Verfassungsschutzbericht 2020: Zahl der Extremisten steigt
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang legt besonderes Augenmerk auf den Rechtsextremismus, den er als "größte Gefahr für unsere Sicherheit sowie für unsere Demokratie" bezeichnete. Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten stieg demnach um rund fünf Prozent. Sein Dienstherr, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fasste nüchtern zusammen: Die Zahl der politisch motivierten Straftaten stieg um 8,54 Prozent an, wobei mehr als die Hälfte davon von Rechten begangen wurden.
Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten ist im Jahr 2020 um 5,1 Prozent, jene der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten um 10,6 Prozent gestiegen. Die Tötungsdelikte in diesem Bereich, darunter zwei versuchte und mit dem Anschlag in Hanau (Hessen) ein vollendetes, wurden allesamt mit fremdenfeindlicher Motivation begangen. Bei Brandstiftungsdelikten konnte ein deutlicher Anstieg verzeichnet werden. Mit 25 Brandstiftungen im Jahr 2020 hat sich die Zahl der entsprechenden Delikte vervierfacht.
Bei rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungsdelikten mit einem fremdenfeindlichen Hintergrund ist ein Anstieg um zehn Prozent festzustellen (2019: 627, 2020: 690). Die Gesamtzahl der fremdenfeindlichen Gewalttaten stieg ebenfalls an (2019: 695, 2020: 746, plus 7,3 Prozent). Im Jahr 2020 sind zwei versuchte und ein vollendetes Tötungsdelikt mit 9 Todesopfern (2019: fünf versuchte und zwei vollendete Tötungsdelikte) gezählt worden. Bei dem vollendeten Tötungsdelikt handelt es sich um den rassistischen und fremdenfeindlichen Anschlag am 19. Februar 2020 in Hanau (Hessen). Der Täter erschoss neun Menschen, bevor er seiner Mutter und sich selbst das Leben nahm.
Im Jahr 2020 wurden vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat insgesamt drei rechtsextremistische Gruppierungen verboten. Hierbei handelte es sich um die Gruppen "Combat 18 Deutschland", "Nordadler" und die "Wolfs-/Sturmbrigade 44".
Zu den vom Verfassungsschutz als staatsfeindlich eingestuften "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" rechnet Verfassungsschutzpräsident Haldenwang derzeit 20.000 Personen (2019: 19.000). Bei rund 1.000 davon handele es sich um Rechtsextremisten (2019: 950). Das gewaltorientierte Personenpotenzial beider Gruppen bezifferte er mit rund 2.000.
Dieser Anstieg ergäbe sich vor allem aus den Zusammenhängen mit den Protesten gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Die getroffenen Maßnahmen hätten laut Seehofers Bericht "zu einer erhöhten Dynamik und Aktivität geführt. So beteiligten sich Szeneangehörige intensiv an den vielfältigen Demonstrationen gegen die Maßnahmen von Bund und Ländern zur Pandemiebekämpfung. Ihre Ideologie sei meist an die verschiedensten Verschwörungsideologien anschlussfähig. Mitunter begnügten sich 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter' nicht mehr damit, im Zusammenhang mit 'Hygiene-Demonstrationen' ihren Protest zu äußern, sondern wenden teilweise auch, zumeist einfache, körperliche Gewalt an, beispielsweise gegen eingesetzte Polizeikräfte."
Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg um 2,8 Prozent, die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten um 34,3 Prozent. Hierzu zählen auch fünf versuchte Tötungsdelikte. Der überwiegende Teil der Gewalttaten ist weiterhin gegen die Polizei und die Sicherheitsbehörden gerichtet.
Wichtig dabei: Obwohl im Jahr 2020 die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Gewalttaten um 7,3 Prozent (746 Delikte, 2019: 695) zunahm und es 17,8 Prozent mehr rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gab (2.173 Taten, 2019: 1.844), sank dagegen die Zahl der Gewaltdelikte mit antisemitischem Hintergrund (-14,3 Prozent) auf insgesamt 48 Delikte (2019: 56).
Seehofer legte einen Schwerpunkt auf die neue Rechte. "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" wurden im Berichtsjahr 772 (2019: 675) politisch motivierte Straftaten zugerechnet, von denen 599 (2019: 589) als extremistisch eingeordnet wurden. Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt 125 Gewalttaten (2019: 121). Hierzu zählten vor allem Erpressungs- (78) und Widerstandsdelikte (30). Von den "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" zugeordneten Straftaten wurden 37 als antisemitisch eingeordnet.
Was die Kriminalität von Linken angeht, so zitiert Seehofer 10.971 Taten links-politisch motivierter Straftaten (2019: 9.849), darunter 1.526 (2019: 1.052) Gewalttaten.
Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg damit um 2,8 Prozent, die Zahl der Gewalttaten um 34,3 Prozent. Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 776 Fälle (2019: 467) als "Gewalttaten gegen die Polizei" eingeordnet, was einem Anstieg um knapp zwei Drittel entspricht.
Gewaltorientierte Linksextremisten verüben im Namen des "Antifaschismus" regelmäßig Straf- und Gewalttaten gegen Personen oder Institutionen, die ihrer ideologischen Definition nach "faschistisch" sind. Neben als solche ausgemachten Rechtsextremisten ist dies auch immer der Staat und seine freiheitliche demokratische Grundordnung. Nach wie vor steht besonders die AfD im Fokus gewaltorientierter Linksextremisten, die sie als "Erste-Klasse-Gegner" bezeichnen. Linksextremisten verüben regelmäßig Straf- und Gewalttaten auf Einrichtungen und Mitglieder der Partei.
Die "Interventionistische Linke" (IL) beeinflusste etwa das Bündnis "Ende Gelände" stark. Ein weiterer Ansatzpunkt für linksextremistische Einflussnahme- und Radikalisierungsversuche waren die Proteste gegen die Rodung des Dannenröder Forstes (Hessen) im Herbst 2020.
Charakteristisch für die linksextremistische Szene ist ihre ausgeprägte Heterogenität. Diese zeigt sich im Hinblick auf die verschiedenen ideologischen Ausprägungen, den Organisationsgrad, die bevorzugten Aktionsformen sowie das Verhältnis zur Gewalt. Anhand der Einstellung zur Frage, ob Gewalt nicht erst in einer "revolutionären Situation", sondern bereits in der Gegenwart ein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ist, lässt sich die linksextremistische Szene in zwei Lager teilen – in gewaltorientierte und nicht gewaltorientierte Linksextremisten. Die etwa 7.500 Autonomen bilden die mit Abstand größte Gruppe im gewaltorientierten Linksextremismus.
Die "Rote Hilfe e.V." (RH) ist mit rund 11.000 Mitgliedern und bundesweit rund 50 Ortsgruppen die größte und eine der wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus. Innerhalb der letzten vier Jahre hat die RH einen starken Mitgliederzuwachs erfahren (2019: 10.500, 2018: 9.200, 2017: 8.300). Sie beschreibt sich selbst als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation". Ihr primäres Betätigungsfeld ist die Unterstützung von linksextremistischen Straftätern sowohl im Strafverfahren als auch während der Haftzeit. Sie bietet ihnen politischen und sozialen Rückhalt und leistet juristische sowie finanzielle Unterstützung.
Zwischen links und rechts spitzte sich die Situation ebenfalls zu. Die Zahl der Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten hat sich auf insgesamt 340 Delikte erhöht (2019: 297). Gegen den Staat und die Polizei schlugen die Linken abermals stärker zu (von 385 auf 681 Fälle).
Den islamistischen Extremismus bezeichnete Horst Seehofer als anhaltende Gefahr für Deutschland. Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2020 aus den Zahlenangaben ein im Vergleich zum Vorjahr um rund 2,5 Prozent gestiegenes Islamismus-Potenzial von 28.715 Personen (2019: 28.020).
So kam es etwa Anfang Oktober 2020 in Dresden zu einem Messerangriff auf zwei Touristen. Der islamistisch motivierte Täter wurde im Mai zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Politisch motivierte Taten mit religiöser Ideologie, als extremistische Straftaten gewertet, gab es 409 (2019: 362). Der überwiegende Teil (378, 2019: 314) davon wies einen islamistischen Hintergrund auf. Von den 409 Straftaten mit religiös-ideologischer extremistischer Motivation sind insgesamt 33 Gewalttaten (2019: 41), zu denen unter anderem zwei versuchte und zwei vollendete Tötungsdelikte sowie 24 Körperverletzungen gerechnet werden.
56 Taten wurden als Vorbereitung oder Unterstützung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eingestuft (2019: 63), 34 Fälle (2019: 64) als Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung.
Die Anschläge in Frankreich und Österreich im Herbst 2020 verdeutlichten die weiterhin bestehende Gefahr islamistisch motivierter Anschläge in Europa. Nachahmungs- beziehungsweise Resonanztaten auch in Deutschland, insbesondere durch inspirierte Einzeltäter, seien nicht auszuschließen.
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