Deutschland

Ehrenamt im Winterschlaf – die Kollateralschäden der Corona-Maßnahmen

Viele wichtige Funktionen in Deutschland werden durch ehrenamtliche Arbeit sichergestellt. Wie haben sich die Corona-Maßnahmen darauf ausgewirkt? Geht es danach weiter wie davor – oder gibt es womöglich bleibende Schäden?
Ehrenamt im Winterschlaf – die Kollateralschäden der Corona-MaßnahmenQuelle: www.globallookpress.com © Marius Bulling via www.imago-ima

Drei Deutsche sind ein Verein, hieß es früher einmal. Das trifft heute nicht mehr ganz zu, aber nach wie vor sind Vereine und ehrenamtliche Strukturen aus dem Land nicht wegzudenken, ja, sie sind, denkt man etwa an die freiwilligen Feuerwehren, geradezu lebenswichtig. Und ganz sicher ist das ehrenamtliche Engagement nicht durch Professionalisierung zu ersetzen, das wäre nicht finanzierbar.

Schon vor Corona hatte sich der Umgang mit dem Ehrenamt verändert. Weg vom langjährigen Engagement in einem Verein mit hohem Zeiteinsatz, hin zu eher punktueller Aktivität mit begrenzter Stundenzahl. Das allein war schon eine Herausforderung, da es doch relativ viele Tätigkeiten gibt, sei es bei der Feuerwehr, als Sporttrainer oder bei der Vereinsbuchhaltung, die Einarbeitung erfordern, also nur bei höherem Zeiteinsatz und längerfristigem Engagement tatsächlich erledigt werden.

Corona hat noch ganz neue Fragen aufgeworfen und alle ehrenamtlichen Strukturen, von den Sportverbänden bis zum Katastrophenschutz des Technischen Hilfswerks, vor neue Herausforderungen gestellt. Manchmal auch vor existenzielle.

Dass die Sportvereine unter den Lockdowns gelitten haben, erklärt sich von selbst. Schließlich gab es im vergangenen Jahr nur ein Fenster von Mai bis Oktober, in dem normale sportliche Aktivität möglich war; danach galten wieder Abstandsregeln, Wettkampf- oder gar Trainingsverbote.

Die Mitgliederzahlen sind dennoch bisher nur bei den großen Vereinen zurückgegangen, die ihre Tätigkeit teilweise kommerzialisiert haben. Die kleinen Vereine, so Christian Sachs, Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), hätten eine höhere Bindungswirkung, weil sie ein Heimatgefühl schaffen.

"2020 hat gezeigt, dass die Vereine sehr widerstandsfähig sind, das war eine Art Winterschlaf."

Dennoch hatten die größeren Vereine, die Hauptamtliche beschäftigen, ökonomische Probleme, weil Veranstaltungen und Kurse und damit auch die Einnahmen daraus ausgefallen sind; und auf die Kinder, die meist im Alter von fünf bis sechs Jahren in Sportvereine eintreten, müssen alle noch warten. Der DOSB hat sich schon um politische Unterstützung bemüht, um eine kräftige Rückkehr des Breitensports zu fördern; es gibt auch einzelne Programme, vom Bundesministerium für Familie, Soziales und Jugend etwa oder beispielsweise kostenlosen Eintritt für Jugendliche in Berliner Schwimmbädern. Da könnte aber noch mehr passieren, so Sachs, vor allem für sozial Benachteiligte. "Wenn wir diese Generation verlieren sollten, wäre das ein sehr bedauerlicher Kollateraleffekt der Pandemie."

Ein weiterer Lockdown im Herbst allerdings würde dauerhafte Schäden hinterlassen. Schon jetzt bestünde bei den kleinen Vereinen das Risiko, dass langjährige Ehrenamtliche frustriert werden, weil sie z. B. erst Hygienekonzepte ausarbeiteten, dann aber doch schließen mussten. "Aber wenn das länger dauert, reicht auch das Heimatgefühl nicht mehr."

Das Technische Hilfswerk, das für Katastrophenschutz zuständig ist, hat als Bundesbehörde zumindest keine Probleme mit Mitgliedsbeiträgen. Die Zahl neuer Ehrenamtlicher blieb auch im Jahr 2020 stabil. Dennoch macht man sich insbesondere um die Jugendarbeit Sorgen. "Neue Kinder und Jugendliche lassen sich nur schwer durch virtuelle Aktivitäten überzeugen, der THW-Jugend beizutreten", erwiderte Michael Kretz vom Presseteam des THW auf Nachfrage von RT DE.

Seit Frühjahr 2020 sei der Ausbildungs- und Übungsdienst sehr eingeschränkt bzw. zeitweise komplett ausgefallen. Das THW habe darauf reagiert und das Angebot an E-Learning-Kursen, Webinaren und Online-Modulen deutlich ausgebaut. "Im Rahmen der Möglichkeiten haben wir nun auch wieder die praktische Ausbildung an den THW-Standorten und auf Übungsgeländen aufgenommen."

Die technisch-logistischen Fähigkeiten des THW waren im Rahmen der Pandemie jedenfalls sehr gefragt; im Jahr 2020 kam es zu über 26.000 Einsätzen. Für die Helfer, die von Bundesministerien, Landesregierungen, Landkreisen und Kommunen angefordert wurden, war dabei vor allem eines neu, selbst für "alte Hasen" – dass sie alle auch persönlich von den Auswirkungen der Pandemie bzw. der damit verbundenen Maßnahmen betroffen waren.

Einem eventuellen weiteren Lockdown im Herbst sieht Kretz entspannt entgegen. "Das THW hat aus den Erfahrungen der vergangenen Monate viel gelernt und sich nicht nur bei der Digitalisierung der Ausbildung an die Pandemiebedingungen angepasst. Sollte es zu einer vierten Welle kommen – deren Stärke derzeit nicht einschätzbar ist –, ist das THW darauf eingestellt."

Die Feuerwehr ist in Deutschland überwiegend ehrenamtlich. In 110 Städten gibt es eine Berufsfeuerwehr; der gesamte Rest der Republik ist auf die über 22.000 freiwilligen Feuerwehren angewiesen. Häufigste Einsatzgründe sind übrigens die Notfallrettung, z. B. bei Verkehrsunfällen, und der Krankentransport; erst danach kommen Brände und Explosionen.

Wie sich die freiwilligen Feuerwehren entwickeln, hat also Auswirkungen auf fast alle Einwohner des Landes. Auf die Nachfrage von RT DE beim Deutschen Feuerwehrverband gab es allerdings nur eine recht pauschale Antwort, die Feuerwehren seien "auch in der Pandemie durch verantwortungsbewusste Organisation von Ausbildung und Einsatz jeder einsatzbereit und einsatzfähig".

Daraufhin hat sich RT DE bei einem langjährigen Feuerwehrmann erkundigt, welche Folgen die Pandemie und die Maßnahmen aus seiner Sicht gehabt hätten. Natürlich ist die Aussagekraft begrenzt, weil die freiwilligen Feuerwehren von Bundesland zu Bundesland anderen Regelungen unterliegen und sich die Arbeit der Vereine und Wehren sogar vom einen Kreis zum anderen unterscheidet.

"Wir machen die Theorie dieses Jahr digital", meinte er. Aber bei Ausbildung und Übungen sei vieles ausgefallen; Kurse in den Landesfeuerwehrschulen beispielsweise. Auch gesundheitliche Kontrollen, die z. B. für Träger von Atemmasken regelmäßig stattfinden müssten, hätte es nicht gegeben. Als Reaktion seien die Vorschriften gelockert worden.

Die Norm in der freiwilligen Feuerwehr sei eine Übung pro Monat; er habe in den letzten zwölf Monaten ganze vier Übungen gehabt. Bei einer Notfallrettung bei einem Unfall ginge es immer auch um Zeit, da müsse jeder Handgriff sitzen.

"Wenn du jetzt gerufen wirst, fängst du schon an, zu überlegen, wo sind die Geräte, wie funktioniert das noch mal ..."

Sorgen machte er sich vor allem bei Bränden. Da müssten in der Regel mehrere Feuerwehren zusammenarbeiten, und auch diese Zusammenarbeit müsse regelmäßig geübt werden. "Und da hatten wir gar nichts."

Auf die Frage, ob die Pandemie eine Vorbereitung der freiwilligen Feuerwehren auf das Problem der Brände bei E-Autos behindert habe, musste er lachen. "Da heißt es nur, bestellen Sie einen Container mit Wasser und lassen Sie es mit einem Kran hinein."

Nach wie vor engagierten sich viele Menschen bei der freiwilligen Feuerwehr, aber die Bereitschaft, tatsächlich regelmäßig für Einsätze zur Verfügung zu stehen, sei weit geringer als die, den Feuerwehrverein bei Festen oder als Träger kultureller Veranstaltungen zu unterstützen, und sie nehme weiter ab.

Die soziale Funktion der freiwilligen Feuerwehren im Dorfleben scheint also gesichert; die Erfüllung der Aufgaben im Einsatz erschwert, doch noch stabil. Ein weiterer Lockdown dürfte aber hier sichtbare Folgen haben.

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