Deutschland

Platzeck: Kein Dialog zwischen Deutschland und Russland wäre "der falscheste Weg"

Verblüffend für den ZDF-Reporter betonte Matthias Platzeck, Russland sei nicht allein für die politische Abkühlung verantwortlich. Die deutsche Sanktionspolitik habe die politischen Beziehungen in "einen Scherbenhaufen" verwandelt und die "militärische Eskalationsgefahr" gesteigert.
Platzeck: Kein Dialog zwischen Deutschland und Russland wäre "der falscheste Weg"Quelle: www.globallookpress.com © Jörg Carstensen / dpa

Im Vorfeld des Russlandtages in Mecklenburg-Vorpommern hat Matthias Platzeck, ehemaliger Ministerpräsident von Brandenburg und Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, ein Interview im ZDF-Morgenmagazin gegeben. Darin betonte der SPD-Politiker die Notwendigkeit und Alternativlosigkeit eines Dialoges zwischen Deutschland und Russland. Gleichzeitig machte er deutlich, dass man nicht einseitig auf Russland zeigen könne, wenn von einer Verschlechterung der Beziehungen gesprochen werde. Man müsse auch auf die deutsche Sanktionspolitik gegenüber Russland schauen und nüchtern feststellen, dass sie nicht zu einer Verbesserung beigetragen hat.

Platzeck sieht in der aktuellen kühlen politischen Stimmung zwischen Russland und Deutschland keinen historischen Einzelfall. Vielmehr habe es für Deutschland "selten einfache Phasen zu diesem großen Nachbarn im Osten" gegeben. Gerade sei man wieder in einer so schwierigen Phase. Das dürfe allerdings nicht entmutigen, betont der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident:

"Denn gerade, wenn alles hochkocht, wenn uns viele Dinge überhaupt nicht gefallen können, wenn die Spannungen zunehmen, ist es aus meiner Sicht der falscheste Weg, Dialoge einzustellen, Gespräche nicht mehr zu führen, Kontakte und Brücken abzubrechen. Das hat noch nie zu besseren Ergebnissen geführt."

Aus Sicht des ZDF-Reporters Mitri Sirin sind die Fronten jedoch klar. Er zählt auf: "Belarus-Krise, Nawalny-Affäre, deutsche NGOs sind in Russland unerwünscht, und und und." Er konstatiert, das deutsch-russische Verhältnis sei "schon lange erkaltet". Für ihn ist es fraglich, ob "das Konzept dialogbereit zu sein" nicht längst gescheitert ist. Schließlich schaffe Putin "knallharte Fakten": "Das Völkerrecht, die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, die bleiben auf der Strecke."

Dem widerspricht Platzeck, er sehe das "ein Stückchen anders". Wenn man auf die letzten sieben Jahre zurückschaue, wird klar, dass diese Jahre von Deutschland aus "von Sanktionen gegenüber Russland geprägt" waren – "Sanktionen, die schrittweise dann auch verschärft wurden". Er resümiert:

"Wenn man sich realistisch und ganz nüchtern die Jahre einmal anschaut, evaluiert und sagt: Was ist wirklich als Ergebnis passiert? Die politischen Beziehungen gleichen fast einem Scherbenhaufen, die militärische Eskalationsgefahr ist gestiegen, die Wirtschaft beider Seiten hat gelitten, die Stimmung in Russland ist anti-westlicher geworden, für die Krim hat sich nichts verbessert. Man kann doch, wenn man das sieht, nicht sagen, dass das das richtige Konzept ist und das machen wir jetzt zehn Jahre weiter."

An dieser Stelle interveniert der ZDF-Reporter und schneidet Platzeck das Wort ab. Er argumentiert, wenn Sanktionen gegen Russland nichts gebracht haben und Moskau "am zivilgesellschaftlichen Dialog offenbar kein Interesse" hat, bleiben dann nur noch Wirtschaftsbeziehungen als mögliche Entlastung für das deutsch-russische Verhältnis?

Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums macht deutlich, dass Wirtschaftsbeziehungen "einen wichtigen Beitrag" leisten. Aber sie seien nicht das Einzige. Er betont, dass "engere Vernetzung Schlimmeres auf jeden Fall verhüten" kann und warnt:

"Wenn man gar keine Beziehung mehr hat, keine Abhängigkeiten voneinander, keinen Kontakt, dann kann wirklich Dramatisches passieren."

Für Platzeck steht fest, dass "Arbeit an den Beziehungen mit Russland immer auch Arbeit an der Friedenssicherung" ist. Schließlich handele es sich bei Russland "um die zweitgrößte Atommacht der Welt". Das müsse man immer im Blick haben.

Abschließend gefragt nach der Gas-Pipeline Nord Stream 2 betonte Platzeck, dass er fest mit einer Inbetriebnahme rechnet. Besonders von dem anstehenden Gespräch zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem US-Präsidenten Joe Biden erhofft er sich eine Menge – nicht nur hinsichtlich Nord Stream 2, sondern auch in "Sicherheitsfragen und Abrüstungsfragen", die wiederum "Auswirkungen auf andere Bereiche haben".

Mehr zum Thema - Paradigmenwechsel in den russisch-amerikanischen Beziehungen? (Teil I)

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