaslieferungen aus Russland, das zuvor sein größter Gaslieferant war und etwa 55 Prozent des Bedarfs der Bundesrepublik deckte, durch Alternativen zu ersetzen und gleichzeitig seine Versorgungsquellen zu diversifizieren. Und nach der Absage ans Fracking, das bekanntermaßen enorme Umweltschäden verursacht, setzt Berlin große Hoffnungen auf zusätzliche und umfangreiche Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG), wofür bereits auch mehrere Terminals in der Nord- und Ostsee gebaut werden. Dort soll das Gas, das vor dem Transport per Tankschiff in Verflüssigungsanlagen auf minus 162 Grad abgekühlt wurde, wieder in seinen Urzustand versetzt und danach in das Pipelinenetz eingespeist werden.

Als Lieferant soll das Emirat Katar fungieren, das nach Russland und Iran die drittgrößten Gasreserven der Welt besitzt, zu den führenden LNG-Exporteuren zählt und bereits seit 2016 jährlich rund 1,1 Millionen Tonnen Flüssiggas an Deutschland verkauft.

Die Verhandlungen zwischen Berlin und Doha über zusätzliche LNG-Lieferungen wurden bereits im Sommer geführt und scheiterten damals aufgrund unterschiedlicher Positionen hinsichtlich der Vertragsdauer und der Preise. Nun ist die deutsche Seite scheinbar dazu bereit, langfristige Verträge zu akzeptieren. Wie Medien am Dienstag unter Berufung auf das katarische Energieministerium berichteten, soll das Königreich ab 2026 jährlich und über einen Zeitraum von 15 Jahren bis zu zwei Millionen Tonnen LNG nach Deutschland exportieren.

Allerdings schaffen zwei Millionen Tonnen LNG angesichts der gegenwärtigen Versorgungskrise erst einmal kaum Abhilfe, meinen Experten. Dem Handelsblatt zufolge entspreche diese Menge gerade mal 2,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr – in Deutschland werden allerdings knapp 90 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht. Damit sind das gerade einmal drei Prozent des deutschen Jahresverbrauchs.

Diesbezüglich soll Doha laut Energieminister Saad Sherida al-Kaabi bereit sein, künftig noch mehr Flüssiggas zu verkaufen. Die zwei Millionen Tonnen seien nur die erste Liefervereinbarung mit Berlin und zudem gebe es in Deutschland derzeit ja noch kein einziges LNG-Terminal. Konkrete Angaben zum Umfang der möglichen Lieferungen machte der Minister jedoch nicht.

Damit ist der Gasdeal mit Katar, dessen Preis bislang übrigens noch nicht genannt wurde, vorerst nur ein Tropfen auf den heißen Stein und außerdem symbolisch für die erfolglosen Bemühungen Deutschlands auf dem LNG-Weltmarkt, der die Erwartungen Berlins zumindest in der jetzigen Lage nicht erfüllen kann. Gründe dafür sind etwa die horrenden Preise für Flüssiggas oder die dafür noch fehlende Infrastruktur in der Bundesrepublik.

Moralische Bedenken? Fehlanzeige.

In Bezug auf den Gasdeal mit Katar ist darüber hinaus noch das im Westen geprägte ideologische Narrativ anzuführen, das auch bei dem Russland-Geschäft stets eine zentrale Rolle spielt: Die ''Versorgungs-Abhängigkeit'' Deutschlands von einem ''autokratisch'' geführten Staat, der obendrein noch ''die Menschenrechte mit Füßen tritt''.

Dabei gehört die Menschenrechtslage in Katar in der Tat nicht gerade zu den Musterbeispielen. Unter anderem ist das Emirat einer der wenigen Staaten weltweit, in denen Homosexualität noch mit dem Tode bestraft werden kann. Es ist daher nicht überraschend, dass die Katarer aufgrund ihrer Menschenrechtssituation gerade während der Fußball-WM im eigenen Land politisch öffentlich noch stärker angegangen wurden und zum Beispiel von deutschen Medien und Politikern einer herben Kritik unterzogen worden sind. Im Vordergrund steht mal wieder die Moral: Es sei schlicht die Pflicht einer jeden Bundesregierung, die Menschenrechtsverletzungen in Katar offen anzusprechen, heißt es grundsätzlich.

Nach der überraschenden Verkündung des LNG-Lieferabkommens steckt Deutschland nun in einer Zwickmühle. Es will und kann auf das Gas offensichtlich nicht verzichten und es wird deshalb Kritik – dass es scheinheilig handle und sich stattdessen in die Abhängigkeit von einer anderen ''Diktatur'' begebe – in Kauf nehmen müssen. Die Frage der Glaubwürdigkeit der Bundespolitik wurde in den Medien übrigens sofort gestellt. So schrieb die Berliner Zeitung diesbezüglich: ''Es ist schon etwas peinlich, wenn deutsche Politikerinnen sich einerseits mit Regenbogenbinden in Katar präsentieren und wir die absolutistische Monarchie dort andererseits mit langfristigen Fossil-Deals finanzieren. Ja, soll der Rest der Welt denn denken, dass Deutschland nur an Symbolpolitik interessiert ist? Dass uns die Rechte von Homosexuellen und Frauen nur interessieren, wenn wir nicht von jenen profitieren, die sie missachten? Vielleicht denkt man das ja zu Recht, und wir sind längst so weit.''

Auch der Kommentar der Mitteldeutschen Zeitung ist passend:

''Seine eigentliche Bedeutung erhält der Gasdeal allein als katarischer Kommentar zur Debatte um Boykott und Menschenrechte: Tatsächlich steht Deutschland nun als Weltmeister der Doppelmoral da. Als Gasverkäufer ist uns Katar in der Not gerade recht, als WM-Gastgeber aber sei es bei jeder Gelegenheit geschmäht: Das ist ein Widerspruch, der sich tatsächlich schwer auflösen lässt. Auch nicht durch den Hinweis, dass es im einen Fall um existenzielle Bedürfnisse geht, im anderen nur um ein Spiel. Wir selbst sind es, die den Fußball zum Gerichtssaal über internationale Politik und universelle Normen machen. Und was sind, andererseits, schon drei Prozent des deutschen Jahresbedarfs.''

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