Russland nicht als Feindbild, Ungleichheit bekämpfen: Parteitag der Linken beginnt
Die Spitzenkandidaten der Linkspartei Janine Wissler und Dietmar Bartsch haben für die Bundestagswahl in drei Monaten das Ziel ausgegeben, mit einem zweistelligen Prozentanteil abzuschneiden. Das scheint ein weiter Weg, sofern Umfragen zuverlässige Indikatoren sind – demnach lag die Linke zuletzt nur bei sechs bis sieben Prozent. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt musste sie zudem starke Verluste einstecken. Aber der Wahlkampf habe bisher auch kaum begonnen, so Wissler jüngst in einem Interview mit dem Freitag.
Zunächst wird an diesem Wochenende innerhalb der Partei über das Programm für die Bundestagswahl beraten und abgestimmt. Die Forderungen im rund 120-seitigen Entwurf des Parteivorstands orientieren sich in einigen Bereichen am Markenkern der Partei und könnten möglichen Koalitionspartnern widerstreben. Insbesondere hinsichtlich der Außen- und Rüstungspolitik könnten die Linken Ansprüche von Grünen und SPD enttäuschen, wonach sie sich zur NATO "bekennen" müssten, um endlich "regierungsfähig" zu werden.
Der am NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP ausgerichtete Militärhaushalt der Bundesregierung koste derzeit Steuermilliarden, die demnach beim Ausbau des Gesundheitssystems, der sozialen Infrastruktur sowie in den Bereichen Bildung und Klimaschutz fehlen. Beispielsweise böte der Verzicht auf geplante Rüstungsprojekte wie das Future Combat Air System (FCAS) oder das Main Ground Combat System (MGCS) die Möglichkeit zur Verschlankung des Verteidigungshaushaltes des Bundes. Die Partei lehne ab, dass Russland und China in Strategiepapieren der NATO und EU als Feindbilder beschrieben werden.
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Auch den "Aufrüstungs- und Konfrontationskurs" der Bundesregierung kritisiert die Partei und fordert einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, Mali und allen anderen Auslandseinsätzen, inklusive jenen 10.000 Bundeswehrsoldaten die ohne Parlamentsmandat im Ausland aktiv sind, aktuell zum Beispiel in Litauen (Enhanced Forward Presence – eFP). Auch sollen dem Entwurf zufolge keine Bundeswehrkriegsschiffe in den Indopazifik entsendet und Ausbildungsmissionen für Sicherheitskräfte, die ihrerseits direkt oder indirekt an Kriegshandlungen beteiligt sind, gestoppt werden. Mittel, die bisher für Auslandseinsätze ausgegeben werden, sollen in ein ziviles Aufbau- und Friedenssicherungsprogramm investiert werden.
Gegen eine grundsätzliche Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr hatten sich zuvor einige Linken-Politiker ausgesprochen, darunter der sicherheitspolitische Sprecher Matthias Höhn sowie die ehemaligen außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Stefan Liebich und Jan van Aken. Höhn hat entsprechende Änderungsanträge eingereicht, die am Wochenende zur Debatte stehen. Er möchte spezifischer nur Kampfeinsätze ablehnen, sodass sogenannte friedenserhaltende Einsätze unter UN-Mandat weiterhin möglich wären.
Laut dem Programmentwurf und auch nach Ansicht von Höhn sollen alle Rüstungsexporte gestoppt werden, auch Produktionsstätten deutscher Firmen im Ausland sollen unter die deutschen Rüstungsexportkontrollen fallen und Kooperationsregelungen mit befreundeten Staaten wie mit Frankreich zur Erleichterung von Rüstungsexporten nicht mehr möglich sein. Stattdessen sollen neue, zivile Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die vom Verteidigungsministerium geplante Anschaffung von 138 neuen Kampfflugzeugen, von denen 30 für die sogenannte nukleare Teilhabe innerhalb der NATO vorgesehen seien, wird in dem Programmentwurf kritisiert. Vielmehr müsse Berlin den UN-Atomwaffenvertrag unterzeichnen, US-Atomwaffen müssten sofort abgezogen und vernichtet werden.
Angesichts mancher sozialer Forderungen dürften bei Millionären und Spekulanten die Alarmglocken läuten, denn sie sollen nach dem Grundgesetz besteuert werden. Außerdem werden eine Mindestrente von 1.200 Euro, eine Abschaffung der Schuldenbremse, langfristig kostenlose öffentliche Verkehrsmittel und eine Abgabe für Vermögen ab zwei Millionen Euro für die Bewältigung der Corona-Krise vorgeschlagen.
In Sachen Steuern will die Partei einen Kurswechsel, denn die reichsten fünf Prozent haben mehr als die "restlichen" 95 Prozent. Gleichzeitig sei es leicht für die sehr Reichen, ihren Reichtum ohne große Abzüge zu vermehren, wohingegen Lohn- und Mehrwertsteuer da kassiert werden, wo weniger zu holen ist.
"Hohe Einkommen werden weniger besteuert als noch in den 1990er Jahren. Jahrzehntelang ist in Deutschland eine Vermögensteuer erhoben worden – seit 1997 nicht mehr. Das wollen wir ändern, um die skandalöse Ungleichheit in Deutschland zu bekämpfen."
Sehr hohe Vermögen und Erbschaften sowie Profite sollen stärker besteuert werden.
"Unser Grundgesetz sieht die Möglichkeit einer Vermögensteuer vor, wir wollen diese wieder erheben und Reichtum über einer Million Euro mit fünf Prozent für eine gerechte Gesellschaft heranziehen. Mit den Einnahmen können die Bundesländer dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit und Wohnen leisten."
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Demgegenüber sollen niedrige und mittlere Einkommen durch einen monatlichen Steuerfreibetrag von 1.200 Euro entlastet werden. Auch im Hinblick auf das Banken- und Finanzsystem hat die Partei laut dem Programmentwurf viel vor:
"In diesem Sinne muss Banking wieder langweilig werden."
Das Finanzsystem soll demnach grundlegend verändert und an den Bedürfnissen der Realwirtschaft und der Gesellschaft orientiert werden. Kurzfristig ausgerichtetes Investmentbanking – das nur in Betriebe investiert, um schnell hohe Renditen zu erzielen – soll als Geschäftsfeld abgewickelt werden. Schattenbanken, außerbilanzielle Zweckgesellschaften, Derivate, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften müssen demnach streng reguliert oder ganz aufgelöst werden. Für die Bürger soll es hingegen einen Rechtsanspruch auf ein kostenfreies Girokonto geben.
Ambitioniert ist das Programm auch hinsichtlich der Vermeidung von Steuertricks und Trockenlegung von Steueroasen, die dem Fiskus jedes Jahr Hunderte Milliarden Euro entziehen. Unter anderem müssten Konzerne zu mehr Transparenz verpflichtet werden, um Verschleierung durch Briefkastenfirmen und andere Rechtskonstrukte zu vermeiden.
Als Ursache für die zahlreichen wohnungs- und obdachlosen sowie von Mietkosten überbelasteten Menschen sieht die Partei nicht allein einen Mangel an Wohnraum, der nur durch "bauen, bauen, bauen" zu beheben sei, sondern Investitionen in überteuerten oder leerstehenden Wohnraum durch das Finanzkapital. Die Explosion der Mieten sollen bundesweit beendet und Rechte der Mieter gestärkt werden, beispielsweise soll Menschen über 70 Jahren oder mit einer schweren Erkrankung nicht mehr wegen Eigenbedarfs gekündigt werden dürfen. Der Verbraucherschutz soll massiv gestärkt werden.
Auch zu Bildung, gesunder Ernährung, Tierwohl, Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit für Ostdeutschland hat der umfassende Wahlprogrammentwurf Vorschläge. Der Parteitag beginnt am Samstagmorgen und endet am Sonntagabend.
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