Ex-Verfassungsrichter: Karlsruhe offenbart "erschreckenden Mangel an richterlicher Zurückhaltung"
Die Stimmen gegen die Umstände, unter denen die sogenannte "Bundesnotbremse" Ende Sommer beschlossen wurde, werden lauter. Anlass bietet ein gemeinsames Abendessen des Bundesverfassungsgerichts mit dem Bundeskabinett am 30. Juni 2021 auf Einladung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Besonders ein Vortrag von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) über "Entscheidungen unter Unsicherheiten" in der Corona-Krise gilt für einige Juristen als Affront. Sie freute sich damals über die Möglichkeit, mit dem Bundesverfassungsgericht im Umgang mit den rechtlichen Herausforderungen ins Gespräch zukommen. Lambrecht sagte damals, die Pandemie habe alle "Staatsgewalten vor schwierige, neue Herausforderungen" gestellt. Sämtliche Corona-Maßnahmen seien durch die enorme Unsicherheit durch das Virus beschlossen worden. Das habe sich laut Lambrecht durch die "Befristung und in der ständigen Evaluation der getroffenen Maßnahmen" gezeigt. Aus der Sicht des Staatsrechtlers Kyrill-Alexander Schwarz könne der Vortrag Lambrechts "wie eine Handlungsempfehlung der Exekutive an das Bundesverfassungsgericht" aufgefasst werden.
Kurz nachdem die Umstände des Dinners an die Öffentlichkeit geraten waren, hatte Rechtsanwalt Niko Härting, der die Abgeordneten der Partei Freie Wähler bei ihrer Klage gegen die Bundesnotbremse in Karlsruhe vertritt, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzenden des Ersten Senats, Stephan Harbarth, sowie Richterin Susanne Baer wegen möglicher Befangenheit abgelehnt – ohne Erfolg.
In einem Interview mit dem Kölner Anzeiger äußert sich nun der Jurist Michael Bertrams sehr kritisch. Der 73-Jährige war von 1994 bis 2013 Präsident des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen sowie des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts. Er sagte:
"Ich halte das Ablehnungsgesuch gleichwohl für begründet. Der Status des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan ändert nichts daran, dass die Karlsruher Richterinnen und Richter die für ihren Aufgabenbereich maßgebliche Prozessordnung zu beachten haben."
Bertrams zufolge ist entscheidend, "ob ein Verfahrensbeteiligter die auf Tatsachen beruhende Besorgnis hat, der Richter werde die Sache nicht unvoreingenommen beurteilen."
Das war damals laut dem Juristen der Fall, denn an "diesen Gesprächen haben sich die mit der Bundesnotbremse befassten Verfassungsrichter beteiligt".
Auch unabhängig von einer möglichen Befangenheitsperspektive hält Bertrams es "für äußerst problematisch, dass die mit der Bundesnotbremse befassten Verfassungsrichter vor einer Entscheidung über diese Verfahren der Dinner-Einladung der Kanzlerin gefolgt sind." Er resümiert:
"Meines Erachtens spricht dieses Verhalten für einen erschreckenden Mangel an richterlicher Zurückhaltung und Sensibilität."
Bertrams erinnerte, dass derartige Eskapaden auch schon früher – wenn auch nicht mit derlei Konsequenzen für die ganze Bevölkerung – in Karlsruhe stattfanden. So habe man "ausgewählte Journalisten vorab über noch nicht verkündete Urteile informiert und sich damit eine Gestaltungsmacht angemaßt, die ihm weder die Verfassung noch der Gesetzgeber einräumt." Das bei den Deutschen lange Zeit als sehr vertrauenswürdige Institution angesehene Bundesverfassungsgericht, das den Politikern auf die Finger geschaut und wenn nötig auch geklopft hat, hat viel Vertrauen verspielt, oder wie es Bertrams ausdrückt:
"Die Karlsruher Richterinnen und Richter nehmen sich Freiheiten heraus, die in anderen Gerichten undenkbar wären – ein, wie ich finde, höchst bedenklicher Befund."
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