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Hält die BKK ProVita Daten zu Impf-Nebenwirkungen zurück? Beteiligter Analyst schaltet Anwalt ein

Eine Analyse der Betriebskrankenkassen (BKK) zu ärztlich abgerechneten Impfnebenwirkungen sorgte für medialen Aufruhr. Nun hat ein beteiligter Datenanalyst einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Der Vorwurf: Die BKK ProVita halte die Analyse nach der fristlosen Entlassung ihres Vorstands unter Verschluss.
Hält die BKK ProVita Daten zu Impf-Nebenwirkungen zurück? Beteiligter Analyst schaltet Anwalt einQuelle: Gettyimages.ru © Vertigo3d / E+

von Susan Bonath

Führen die Corona-Impfstoffe zu viel mehr Nebenwirkungen, als öffentlich bekannt ist? Darauf deutet eine Datenanalyse über Arztbesuche von Mitgliedern der Betriebskrankenkassen (BKK) hin. Doch öffnen will man diese Blackbox lieber nicht, wie die folgenden Vorgänge zeigen.

So beschimpfte ein Ärzteverband die BKK ProVita als "Schwurbel-Kasse", Medien griffen das auf. Der BKK-Ableger wiederum warf seinen Vorstand, Andreas Schöfbeck, als Überbringer der Nachricht fristlos raus. Leitmedien stempelten Schöfbecks Datenanalysten, den Informatiker Tom Lausen, zu einem unglaubwürdigen "Querdenker" ab – und der wehrt sich nun juristisch: Sein Rechtsanwalt Ivan Künnemann verlangt vom neuen BKK-ProVita-Vorstand die Herausgabe der Daten an das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Denn der hält diese Dokumente offenbar zurück.

Vorwurf: "Datenübergabe an das PEI vereitelt"

Das geht aus einem Anschreiben des Rechtsanwalts an den neuen BKK-ProVita-Vorstand Walter Redl hervor, das der Autorin vorliegt. Der Vorwurf darin: Redl habe nach Schöfbecks Entlassung die Datenübergabe an das PEI "vereitelt". Sein Mandant Lausen fordere ihn auf, dies umgehend bis zum 9. März nachzuholen. Sollte dies nicht geschehen, werde er Strafverfahren anstrengen. Der Anwalt fügte hinzu:

"Ebenfalls werde ich nach Verstreichenlassen der Frist sämtliche Daten an das Paul-Ehrlich-Institut übergeben." 

Zu diesem Schritt sei Lausen in diesem Falle als einziger unabhängiger Kenner der Daten sogar verpflichtet, fügte der Jurist Künnemann an und betonte: "Es handelt sich ausschließlich um anonymisierte Daten, die ausdrücklich nicht dem Sozialgeheimnis unterliegen." Jede andere Unterstellung sei falsch und rechtswidrig.

Schöfbeck hatte das PEI am 21. Februar über die Datenlage informiert. Nachdem unter anderem Die Welt über den Brief berichtet hatte, nahm das PEI am 24. Februar dazu Stellung. Es kritisierte zwar, dass der Autor die ermittelten Abrechnungsfälle, die mit einem Code für Impfnebenwirkungen versehen waren, nicht nach Schwere aufgeschlüsselt habe. Zugleich kündigte es aber an, die Daten in eine geplante Studie zur Impfstoffsicherheit einbeziehen zu wollen, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) fördere.

Ebenso wollte sich das PEI bereits in der ersten Märzwoche mit dem BKK-ProVita-Vorstand persönlich über die ermittelten Daten austauschen. Laut Anwalt Künnemann kam es auch dazu nicht. Dies sei seiner Rechtsauffassung nach gleichfalls als "strafbares Unterlassen" zu werten. Er mahnte:

"Die grundsätzliche Aussage, die Impfstoffe seien sicher und wirksam, ist vor diesem Hintergrund Ihrer Vereitelungstaten zur Bewertung der Impfstoffsicherheit sachlich ohne Neuprüfung nicht mehr haltbar."

Schöfbeck hatte die Untersuchung der gesamten BKK-Daten zu ärztlichen Behandlungen veranlasst, weil ihm aufgefallen war, dass viele Mitglieder seiner Kasse über Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung geklagt hatten. Das Ergebnis: Zwischen Januar und Mitte August 2021 suchten rund 225.000 von knapp elf Millionen BKK-Mitgliedern einen Arzt wegen Beschwerden nach der Impfung auf. Das waren etwa 216.000 Betroffene mehr als in  dem gleichen Zeitraum in anderen Jahren. Die Ärzte hatten die Fälle entsprechend kodiert.

Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung und das ganze Jahr 2021 komme man so auf etwa 2,5 bis 3 Millionen Verdachtsfälle. Das PEI verzeichnet allerdings "nur" rund 245.000 Meldungen für 2021 – zehn bis zwölfmal weniger. Schöfbeck hatte verlangt, diese Diskrepanz dringend zu untersuchen und bis dahin die Anwendung der Impfstoffe auszusetzen.

"Auch leichte Nebenwirkungen sind zu melden"

Der Anwalt ging in dem Schreiben an den neuen BKK-ProVita-Vorstand Redl auf die Daten selbst, auf Schöfbecks Schreiben an das PEI, auf die Reaktionen darauf und auf verschiedene Vorwürfe gegen den Ex-Vorstand sowie seinen Mandanten ein.

Ohne eigene Analyse hielt die entrüstete Gegenfront den Überbringern vor allem vor, dass es sich bei Abrechnungsdaten auch um leichte Fälle, wie Fieber oder Müdigkeit, handeln könnte. Diese seien nicht meldepflichtig. Abgesehen davon, dass die Schwere der Fälle bis heute nicht bekannt ist. Dem widersprach Künnemann: Laut Gesetz seien sämtliche, auch nicht schwerwiegende Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen dem PEI zu melden.

So enthält das offizielle digitale Meldeformular für Impfnebenwirkungen ein Eingabefeld, das vielerlei Beschwerden umfasst, darunter auch leichte Folgen wie Fieber, Ermüdung, Rötung oder Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopf- und Muskelschmerzen und ähnliches. In einem weiteren Eingabefeld kann man auswählen, ob die Beeinträchtigung geringfügig war, eine ärztliche Behandlung erforderte, zu einem Klinikaufenthalt führte oder gar tödlich endete.

Außerdem zitierte der Rechtsanwalt aus Paragraf 62 des Arzneimittelgesetzes. Darin heißt es im zweiten Absatz:

"Die zuständige Bundesbehörde erfasst alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, von denen sie Kenntnis erlangt. (...) Die zuständige Bundesbehörde stellt durch Sammeln von Informationen und erforderlichenfalls durch Nachverfolgung von Berichten über vermutete Nebenwirkungen sicher, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um sämtliche biologische Arzneimittel, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes verschrieben, abgegeben oder verkauft werden und über die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen berichtet wurden, klar zu identifizieren."

Der Anwalt monierte: Um Nutzen und Risiko gegeneinander abwägen und die Sicherheit bewerten zu können, benötige das PEI auch Kenntnis von leichten Fällen. Immerhin handele es sich bei den BKK-Daten um Patienten, die wegen der Beschwerden einen Arzt aufgesucht hätten. Bereits daran sei ersichtlich, "dass eine Vereitelung der Datenübergabe eine schwerwiegende Unterlassung bedeutet." Hinzu komme, so Künnemann weiter:

"Ärztinnen und Ärzte werden immer nur dann eine Impfnebenwirkung kodieren, wenn dies so erkannt wurde. (...) In den BKK-Daten wurde ausschließlich nach Diagnose-Sicherheit 'G' für gesichert gefiltert."

Ob die Daten dem PEI inzwischen doch übermittelt wurden, ob es diese angefordert hat und eventuell ein Treffen zwischen den Beteiligten nachgeholt werde, konnte die Autorin am Dienstag nicht herausfinden. Das PEI blieb eine Antwort auf eine entsprechende Anfrage bis zum Nachmittag schuldig.

BKK-Insider spricht von "Hexenjagd"

Der Umgang mit den BKK-Daten und ihren Überbringern erhärtet den Verdacht des Verschweigens kritischer Daten zu Corona-Impfstoffen. Die Berliner Zeitung berichtete von einer offenbar politisch motivierten "Hexenjagd" auf Schöfbeck.

Ein Mitglied des BKK-Verwaltungsrat resümierte gegenüber der Zeitung, die Kasse habe ihn nur schnell loswerden wollen – vor dem geplanten Treffen mit dem PEI. Als das Schreiben ihres Ex-Vorstandes in den Medien publik geworden war, hatte sich die BKK ProVita zunächst vielseitig interpretierbar, aber in der Stoßrichtung doch eindeutig geäußert:

"Die gemachten Aussagen spiegeln nicht den aktuellen Wissensstand und die Haltung der Kasse wider. Die BKK ProVita wird die Vorgänge intern aufarbeiten und lehnt eine Vereinnahmung durch die sogenannte 'Querdenker-Bewegung' deutlich ab."

Fraglich ist auch: Was spielt "die Haltung der Kasse" bei der Prüfung schnöder Daten überhaupt für eine Rolle? Anders gefragt: Weil die BKK ProVita befürchtet, politisch inkorrekt aufzufallen, will sie wichtige Daten lieber nicht prüfen lassen?

ARD und Co. mit "Querdenker-Keule"

Ähnlich gingen auch verschiedene Leitmedien vor. So stellte die öffentlich-rechtliche ARD-Nachrichtensendung Tagesschau die Analyse als unglaubwürdig hin, ohne sie zu kennen, geschweige denn, untersucht zu haben. Die einzigen "Begründungen": Eine Schimpftirade des Virchowbundes, der ebenfalls die Daten nicht kannte, die Unterstellung, dass es sich wohl um banale Impfreaktionen handelt – ohne Nachweis – sowie der Vorwurf, dass der Analyst Tom Lausen "Querdenkern" nahestehe. Eine sachliche Bewertung sucht man vergeblich.

Auch andere Medien, wie der FOCUS sprangen auf den Zug auf. Das Blatt titelte:

"Analyst von umstrittener Studie stammt aus dem Querdenker-Milieu."

Das Ärzte-Informationsportal Medscape, das auch Fortbildungen für Mediziner anbietet, berief sich ebenfalls auf den ARD-Ableger SWR und unterstellte daraufhin sogar, an den Arbeiten sei "ein bekennender Querdenker beteiligt" gewesen.

Kontaktschuld-Vorwurf: "Sachlich vollkommen irrelevant"

Der Vorwurf wird zwar nicht in der Sache belegt, rührt aber mutmaßlich von der Tatsache her, dass Lausen bereits Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu kodierten Impfnebenwirkungen ausgewertet und darüber unter anderem mit der kritischen Journalistin Milena Preradovic gesprochen hatte.

Inwieweit nun Preradovic dem "Querdenker-Milieu" nahestehen könnte, ist ebenfalls nicht belegt. Allerdings interviewte die Journalistin – entsprechend ihres Berufs – bereits Ärzte und Anwälte, die sich gegen viele Corona-Maßnahmen aussprachen oder die Impfung kritisch sehen. 

Lausen nennt diese Art von Kontaktschuld-Vorwürfen "sachlich vollkommen irrelevant", da sie eben nichts zur Sache aussagten. In der Tat: Journalistische Arbeit wäre es gewesen, über die Vorgänge zu berichten und für eine Beurteilung derselben die Prüfung der Daten abzuwarten. Spekulationen über angebliche politische Haltungen, Charakterzüge oder "Milieu"-Zugehörigkeiten der Überbringer von Nachrichten und daraus konstruierte Zirkelschlüsse über deren Glaubwürdigkeit gehören nicht dazu.

Mehr zum Thema - "Schwurbel-BKK": Brandbrief entfacht Glaubenskrieg um Krankenkasse und ihre Daten

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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