Bundesregierung verletzt Rechte ihrer Bürger – Journalistenverband Russlands wendet sich an Baerbock
Der Journalistenverband Russlands (JVR) sprach während der gemeinsamen Pressekonferenz der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit ihrem Amtskollegen Sergei Lawrow das Problem der Diskriminierung der Journalisten in Deutschland an. Zum Abschluss der fast 40-minütigen Veranstaltung wandte sich der Chef der Auslandsabteilung Timur Schafir an Baerbock:
"Sehr geehrte Frau Außenministerin, wir möchten Sie und Ihr Kabinett auf die Gefahr der Politisierung der Fragen des Verbots der Tätigkeit unserer Kolleginnen und Kollegen in Deutschland aufmerksam machen.
Wir, im Namen des Journalistenverbands Russlands haben eine offizielle Ansprache an Sie vorbereitet. Wir nutzen die Gelegenheit, Ihnen diese Ansprache zu übergeben. Ich hoffe sehr, dass Sie auf diese Vorschläge aufmerksam werden und Ihre Mappe, mit der Sie nach Moskau gekommen sind, dadurch nicht dicker wird (Anspielung auf Baerbocks eigene Aussage, sie sei nach Moskau mit einer dicken Mappe der ungelösten Fragen gekommen), danke".
Im Schreiben gibt der Verband an, mehr als 80.000 Journalisten aus allen Regionen des Landes zu vertreten. "Der Deutsche Journalistenverband (DJV) ruft seit langem dazu auf, die Tätigkeit von RT auf dem Territorium Deutschlands einzuschränken und zu blockieren". Dies sei inakzeptabel.
"Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband bezeichnet die Aktivitäten von RT als 'Propaganda, nicht Journalismus'. Solche Äußerungen überschreiten alle akzeptablen Grenzen der journalistischen Ethik und werden zu Elementen einer Kampagne zur Diskreditierung von RT", heißt es in der Erklärung.
Die Bundesregierung sei verpflichtet, den freien Zugang zu Information und Meinungspluralismus zu gewährleisten und den freien Empfang dieser Informationen für ihre Bürger zu ermöglichen. Da die Bundesregierung diesen Verpflichtungen durch ihre Untätigkeit nicht nachkommt, würden diese Rechte verletzt.
"Wir bitten Sie dringend, unseren Appell zu berücksichtigen und Maßnahmen zum Schutz unserer Kollegen im Informationsraum Deutschlands zu ergreifen", so die Erklärung zum Schluss.
Der DJV müsste sich eigentlich sowohl laut seiner Satzung als auch von der Logik der Sache her um die Rechte der Journalisten kümmern, sagte Schafir anschließend in einem Gespräch mit RT. Stattdessen nehme er sich Diskussionen an, ob man die Arbeit von Journalisten brauche oder nicht und wer sich Journalist nennen darf und wer Propagandist sei.
"Die Argumente, die im Zusammenhang mit RT DE angeführt werden, haben unseres Erachtens wenig mit technischen oder rechtlichen Problemen zu tun. Alles hier beruht eindeutig auf einer Sache: Es ist notwendig, so viel Sand wie möglich in das Getriebe zu werfen, damit RT nicht anfangen kann, zu arbeiten und in vollem Umfang zu senden", sagte Shafir.
Die Gründe dafür wurden ihm zufolge zum Teil auf der Pressekonferenz der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock und des russischen Außenministers Sergei Lawrow genannt. "Denn schon jetzt, wie Frau Ministerin sagte, liegt RT DE, das nur im Internet sendet, an vierter Stelle. Daher muss der Prozess irgendwie gestoppt werden."
Ungeachtet dessen, was die Bundesregierung zu ihrer Nicht-Beteiligung an Prozessen der Behinderung der RT-Tätigkeit sagt, gehe es aus seiner Sicht um grundsätzliche Rechte, deren Gewährleistung in der Obhut der Bundesregierung liegt. "Es wird das Recht unserer Kollegen auf Arbeit verletzt. Es werden die Rechte unseres Senders auf freie Ausstrahlung verletzt und die Rechte der deutschen Zuschauer auf den freien Zugang zu Information auch." Die neue Bundesregierung komme nicht darum herum, sich um dieses Problem zu kümmern. Sein Appell während der Pressekonferenz in Moskau erwiderte die Außenministerin Baerbock mit folgender, von einem Blatt abgelesenen Aussage:
"Ich will unterstreichen, was bei uns die Pressefreiheit bedeutet, dass es staatliche Einmischung in diesem Bereich nicht gibt. Wir haben eine klare Verfassung, die Deutschland verbietet, dass es einen staatlichen Rundfunk gibt, egal ob der Staat Deutschland, USA oder Russland heißt und auf dieser Grundlage wird bei uns auch mit Blick auf die zuständigen Behörden verfahren."
Um mit der RT-Korrespondentin Margarita Zwerewa zu sprechen, sei mit Unterstützung durch die Bundesregierung nicht zu rechnen. Es war sie, die eine kritische Frage an Baerbock während der Pressekonferenz richtete. Die Bundesregierung sieht RT DE durch die geopolitische Brille eines "Kampfes der Narrative" und "hybriden Bedrohungen". Wie aus der Antwort auf eine Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten im September 2020 hervorgeht, bewertet sie RT DE und andere Medien oder Tochterunternehmen als:
"Schlüsselakteure in einem komplexen Netzwerk, das ihre Narrative im Auftrag russischer staatlicher Stellen verbreitet, unter anderem mit dem Ziel, den politischen Meinungsbildungsprozess in Deutschland zu beeinflussen."
Auch der DJV dürfte nach einem Vorstoß der russischen Journalistenvertreter kaum seine Meinung ändern. Seine Funktionäre sind fest davon überzeugt, dass RT DE wie auch andere sogenannte alternative Medien die Pressefreiheit der freien Gesellschaften "pervertieren". In der Vergangenheit sind sie durch harsche Äußerungen und Falschmeldungen über RT DE aufgefallen.
"Desinformation ist aber das Letzte, was die Gesellschaft braucht. Es ist schon schlimm genug, dass Putins Stimme im Internet ihr Unwesen treibt", schrieb DJV-Sprecher Hendrik Zörner in einem Kommentar zur Löschung der Youtube-Kanäle von RT DE. Oder: "Drücken wir mal die Daumen, dass die rechtliche Prüfung (zur Lizenzerteilung) eindeutig (negativ) ausfällt. An manchem mag im Journalismus Mangel herrschen, Staatspropaganda brauchen wir jedenfalls nicht". Den angeblichen Einsatz der Außenministerin für die Pressefreiheit in Moskau hat der Verband ausdrücklich gelobt.
"RT beschwert sich bei Außenministerin #Baerbock in der Pressekonferenz mit dem russischen Außenminister Lawrow unter anderem über den DJV. Danke für die klare Antwort", twitterte DJV am Dienstag.
Ob die in der Ansprache an die Außenministerin geäußerte Kritik des russischen Journalistenverbandes den DJV erreicht und wie die Reaktion darauf aussehen wird, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Mehr zum Thema - Außenministerin Baerbock äußert sich zu RT DE: Keine Einmischung seitens Bundesregierung
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