Deutschland

AKK löst militärischen Katastrophenalarm aus – Dramatische Lage in Erftstadt nach Erdrutsch

Wegen der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen habe die Bundesministerin der Verteidigung Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) einen militärischen Katastrophenalarm ausgelöst, teilte ein Sprecher am Freitag in Berlin mit. In den betroffenen Gebieten ist die Lage nach wie unübersichtlich.

Durch die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands sind bislang 103 Todesopfer zu beklagen. In Rheinland-Pfalz kamen in den Fluten mindestens 60 Menschen ums Leben, in Nordrhein-Westfalen waren es 43. Diese Zahlen dürften angesichts der hohen Zahl von bislang noch Vermissten weiter wachsen.

Nach Polizeiangaben würden in Rheinland-Pfalz noch knapp 100 Menschen vermisst, sagte Innenminister Roger Lewentz am Freitagmorgen im Deutschlandfunk. Stundenlanger Starkregen hatte zu den verheerenden Überschwemmungen in mehreren Regionen geführt. Die Regierungen der beiden betroffenen Bundesländer kamen zu Sondersitzungen zusammen.

Dramatisch war die Situation am Freitagvormittag im Stadtteil Blessem von Erftstadt, südwestlich von Köln. Dort wurden Häuser unterspült und stürzten ein. "Es gibt Todesopfer", sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung Köln.

Von der Bezirksregierung verbreitete Luftbilder und Fotos zeigen Erdrutsche von gewaltigem Ausmaß. Häuser wurden mitgerissen und verschwanden. Autos lagen in neu entstandenen riesigen Erdlöchern neben Betonteilen der ehemaligen Kanalisation.

Aus den Häusern kämen immer wieder Notrufe. Menschen könnten derzeit aber nur mit Booten vom Wasser aus gerettet werden, hatte die Behörde zuvor mitgeteilt. Mehrere Pflegeheime wurden geräumt.

In Nordrhein-Westfalen sind nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerung und Katastrophenschutz in Bonn (BBK) 23 Städte und Landkreise von den Überschwemmungen betroffen. Das dortige Innenministerium sprach am Freitag von 43 Toten. Die Feuerwehr rettete am Donnerstagabend im Kreis Heinsberg drei schwerverletzte Menschen aus dem Fluss Wurm, die zu ertrinken drohten.

In Rheinland-Pfalz ist der Kreis Ahrweiler Schwerpunkt der Katastrophe. Allein im Dorf Schuld an der Ahr mit 700 Einwohnern wurden mehrere Häuser von den Wassermassen mitgerissen, zahlreiche weitere Gebäude teils schwer beschädigt. Erhebliche Schäden gab es auch in weiteren Regionen der Eifel sowie im Landkreis Trier-Saarburg.

Zur Zahl der Toten in Rheinland-Pfalz sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Koblenz: "Die Befürchtung ist, dass es noch mehr werden." Die Bergungsarbeiten liefen weiter. Der Kreis Ahrweiler hatte von noch insgesamt 1.300 Vermissten im Kreisgebiet gesprochen. Eine Sprecherin erklärte das auch mit dem teilweise lahmgelegten Mobilfunknetz. Daher gebe es keinen Handy-Empfang; viele Menschen seien nicht erreichbar.

An den Flüssen und Seen in Baden-Württemberg erwarten die Experten für Freitag steigende Wasserstände. In einigen Regionen wurden erneut Straßen gesperrt, im Allgäu stand ein Wohngebiet unter Wasser. Der Deutsche Wetterdienst warnte bereits vor schnellen Anstiegen vor allem in kleineren Gewässern des Südwestens.

In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist der Bahnverkehr stark beeinträchtigt. Zahlreiche Strecken seien komplett gesperrt oder nur eingeschränkt befahrbar, teilte die Deutsche Bahn am Freitag mit: "Die Wassermassen haben Gleise, Weichen, Signaltechnik, Bahnhöfe und Stellwerke in vielen Landesteilen von NRW und Rheinland-Pfalz stark beschädigt." Allein in Nordrhein-Westfalen seien Gleise auf einer Länge von rund 600 Kilometern betroffen. Im Fernverkehr ist unter anderem der Abschnitt Köln-Wuppertal-Hagen-Dortmund derzeit den Angaben zufolge nicht befahrbar.

In Rheinland-Pfalz wurden die Aufräum- und Bergungsarbeiten am Morgen fortgesetzt. Auch Einheiten der Bundeswehr sind zur Unterstützung in die Hochwasserregionen gekommen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wollte sich am Mittag in Mainz nach einer Kabinettssitzung zur aktuellen Lage öffentlich äußern. Für den Aufbau der betroffenen Landstriche braucht es aus ihrer Sicht auch die Hilfe der Bundesbehörden. "Es ist ganz klar, dass diese Katastrophe nicht allein durch das Land zu stemmen ist, erst recht nicht durch die Kommunen", sagte sie am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Es werde lange dauern, bis die betroffenen Regionen wieder aufgebaut sein werden.

Aus diesem Grund hat das Bundesverteidigungsministerium unter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Freitag einen sogenannten militärischen Katastrophenalarm ausgelöst, wie ein Sprecher am Freitag in Berlin mitteilte.

Das nordrhein-westfälische Kabinett beriet ebenfalls in einer Sondersitzung über die Lage und Hilfen für die betroffenen Kommunen. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner", es müssten Wege gefunden werden, sehr schnell wieder Straßen, Brücken und andere Infrastruktur instand zu setzen. Das Land werde helfen, nötig sei aber auch "eine große nationale Kraftanstrengung, damit schnell die schlimmsten Dinge beseitigt werden".

Ebenfalls mit Hochwasser zu kämpfen haben Nachbarländer Deutschlands. In der Schweiz stiegen Flusspegel nach starken Regenfällen stark an. Im Kanton Schaffhausen überschwemmten laut der schweizerischen Nachrichtenagentur Keystone-SDA angeschwollene Bäche die Dörfer Schleitheim und Beggingen. Wassermassen flossen durch Straßen, in Keller, rissen Fahrzeuge mit und zerstörten kleinere Brücken. In Belgien wurden entlang der Maas vorbeugend Menschen aus einigen Gemeinden in Sicherheit gebracht, wie die Nachrichtenagentur Belga meldete.

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(rt/dpa)

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