Deutschland

Unbegründete Panikmache: Jetzt doch kein Zusammenbruch der "kritischen Infrastruktur"

Raus aus dem Alarmismus, der seit zwei Jahren die Szenerie beherrscht hat. Das scheint allmählich die neue Devise in Politik und Medien zu sein. Anders als Ende 2021 allenthalben argumentiert wurde, steht nun wohl doch keine Überlastung der "kritischen Infrastruktur" bevor.
Unbegründete Panikmache: Jetzt doch kein Zusammenbruch der "kritischen Infrastruktur"Quelle: www.globallookpress.com © Jochen Tack, via www.imago-images.de

Der von der Bundesregierung installierte neue "Expertenrat" hatte in seinen Empfehlungen Ende 2021 damit argumentiert, die neue Virusvariante Omikron sei so infektiös, dass man mit dramatischen Folgen rechnen müsse. Massenhaft würden die Beschäftigten in den Bereichen "Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung sowie die entsprechende Logistik" infiziert und könnten somit quarantäne- oder krankheitsbedingt ausfallen. Daher sei auch mit einer deutlich eingeschränkten Funktionsfähigkeit der betroffenen Bereiche zu rechnen.

Betroffen wären Kernbereiche der sogenannten "kritischen Infrastruktur" (häufig abgekürzt als "Kritis"). Hieß es selbst vor drei Wochen noch, also gegen Ende Januar, es gebe vereinzelt Probleme in Kliniken, im öffentlichen Verkehrswesen und in den Schulen, so klingen die Meldungen inzwischen deutlich entspannter. Wie die dpa berichtet, meint nun sogar RKI-Chef Lothar Wieler, die "Omikron-Welle" sei bald überstanden. Doch bis auf den Krankenhaus- und Pflegebereich, wo die Lage auch vor Corona im Herbst/Winter immer schon besonders angespannt war, sind die Befürchtungen nicht eingetreten.

Konfrontation mit der Realität

Wieder einmal ist es ein Blatt aus dem Hause Springer, das für eine Liberalisierung der Corona-Regeln eintritt. So kam am Dienstag die Welt mit folgender Nachricht heraus:

"Es ist eines der Hauptargumente gegen Corona-Lockerungen: Wegen hoher Krankenstände drohe die kritische Infrastruktur zusammenzubrechen. Recherchen von WELT zeigen allerdings: Bisher sind die Warnungen unbegründet. Es gibt jedoch Probleme in anderen Bereichen."

Und weiter: Zwar sei immer noch allenthalben von der "extremen Belastung" der kritischen Infrastruktur zu lesen, wie es der Expertenrat Ende Dezember befürchtet hatte. Auch werde die "potenzielle Gefahr" weiterhin als Argument dafür vorgebracht, dass es für "Lockerungen" noch zu früh sei.

Doch die Zeitung habe nach eigenen Angaben in mehreren deutschen Großstädten nachgefragt und keine "kompletten Ausfälle ganzer Einheiten, großer Betriebe oder der Verwaltung" in Erfahrung bringen können. Ebenso sei die "Versorgung durch die kritische Infrastruktur" zum jetzigen Zeitpunkt gesichert, wie die Zeitung aus Dresden, Dortmund, Bremen, Hamburg und Berlin-Neukölln erfuhr. Eine Zustandsmeldung aus Bremen wird beispielsweise wie folgt zitiert:

"Über Ausfälle von kompletten Einheiten in Betrieben liegen uns keine Informationen vor. In der öffentlichen Verwaltung gab es keine Ausfälle von kompletten Referaten oder Einheiten."

Ähnlich sei die Lage bei Polizei und Feuerwehr:

"In keinem Bereich der kritischen Infrastruktur kommt oder kam es bisher zu Einschränkungen der Handlungsfähigkeit."

Es gebe, wie in vielen anderen Städten, Notfall-Pläne für eventuell eintretende kritische Situationen. Diese Pläne hätten sich bundesweit in der Praxis bewährt. Die Welt verweist in diesem Zusammenhang auf das "Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe". Bereits Ende Dezember 2021 habe dieses festgestellt, dass die Versorgung durch die kritische Infrastruktur nicht gefährdet sei. Und wie die Zeitung auf Nachfrage erfuhr, hat sich an dieser Lage auch nichts wesentlich geändert:

"Die Ausfälle bewegen sich nach hiesiger Kenntnis auf einem niedrigen Niveau und verursachen derzeit keine gravierenden Folgeprobleme."

Quarantänezahlen und Personalausfälle

Mit Stand 6. Februar befänden sich etwas mehr als 2,4 Millionen Menschen in Quarantäne, schreibt die Welt mit Verweis auf das private Forschungsinstitut Risklayer:

"So viele waren es nie zuvor in Deutschland. Das entspricht ungefähr 2,9 Prozent der Gesamtbevölkerung und umgerechnet 5,37 Prozent der Erwerbstätigen. Da jedoch auch viele Kinder in Quarantäne sind, dürfte die tatsächliche Prozentzahl etwas geringer sein."

In der Tat komme es häufig auch zu Ausfällen beim Personal. Noch scheinen aber alle Befürchtungen unbegründet, dass Kliniken Kranke nicht aufnehmen, der Müll nicht abgeholt, Brände nicht gelöscht oder die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Häufig richte sich – so die Welt – der Blick dabei auf Großbritannien. Britischen Medien zufolge seien dort 2021 Versorgungsengpässe aufgetreten. Im Vereinigten Königreich seien zu diesem Zeitpunkt über 11.000 Pflegekräfte nicht im Dienst gewesen und etwa 90 Pflegeheime hätten signalisiert, dass der Pflegeschlüssel nicht mehr einzuhalten sei. Tatsächlich sollen einzelne Patienten mit akuten Gesundheitsproblemen von Krankenhäusern abgewiesen worden sein.

Die Welt räumt zwar ein, dass es auch in Deutschland zu größeren Ausfällen in der Privatwirtschaft kommen könnte. Eine branchenübergreifende Blitzumfrage des "Deutschen Industrie- und Handelskammertages" (DIHK) sei etwa zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Viertel der 370 teilnehmenden Betriebe die aktuellen Personalausfälle als "erheblich" einstufe. Aber nur vier Prozent würden den Personalausfall in ihrem Unternehmen als "kritisch" für die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit sehen.  Allgemein rechne man zwar mit einer gewissen Verschärfung der Lage. Aber man wisse nicht, in welchem Maße es zu coronabedingten Personalausfällen kommen werde.

Kritische Infrastruktur nicht betroffen

Der Vorsitzende des "Bundesverbandes für den Schutz kritischer Infrastrukturen", Holger Berens, wird von der Welt mit der Bemerkung zitiert, dass ein Kollaps nicht zu befürchten sei. Eben, weil es vielerorts ausgearbeitete Notfallpläne gebe. Diese Pläne existieren seit vielen Jahren, nicht erst seit COVID-19. Zwar könnten durchaus Schwierigkeiten bei kleineren Einrichtungen der "Kritis", wie kleineren regionalen Wasserwerken, vorkommen. Diese würden jedoch formal nicht zur kritischen Infrastruktur gerechnet.

Die meisten Personalausfälle seien lokal oder regional begrenzt, etwa in Städten wie Braunschweig oder Frankfurt am Main. Ein "ungewöhnlich hohe[r] Krankenstand" habe beispielsweise zu Zugausfällen geführt. Aber insgesamt sei die Entwicklung nicht dramatisch. Über die Situation in Hamburg liest man bei der Welt:

"Wir haben eine leicht erhöhte Krankenquote, etwa um zwei bis drei Prozentpunkte gegenüber Januar-Monaten vergangener Jahre",

so die "Hamburger Hochbahn" gegenüber der Zeitung. Man habe den Personalengpass ausgleichen können. Für den Fall, dass sich die Lage doch wieder verschärfe, habe man bereits Fahrplananpassungen vorbereitet.

Und trotz allem kommt es vor, dass im Krankenhausbereich beispielsweise Intensivstationen Teile der Intensivbetten aus dem Betrieb nehmen müssen. Dies sei zum Beispiel jüngst in Karlsruhe geschehen, weil zu viele Beschäftigte in Quarantäne waren, so die Welt.

Konkrete Zahlen aus Berlin

Ende Januar 2022 betrug nach Angaben der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) die Ausfallquote in der kritischen Infrastruktur Berlins etwa 15 Prozent. Inwieweit dieser Wert mit COVID-19 zusammenhing, war allerdings unklar. Nun soll ein Frühwarnsystem eingerichtet werden.

Im Berliner Bezirk Neukölln liege die Ausfallquote bei 15 Prozent, könne aber auch 20 Prozent erreichen. Dies habe der Leiter des zuständigen Gesundheitsamtes im Gespräch mit der Welt bestätigt. Dennoch könne man nicht von Personalnotstand sprechen. Ohnehin seien die Wintermonate Januar und Februar, ganz unabhängig von COVID-19, die Monate mit dem höchsten Krankenstand. Dies schlage sich zwangsläufig in der Statistik nieder. Wie die Statistiken der Krankenkassen zeigten, habe die Ausfallquote in den Wintermonaten beim öffentlichen Dienst auch in anderen Jahren zweistellige Größenordnungen erreicht. Und diese seien beinahe so hoch gewesen wie zu Corona-Zeiten.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes habe sich der durchschnittliche Krankenstand aller gesetzlich Versicherten in der Zeit vor Corona etwa bei vier Prozent befunden. Wobei die Quoten im Winter schon immer deutlich darüber lagen. Bereits vor COVID hätten die Wintermonate in manchen Branchen daher regelmäßig einen "Ausnahmezustand" bedeutet.

Allerdings sei der Krankenstand in Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten aktuell teilweise wirklich kritisch, wie der Leiter des Gesundheitsamtes Berlin-Neukölln berichtet habe. In manchen Einrichtungen fehle ein Drittel des Personals. Hunderte Kitas seien im Moment geschlossen.

Lockerungen aus ungewohnter Richtung

Die relativ gemäßigten Bewertungen der Krankenstände und der daraus folgenden Risiken für die kritische Infrastruktur gehen einher mit neuen und ungewohnten Tönen aus Bayern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist bisher nicht gerade durch einen laxen Umgang mit den Corona-Regeln aufgefallen. Vielmehr galt er als einer derjenigen Landespolitiker, denen der Infektionsschutz nicht scharf genug sein konnte ("Team Vorsicht"). Nun allerdings plädiert er dafür, die berufsbezogene Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich auszusetzen.

Nicht nur die seit Wochen anhaltenden Proteste auf den Straßen könnten zu einem Umdenken in München geführt haben. Möglicherweise ist noch eine andere Überlegung hinzugekommen: Denn sollte es weitere Personalausfälle geben, die auf die Impfpflicht zurückzuführen wären, dürfte sich in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen tatsächlich eine kritische Situation einstellen.

Der saisonale Krankenstand scheint – Corona hin, Corona her – bislang beherrschbar zu sein. Ungeachtet der Härten für das Personal. Aber der Ausfall einer größeren Zahl von Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich wäre offenkundig systemgefährdend. Diesen Umstand scheinen nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Bayerische Staatsregierung erkannt zu haben.

Mehr zum Thema - Energiekrise in Europa: Mehr als eine Million Kosovaren ohne Strom

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.