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Cum-Ex-Skandal: Strafanzeige gegen Olaf Scholz und Peter Tschentscher

Gegen den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz und den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher erhebt der Anwalt Gerhard Strate schwere Vorwürfe. Wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung stellte er Strafanzeige gegen beide, gegen Scholz zudem wegen falscher uneidlicher Aussage.
Cum-Ex-Skandal: Strafanzeige gegen Olaf Scholz und Peter TschentscherQuelle: AP © AP Photo/Geert Vanden Wijngaert, Pool

Wegen "Beihilfe zur Steuerhinterziehung" stellte der bekannte Anwalt Gerhard Strate beim Hamburger Generalstaatsanwalt Strafanzeige gegen den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz und den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher, Scholz wirft er außerdem falsche uneidliche Aussage vor. Es geht um Vorgänge im Jahr 2016, die Hamburg teuer zu stehen kamen.

Das Hamburger Finanzamt hatte auf eine Millionenforderung gegen die Privatbank M.M.Warburg zunächst verzichtet und diese verjähren lassen. Erst im darauffolgenden Jahr waren nach einer Intervention des Bundes die Hamburger Behörden aktiv geworden.

Den Vorwürfen gegen die beiden SPD-Politikern: Peter Tschentscher wäre als Finanzsenator verpflichtet gewesen, gesetzeswidriges Verhalten seiner Behörde zu verhindern. Auch Olaf Scholz soll es demnach in seiner damaligen Funktion als Hamburger Bürgermeister versäumt haben, 47 Millionen Euro von der Bank zurückzufordern.

Dem Geldinstitut war diese Summe im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften vom Finanzamt erstattet worden. Bei Cum-Ex-Geschäften verschoben Finanzakteure Aktienpakete mit (lateinisch "cum") und ohne (lateinisch "ex") Dividendenanspruch rund um den Dividenden-Stichtag in einem vertrackten System, und ließen sich dann Kapitalertragsteuern mehrfach erstatten, die nie eingezahlt worden waren.  Durch diese groß angelegte Betrugsmasche hat der Staat Milliarden von Euro verloren. Der Bundesgerichtshof hatte im Juli 2021 klargestellt, dass es sich dabei nicht nur um die Ausnutzung einer Gesetzeslücke handelte, sondern um eine Straftat.

Bevor das Hamburger Finanzamt im Jahr 2016 auf die ursprünglich vorgesehene Rückforderung der an Warburg erstatteten Millionen verzichtet hatte, fanden Treffen zwischen dem damaligen Warburg-Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius und Bürgermeister Scholz statt. Nach eigenen Angaben konnte sich Scholz nicht an Details der Treffen erinnern. Zu dem Zeitpunkt wurde bereits wegen des Verdachts illegaler Cum-Ex-Geschäfte gegen Warburg-Vertreter ermittelt. Laut Strate war dies Scholz und Tschentscher bekannt.

Das Hamburger Geldinstitut argumentierte damals, man habe sich darauf verlassen, dass eine an den Geschäften beteiligte Partnerbank die fällige Steuer gezahlt habe. Auch würde den Angaben der Warburg Bank zufolge eine Änderung der Steuerbescheide womöglich zum unmittelbaren Zusammenbruch der Warburg Gruppe führen.

Laut dem Anwalt Strate habe aber schon Ende 2016 "die kriminelle Einbettung dieser Geschäfte" auf der Hand gelegen. Die Angaben des Warburg-Vertreters Olearius, wonach man sich bei der Steuerabführung auf die Partnerbank verlassen habe, könne "nur ungläubiges Staunen hervorrufen." In ihrer Steuererklärung habe die Warburg Bank schließlich "die Abführung der Kapitalertragsteuer (...) als tatsächlich gegeben behauptet", obwohl sie "gar kein Wissen" darüber gehabt habe.

In der Hamburger Bürgerschaft befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit der Affäre. Obwohl bei der Staatsanwaltschaft Hamburg bereits mehrere Anzeigen gegen Tschentscher und Scholz eingegangen waren, sah diese bisher keinen Anlass, Ermittlungen aufzunehmen.

Auf Anfrage von NDR 90,3 ließ das Bundeskanzleramt erklären, Scholz habe sich "in der Angelegenheit mehrfach umfassend geäußert" und dem nichts hinzuzufügen. Ein Sprecher von Tschentscher wollte nicht zu der Anzeige Stellung nehmen. Tschentscher und Scholz haben beide mehrfach zurückgewiesen, dass sie Einfluss auf die Warburg-Entscheidungen genommen haben.

Strate lässt dies aber nicht gelten. Da Tschentscher als Finanzsenator die Dienst- und Fachaufsicht über die einzelnen Finanzämter innehatte, sei es seine Aufgabe gewesen, "rechtswidriges Handeln zu unterbinden, wenn er davon Kenntnis erlangt", statt die unrechtmäßige Steuererstattung abzunicken. Tschentscher könne sich "mitnichten als Politiker aus den sachlichen Vorgängen in der Finanzverwaltung zurückziehen."

Bei Olaf Scholz verweist der Anwalt darauf, dass die rund 40-mal vorgetragene komplette Erinnerungslosigkeit "in der Aussage- und Gedächtnispsychologie nur im Rahmen einer sog. Posttraumatischen Belastungsstörung gelegentlich diagnostiziert wird. "Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte", zitiert der Spiegel aus der 36-seitigen Anzeige.

Vielmehr sei Scholz zur Vorbereitung eines Gesprächs mit Olearius durch ein "Papier aus der Wirtschaftsbehörde instruiert worden." Demnach war er darin bereits ganz oben in der ersten Zeile bei Cum-Ex-Geschäfte als "möglicher Ansprechpunkt" aufgeführt. Sogar davon, dass die Hamburger Bank womöglich "in kriminelle Aktiengeschäfte" verwickelt war, sei in dem Papier die Rede gewesen – ebenso wie von einer Durchsuchungsaktion der Kölner Staatsanwaltschaft in der Hamburger Zentrale der Bank.

Die Warburg-Bank musste wegen Cum-Ex-Geschäften bereits über 170 Millionen Euro zurückzahlen. Im Strafprozess um den Cum-Ex-Steuerskandal am Landgericht Bonn war jüngst ein ehemaliger Banker der Privatbank M.M. Warburg zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Der Steuerschaden beträgt knapp 110 Millionen Euro.

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