Pflege-Impfpflicht: Karlsruhe wies zahlreiche Verfassungsbeschwerden von Betroffenen ab
von Susan Bonath
Die Vakzine gegen COVID-19 gewähren keinen nennenswerten Fremdschutz, ihre Sicherheit bleibt umstritten, auf Dauer zugelassen sind sie bis heute nicht. Trotzdem trat die sogenannte Impfnachweis-Pflicht für Beschäftigte in Gesundheitsberufen am 16. März in Kraft. Ungeimpften drohen nun Bußgelder und Betretungsverbote. Der seit Langem vorhandene Pflegenotstand dürfte sich weiter verschärfen.
Laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der AfD-Fraktion meldeten sich bundesweit bereits 96.000 Pflegekräfte im zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung dieser Maßnahme arbeitssuchend. Allein den Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg wurden innerhalb der ersten Woche bis zum 23. März laut SWR-Recherchen rund 17.000 ungeimpfte Beschäftigte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen gemeldet. Die Tagesschau berichtete Mitte April von 4.700 gemeldeten Pflegekräften ohne Impfnachweis in Berlin.
Es ist schwierig, hier einen bundesweiten Gesamtüberblick zu bekommen. Denn die gemeldeten Fälle werden regional von den Gesundheitsämtern erfasst. Rechnet man allerdings die Zahlen aus Baden-Württemberg und Berlin anhand der dortigen Einwohner für ganz Deutschland hoch, kommt man auf einen Schätzwert von mehr als 100.000 wahrscheinlich Betroffenen bundesweit.
Karlsruhe: Schwere Nebenwirkungen im Einzelfall sind hinzunehmen
Doch trotz drohender gravierender Mängel bei der Versorgung Pflegebedürftiger können Ungeimpfte vorerst nicht auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hoffen. Am 10. Februar bügelten die höchsten Bundesrichter exemplarisch eine Verfassungsbeschwerde zunächst im Eilverfahren ab. Für eine abschließende Entscheidung nannten sie kein Datum.
Dabei stellt das BVerfG durchaus fest, dass ein Befolgen der sogenannten Impfnachweis-Pflicht zu körperlichen Reaktionen führen könne. Der Eingriff könne "ihr körperliches Wohlbefinden jedenfalls vorübergehend beeinträchtigen", heißt es. Und weiter führt das Gericht wörtlich aus:
"Im Einzelfall können auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten, die im extremen Ausnahmefall auch tödlich sein können. (...) Allerdings verlangt das Gesetz den Betroffenen nicht unausweichlich ab, sich impfen zu lassen. Für jene, die eine Impfung vermeiden wollen, kann dies vorübergehend mit einem Wechsel der bislang ausgeübten Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar mit der Aufgabe des Berufs verbunden sein."
Mit anderen Worten: Wollen Beschäftigte das Risiko schwerwiegender bis tödlicher Nebenwirkungen nicht auf sich nehmen, sollen sie eben den Beruf wechseln und gegebenenfalls Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen. Bis zu einer Hauptverhandlung in Karlsruhe sei ihnen dies zuzumuten, heißt es. Der "Schutz der vulnerablen Gruppen" wiege schwerer. Medizinische Belege für den damit suggerierten Fremdschutz führten sie nicht an.
169 von 210 Verfassungsbeschwerden abgewiesen
Verfassungsbeschwerden sind ein wichtiges demokratisches Instrument. Sehen sich Menschen durch ein neues Gesetz in ihren Grundrechten beeinträchtigt, können sie eine solche einlegen. Allerdings darf das BVerfG Beschwerden sogar unbegründet ablehnen. Nachdem es nun den einen Präzedenzfall geschaffen hat, verfährt es offenbar genau so mit allen anderen Eingaben gegen die Pflege-Impfpflicht. Und davon gibt es viele.
So seien bis zum 19. April insgesamt 210 weitere Verfassungsbeschwerden gegen die einrichtungsbezogene Nachweispflicht nach Paragraf 20a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eingegangen, erläuterte BVerfG-Sprecher Pascal Schellenberg auf Anfrage der Autorin. Bisher habe Karlsruhe 169 dieser Beschwerden "nicht zur Entscheidung angenommen". Schellenberg gab weiter bekannt:
"Insgesamt sind demnach derzeit noch 41 Verfahren anhängig. Mit Beschluss vom 10. Februar 2022 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die Beschwerdeführenden begehrten, den Vollzug der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht vorläufig auszusetzen."
Hoffnung auf eine schnelle Klärung des Problems gab Schellenberg nicht. Er erklärte vielmehr: "Ein Entscheidungstermin im Hauptsacheverfahren ist noch nicht absehbar."
Derweil diskutiert der Bundestag weiter über die Corona-Impfpflicht in Gesundheitsberufen. Auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU und AfD sollen dort am 27. April Fachleute angehört werden. Die Unionsfraktion fordert lediglich einen bundesweit einheitlichen Vollzug des Gesetzes. Es seien etwa arbeitsrechtliche Fragen zu klären. Die AfD-Fraktion dringt auf die Aussetzung des Gesetzes.
Kein Nachweis für medizinische Notwendigkeit
Bei allem bleiben Fragen zur medizinischen Notwendigkeit des Grundrechtseingriffs offen. Dabei werfen selbst die Ausführungen des Robert Koch-Instituts (RKI), auf dessen Expertise man sich bisher in der Pandemie stützte, große Zweifel auf. Auf seiner Internetseite schätzt es die Wirksamkeit der Vakzine derzeit als gering ein. Es stellte bereits am 18. März fest, dass die Omikron-Variante mehr als 99 Prozent aller Corona-Fälle verursache. Und es führt aus:
"Die bisherigen Studien zeigen, dass die Wirksamkeit der COVID-19-Impfung gegenüber jeglicher Infektion und gegenüber symptomatischer Infektion mit der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante reduziert ist. Bei Personen, die bisher zwei Impfstoffdosen erhalten haben, scheint die Wirksamkeit zudem nach zwei bis drei Monaten stark abzufallen."
Zwar erkenne das RKI eine kurzzeitige Erhöhung des Schutzes nach einer dritten Spritze, heißt es dort weiter. Allerdings sei es
"noch unklar, wie lange der Schutz nach Auffrischungsimpfung anhält. Auch über die Transmission unter Omikron gibt es bisher keine ausreichenden Daten, sie scheint bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion unklar bleibt".
Das RKI räumt demnach ein, es habe keinerlei plausible Daten dazu, ob die vorgeschriebenen drei Impfdosen überhaupt das Risiko einer Ansteckung und Übertragung vermindern. Doch gerade diese Annahme liegt der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und allen anderen Ansinnen für eine weitergehende Maßnahme dieser Art zugrunde.
RKI-Zahlen zeigen keinen nennenswerten Fremdschutz
Die im Wochenbericht des Bundesinstituts publizierten Zahlen lassen jedenfalls keinen nennenswerten Fremdschutz erkennen. Demnach waren zwischen dem 14. März und 10. April 2022 lediglich knapp 27 Prozent der erfassten Fälle von symptomatisch an Corona Erkrankten aller Altersgruppen nicht oder unvollständig geimpft. Und rund 54 Prozent dieser Betroffenen waren sogar dreifach geimpft.
Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung waren Mitte März laut RKI gut 24 Prozent der Einwohner nicht oder nur einmal geimpft. Eine Auffrischungsimpfung hatten demnach 58 Prozent erhalten. Die Unterschiede sind also minimal. Wobei sich die Frage stellt, wie belastbar diese Zahlen tatsächlich sind. Denn erschwerend kommt hinzu, dass das RKI für seine Abschätzung der Wirksamkeit lediglich knapp 340.000 von insgesamt 5,25 Millionen in dieser Zeit registrierten Fälle erfasst hat – 6,5 Prozent.
Die sowohl von Verfassungsrichtern als auch der Politik zugrunde gelegte Annahme eines irgendwie gearteten Fremdschutzes gegenüber "vulnerablen Gruppen" basiert also offenbar mehr auf einem Glauben daran als auf Evidenz. Im Gegenteil: Die verfügbaren Daten widersprechen der Annahme. Fatalerweise versetzt hier der Glaube tatsächlich die sprichwörtlichen Berge – und in der Realität wohl zehntausende ungeimpfte Pflegekräfte wohl zeitnah in die Arbeitslosigkeit.
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