Deutschland

Bundeswehr soll Kinder in Schulen über den Ukraine-Krieg aufklären

Sogenannte Jugendoffiziere der Bundeswehr sollen, wenn es nach Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) geht, Schulkinder über die Folgen des Ukraine-Krieges für Deutschland aufklären. Dafür erntete die Bildungsministerin scharfe Kritik, aber auch Zuspruch.
Bundeswehr soll Kinder in Schulen über den Ukraine-Krieg aufklärenQuelle: www.globallookpress.com © Filmbildfabrik/www.imago-images.de

Mit den schwerwiegenden Kampfhandlungen in der Ukraine ist der erste Krieg auf europäischem Terrain seit Ende des Jugoslawien-Krieges im Jahr 2001 entbrannt. Dies lässt auch unter der deutschen Bevölkerung die Furcht vor einer Ausweitung des Konflikts bis an die eigene Haustür wachsen. Krieg in Europa – das ist ein Thema, das bis vor wenigen Monaten noch kopfschüttelnd als äußerst unwahrscheinlich abgestempelt wurde. Doch nun ist es eben so, wie es ist, wegschauen hilft nicht mehr. So stellte Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Morgen des russischen Eingreifens in der Ukraine fest: "Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht."

Deutschland, das bezüglich militärischer Auseinandersetzungen jahrelang Scheuklappen trug, fühlt sich aufgrund der weltweit entbrannten Diskussionen über den zukünftigen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Umgang mit Russland dazu getrieben, die Rolle der Bundeswehr in der Bundesrepublik neu zu überdenken. Und so sah sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dazu veranlasst, den Einsatz sogenannter Jugendoffiziere der Bundeswehr zu "Aufklärungszwecken" an deutschen Schulen zu fordern. 

Demnach sollen die Bundeswehroffiziere dem im Zuge des Ukraine-Krieges aufkommenden "enormen Informationsbedürfnis über sicherheitspolitische Fragen" der Schüler nachkommen und diese "altersgerecht" über den "russischen Angriff auf die Ukraine" und dessen "Folgen für Deutschland" aufklären. "Es ist wichtig, dass der russische Angriff auf die Ukraine und die Folgen für Deutschland und Europa auch im Schulunterricht altersgerecht thematisiert werden", forderte Stark-Watzinger am Montag im Gespräch mit der Bild und ergänzte:

"Als sicherheitspolitische Experten sind sie eine Bereicherung für den Unterricht, besonders jetzt."

So sieht der Vorschlag der Bildungsministerin vor, dass Lehrer bei der pädagogischen und psychologischen Aufarbeitung des Ukraine-Konflikts an Schulen, besonders mit Hinblick auf den Umgang mit vermeintlichen Desinformationen in den sozialen Medien, "die Unterstützung der Jugendoffiziere" in Anspruch nehmen sollten.

Die einsatzerfahrenen Jugendoffiziere haben der Bundeswehr-Webseite zufolge die Aufgabe, die Bevölkerung, insbesondere Schüler, über "die Herausforderungen einer bündnisorientierten Sicherheitspolitik" aufzuklären. Hierzu stehen 94 hauptamtliche Jugendoffiziere zur Verfügung. Jedoch versichert die Bundeswehr, dass die "Aufklärungsmission" der Jugendoffiziere nicht der Gewinnung neuer Rekruten diene.

Eine Beschwichtigung, an der unter dem Aspekt der neu entflammten Debatte über die potenzielle Wiedereinführung der Wehrpflicht durchaus gezweifelt werden darf. So nahmen besorgte Eltern einen zugehörigen Twitter-Post der Bildungsministerin zum Anlass, ihren Unmut über die Pläne der FDP-Politikerin zu äußern. Unter anderem kritisierte ein Twitter-Nutzer, Stark-Watzinger solle lieber Psychologen statt Soldaten zu den Kindern schicken.

Auch die Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) trauen den gemeinsamen Beschwichtigungen von Bildungsministerium und Bundeswehr nicht über den Weg. Bereits 2010 hatte sich die Gewerkschaft in einem Vorstandsbeschluss darauf geeinigt, sich "entschieden gegen den zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und der Lehreraus- und Fortbildung" auszusprechen.

So forderte die GEW die Landesregierungen auf, Passagen in den Kooperationsabkommen, die den Bundeswehraufklärungseinsatz an Schulen legitimieren, in den Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr zu streichen und aufzukündigen. Die GEW begründete ihre Erklärung damit, die Offiziere würden mit ihren Auftritten vor Schulklassen unterschwellig für den Soldatenberuf werben. 

Auf die am Montag getätigten Aussagen der Bildungsministerin reagierte die Bildungsgewerkschaft mit scharfer Kritik. Der Einsatz uniformierter Soldaten in Klassenzimmern könne vor allem jüngere Kinder zusätzlich verstören, sagte Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied der GEW, am Mittwoch der Welt

"Vor allem jüngere Kinder könnte es sogar noch zusätzlich verstören, wenn uniformierte Offiziere in die Schulen kommen. Krieg als schulisches Thema gehört in die Hand der dafür ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen, zum Beispiel in der politischen Bildung."

Jedoch erhielt Stark-Watzinger für ihren Vorschlag auch Zustimmung. So sprach sich auch der in der Vergangenheit selbst Zivildienst leistende Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, gegenüber der Welt am Mittwoch für den Einsatz der Jugendoffiziere an Schulen zu Aufklärungszwecken aus:

"Wir haben eine Parlamentsarmee. Es gehört zum Bildungsauftrag der Schulen dazu, über die Arbeit der Bundeswehr zu informieren – und zwar durch Experten aus erster Hand. Insofern sollte der Einsatz der Jugendoffiziere eine Selbstverständlichkeit sein."

Für die aufkommende Kritik an den Plänen der Bildungsministerin hat der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes indes kein Verständnis. So bediene die Debatte nur das Narrativ, die Bundeswehr sei für "Krieg und Töten zuständig", sagte Meidinger weiter:

"Dadurch wird ein Kontroverse-Narrativ bedient, dass die Bundeswehr für Krieg und Töten zuständig ist und die Friedensbewegung für den Frieden. Das stellt die Rolle der Bundeswehr für den Erhalt von Frieden und Sicherheit gleich wieder infrage und verkennt die Rolle einer in der Verfassung verankerten Parlamentsarmee."

Auch wenn die Bundeswehr am Dienstag auf Ihrer Webseite erneut bekräftigte, die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht stehe entgegen Medienberichten zurzeit nicht zur Debatte, fürchten immer mehr Menschen mit Blick auf die Geschehnisse in der Ukraine die erneute Veranlassung genau dieser. So ist der Einsatz von Jugendoffizieren an Schulen trotz aller Versicherungen, dieser diene nicht der Anwerbung potenzieller neuer Rekruten, in diesem Zusammenhang besonders kritisch zu hinterfragen. 

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