
Keine "rechtskräftige Verordnung" – Verbot von RT DE und Sputnik in der EU wird hinterfragt

Der Tagesspiegel stellte am Donnerstag fest, dass der angestrebten Sperre von russischen Staatsmedien in der EU eine "rechtskräftige Verordnung" fehle.
Dieses Vorgehen wird nun von mehreren Seiten kritisch hinterfragt: So twitterte der Europaabgeordnete Tiemo Wölken (SPD) am Dienstag:
"Klar ist: Maßnahmen gegen Putins Propagandamaschine sind notwendig. Aber wie private Unternehmen ohne jegliche demokratische Legitimität hier ihre Macht demonstrieren, beunruhigt mich."
#Facebook, #Instagram, #TikTok, #Microsoft, #Google blocken jetzt alle #RT & #Sputnik. Klar ist: Maßnahmen gegen #Putin|s Propagandamaschine sind notwendig. Aber wie private Unternehmen ohne jegliche demokratische Legitimität hier ihre Macht demonstrieren, beunruhigt mich.
— Tiemo Wölken 🇪🇺 (@woelken) March 1, 2022
Er ergänzte den Post mit den Worten "Was, wenn die Unternehmen in Zukunft nicht das moralisch Richtige tun?" So müsse ernsthaft parlamentarisch diskutiert werden, welche Rechte – wie die Medienfreiheit – im Kriegsfall anders interpretiert werden. Das EU-Parlament habe man hier jedoch "völlig im Dunkeln" tappen lassen.
Auch die ehemalige Piraten-Politikerin und aktuelle deutsch-ukrainische Co-Vorsitzende bei D64 Marina Weisband übt Kritik an der Macht von Big Tech:
"Das hier ist die gedankliche Notiz, nach dem Krieg darüber zu reden, welche Macht quasimonololistische Techfirmen in Kriegen haben."
Musk aktiviert Starlink. Google schaltet für die Ukraine maps aus. Ich finde das super und wichtig für die Ukraine. Inhaltlich.Das hier ist die gedankliche Notiz, nach dem Krieg darüber zu reden, welche Macht quasimonololistische Techfirmen in Kriegen haben.
— Marina Weisband (@Afelia) February 28, 2022

Ähnlich sieht das der Europaabgeordnete der Piratenpartei, Patrick Breyer. Er kritisierte die "negativen Auswirkungen von Zensurmaßnahmen" und meint, dass dies der falsche Ansatz im Kampf gegen Desinformation sei. Es sei schließlich auch sinnvoll, "Lügen zu lesen und zu beobachten".
Er finde es besser, die Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, ihre eigenen fundierten Entscheidungen zu treffen. Auch schaffe die Aufforderung an Internetkonzerne, angebliche Propagandainhalte im Internet zu blockieren, "einen gefährlichen Präzedenzfall für die Zukunft". Daher solle man "Big Tech nicht an unserer Stelle entscheiden lassen, welche Informationen Propagandalügen sind und welche glaubwürdig sind".
🇩🇪#Piraten-Europaabgeordnete stimmen gegen Lizenzentzug und Sperre russischer Staatssender und Propagandaaccounts. Desinformation muss mit Bildung und Faktenchecks begegnet werden, nicht mit Zensur. Europäische Zensur gibt Putin außerdem einen Vorwand, ... (1/2)
— Patrick Breyer #JoinMastodon (@echo_pbreyer) March 1, 2022
Doch nicht nur Politiker sehen die offensichtliche Zensurvorgabe aus Brüssel mit Sorge. Auch Reporter ohne Grenzen sieht ein EU-Verbot von RT und Sputnik kritisch und warnt vor den möglichen Folgen.
Auf ihrer Webseite schrieb die Organisation, dass jenes Gebaren der EU "nicht zielführend" sei. Sie befürchte, dass die Nachteile eines solchen Verbots durch Spiegelmaßnahmen auf die Berichterstattung aus Russland stärker ins Gewicht fallen als die kurzzeitig erwünschten Effekte.
Geschäftsführer Christian Mihr sagte am Montag:
"Der russische Medienapparat zensiert, verbreitet Desinformation und wähnt sich in einem Informationskrieg. Kritik an Putin oder der Regierung kommt in den Programmen nicht vor. Trotzdem sehen wir ein Verbot von RT und Sputnik kritisch. Der Einfluss dieser Medien auf die Meinungsbildung in Europa ist begrenzt, die zu erwartenden russischen Gegenmaßnahmen allerdings könnten eine unabhängige Berichterstattung aus Russland erschweren oder sogar unmöglich machen. Dass es Gegenmaßnahmen geben wird, hat nicht zuletzt der Umgang mit der Deutschen Welle gezeigt."
Reporter ohne Grenzen geht davon aus, dass dadurch "die Arbeit internationaler Korrespondentinnen und Korrespondenten in Russland und, allgemeiner, … das Recht des freien Zugangs zu Informationen" massiv eingeschränkt würde. Und final heißt es:
"Mediennutzerinnen und -nutzer in Russland und in Europa könnten sich angesichts einer stark schrumpfenden medialen Vielfalt immer weniger unabhängig informieren."
Mehr zum Thema - Rat der Europäischen Union untersagt jede Verbreitung von RT und Sputnik
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.