Tag vier nach den Fluten im Westen: Merkel besucht Eifel
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Sonntag zu einem Besuch in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz eingetroffen. Gegen Mittag war sie in der Eifelgemeinde Schuld, die besonders schwer von der Flutkatastrophe getroffen worden war. Die Kanzlerin wolle sich vor Ort ein Bild von der Lage machen, hieß es im Vorfeld. Begleitet wurde sie unter anderem von Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Der Ortsbürgermeister von Schuld, Helmut Lussi, begrüßte Merkel.
Die Unwetterkatastrophe hat allein im Landkreis Ahrweiler bislang 110 Todesopfer gefordert, 670 Menschen wurden verletzt. In der Region wird weiter nach Toten und Verletzten gesucht, so dass sich die Opferzahl noch weiter erhöhen kann. Strom- und Telefonleitungen sind teils unterbrochen. Bei der schwersten Hochwasserkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten wurden viele Häuser zerstört. Brücken, Straßen und Bahnstrecken liegen in Trümmern.
Während sich dort und im Südwesten von Nordrhein-Westfalen die Wassermassen vielerorts zurückgezogen haben, sorgten neue Regenfälle in Südostbayern, der Sächsischen Schweiz und Österreich für Überschwemmungen. Besonders betroffen ist das Berchtesgadener Land.
"Fahrzeuge auf den Straßen wurden zum Spielball der Wassermassen", berichtete ein Einsatzleiter.
Für Sonntag ist dort weiterer starker Regen vorhergesagt.
In Erftstadt westlich von Köln suchen zahlreiche Menschen noch nach ihren Angehörigen. Bisher wurden nach Angaben der Stadt bei der "Personenauskunftsstelle" 59 Menschen gemeldet, deren Aufenthaltsort ungewiss ist. 16 davon kämen aus Erftstadt. Im Stadtteil Blessem wollen Fachleute am Sonntag die Stabilität des Untergrunds prüfen. Sie sollen nach Angaben der Stadt die Abbruchkanten eines Erdrutsches untersuchen. Die Lage sei unverändert angespannt. In Blessem war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden. Mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der Burg stürzten ein.
Einen Rückschlag gab es bei Euskirchen an der Steinbachtalsperre südwestlich von Bonn. Dort fließt das Wasser langsamer als erwartet ab. Deshalb sollten Experten am Sonntag die Lage des von einem Bruch bedrohten Staudamms neu bewerten, wie die Bezirksregierung Köln mitteilte. Eigentlich hatten die Behörden gehofft, am Sonntagnachmittag Entwarnung geben zu können. Aus der Talsperre wird Wasser abgelassen, um Druck von dem Damm zu nehmen.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der am Samstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Katastrophengebiet in Erftstadt besucht hatte, versprach den Betroffenen Direkthilfe und sagte zu, dass "sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt" werde. Steinmeier hatte zu Solidarität und Spenden aufgerufen. Für Montag hat sich Bundesinnenminister Horst Seehofer in NRW und Rheinland-Pfalz angekündigt.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellte Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. "Es braucht einen nationalen Kraftakt", sagte er der Bild am Sonntag. Am Mittwoch will der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen: "Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht", erläuterte Scholz. "Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro."
Im Hochwassergebiet im Berchtesgadener Land waren nach offiziellen Angaben 890 Hilfskräfte in den besonders betroffenen Orten im Einsatz. Einsatzleiter Anton Brandner sprach von dramatischen Szenen. Heftige Regenfälle hatten am Samstagabend den Fluss Ache über die Ufer treten und Hänge abrutschen lassen. Zwei Menschen kamen ums Leben. Ein Opfer starb dem Landkreis zufolge an einer natürlichen Ursache. Aber auch das könne mit dem Unwetter zusammenhängen.
Betroffen waren vor allem die Orte Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau. Feuerwehr und andere Hilfskräfte mussten zu bis zu 500 Einsätzen ausrücken – auch um Menschenleben zu retten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann wollten Regierungskreisen zufolge am Nachmittag in die Hochwasserregion fahren, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Am Morgen reichte das Unwettergebiet bis nach Passau.
Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens Überschwemmungen und Erdrutsche. Örtlich fielen innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden vorübergehend nicht erreichbar. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Dečin – Teil der Verbindung Berlin-Dresden-Prag – wurde gesperrt. Am Sonntag entspannte sich die Lage.
Heftiger Regen fiel in der Nacht zum Sonntag zudem in Österreich. Betroffen waren etwa Salzburg, Tirol und Wien. In Hallein an der Grenze zu Bayern wurden Teile der Altstadt überflutet. Die Behörden sicherten am Sonntag tiefer gelegene Teile der Stadt gegen eine neuerliche Überflutung, wie ein Sprecher sagte. Zugleich seien Aufräumarbeiten in der Altstadt im Gange. "Wir gehen von einem Millionenschaden aus." Einige Gebäude sowie Teile der Infrastruktur seien schwer beschädigt. Auch in Kufstein in Tirol standen Teile der Stadt unter Wasser.
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(dpa/rt)
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