Bravo! Die Reaktionen zeigen: #Allesdichtmachen hat alles richtig gemacht
von Kani Tuyala
Zunächst einmal ist es angebracht, gegenüber den Schauspielern den ihnen gebührenden Respekt zum Ausdruck zu bringen: Bravo! Es war höchste Zeit für diese "bizarre Kampagne". Ein Statement, für das es heutzutage ganz offensichtlich tatsächlich Mut braucht.
Was ist geschehen? 53 zum Teil sehr namhafte deutsche Schauspieler setzten am Donnerstag unter dem Hashtag #allesdichtmachen ein fulminantes Zeichen. In einzelnen Clips brachten sie ihren Unmut über die Corona-Politik der Bundesregierung, aber auch "die Medien" zum Ausdruck, die sich als unkritische Sprachrohre der mutmaßlich alternativlosen Maßnahmen-Politik gerieren. War es – zumindest bisher – nicht auch immer die Aufgabe der Kunst, der Gesellschaft auf ihre ganz eigene Weise den Spiegel vorzuhalten, auch und gerade, wenn es schmerzt?
Zu den wohl bekanntesten Protagonisten der Protestaktion zählt der Schauspieler Jan Josef Liefers. Dieser bedankte sich mit bitterer Ironie bei den sogenannten Leitmedien:
"Danke an alle Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich, verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz ganz oben. Und dafür sorgen, dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung."
Zu den weiteren prominenten "Corona-Skeptikern" der Aktion zählen Nadja Uhl, Wotan Wilke Möhring, Heike Makatsch, Meret Becker, Richy Müller oder Volker Bruch. Ulrich Tukur meldet sich ebenfalls mit Sarkasmus und ätzender Ironie zu Wort:
"Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage."
Und es sind die Reaktionen auf die Statements der Film- und Fernsehstars, die allzu deutlich vor Augen führen, wie goldrichtig sie mit ihrem Protest liegen.
Ich habe jetzt alle 53 #allesdichtmachen Videos angeschaut - ein Meisterwerk - es sollte uns sehr nachdenklich machen https://t.co/hhQiPtOhFB via @YouTube
— Jonas Schmidt-Chanasit (@ChanasitJonas) April 22, 2021
Sie haben einen Nerv getroffen, und entsprechend schäumen die sich angesprochen fühlenden Redakteure in den Reihen der Haltungsjournalisten. So heißt es etwa beim RedaktionsNetzwerk Deutschland zu der Aktion:
"In 53 kurzen Videos lästern die Damen und Herren zu leiser Klaviermusik über die Angst vor dem Virus. Sie raunen Wirres. Sie machen sich lustig über Menschen, die vor Erschöpfung am Gitterbett ihres Kindes hängen und weinen."
Nur allzu vorhersehbar, dass sämtliche Schauspieler unmittelbar nach dem Upload der Videos bei Youtube von selbst ernannten Moralisten in die offensichtliche Schmuddelecke der "Querdenker" gesteckt wurden. Zudem wird ihnen nun vorgeworfen, die Opfer der COVID-19-Pandemie zu verhöhnen – weil sie Kritik an der Maßnahmen-Politik üben. Und natürlich dauerte es auch nicht lange, bis ganz spezielle Vergleiche bemüht wurden.
Zu Dokumentationszwecken habe ich Ihren Tweet gesichert: pic.twitter.com/T9z1bq8n3E
— LiegeradRambo (@LiegeradRambo) April 23, 2021
So etwa vom Financial-Times-Redakteur Olaf Storbeck auf Twitter. Aber es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welcher Leichtfüßigkeit die Nazidiktatur verharmlost wird, wenn es an alternativen Instrumenten offensichtlich mangelt:
"Ich muss dass (sic!) leider so deutlich sagen: Die #allesdichtmachen Kampagne, bei der u.a. @JanJosefLiefers, Volker Bruch und andere Schauspieler mitmachen, ist derart zynisch, menschenverachtend und Argument-frei, dass sie mich vom Style her klar an einen erinnert."
Anschließend zeigt ein Finger auf das Konterfei von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Den Tweet löschte Storbeck in der Zwischenzeit. Er habe nicht direkt die Schauspieler mit Goebbels vergleichen wollen, sondern die angewendete Technik.
"Ich habe meinen Tweet von heute morgen gelöscht, weil ihn viele Leute anders verstanden haben, als er gemeint war. Ich vergleiche nicht die Schauspieler mit Goebbels, sondern sehe Parallelen in der von der #allesdichtmachen Kampagne angewendete Technik."
Worin diese allerdings totalitärer ist als die von ihm angewendete Diffamierungstechnik, bleibt derweil ein Geheimnis. All die unterkomplexen und reflexartigen Diffamierungen sagen viel mehr über den tatsächlichen Zustand der "demokratischen Debattenkultur" aus als die Äußerungen der Schauspieler, die es wagten, sich gegen den vermeintlichen "wissenschaftlichen Konsens" in Sachen Corona zu stellen.
Ich habe meinen Tweet von heute morgen gelöscht, weil ihn viele Leute anders verstanden haben, als er gemeint war. Ich vergleiche nicht die Schauspieler mit Goebbels, sondern sehe Parallelen in der von der #allesdichtmachen Kampagne angewendete Technik ("Style")
— Olaf Storbeck (@OlafStorbeck) April 23, 2021
So richtet sich die audiovisuell geäußerte Kritik ja keineswegs nur gegen "die Medien", sondern auch gegen die einseitige Basis, auf der die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung fußen. Als würde der Kurs der Regierung von "der Wissenschaft" als alternativlos angesehen. Nichts wäre weiter von der Wahrheit entfernt.
Liefers fühlte sich auch prompt und noch am Abend des Uploads der Videos dazu veranlasst, auf die undifferenzierten und pauschalisierenden Anfeindungen im Netz durch gleich vier Tweets auf Twitter zu reagieren.
"Ich setze mich kritisch mit den Entscheidungen meiner Regierung zu Sars-CoV-2 und COVID 19 auseinander."
Doch genau darin liegt eben die vermeintliche Anmaßung eines Jan Josef Liefers, die ihm zudem und unmittelbar auch Rufe nach einem Berufsverbot einbrachte. Das erinnert auf ganz andere Weise an einen längst überwunden geglaubten Geist. Zudem verwahrte sich der prominente Schauspieler gegen eine mutmaßliche Nähe zur AfD, zu Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern:
"Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für 'Reichsbürger', Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt."
Ja, längst ist es notwendig, nach einer kritischen, wenn auch ironisch indirekt und spitz formulierten Meinungsäußerung gleich noch klarzustellen, dass man nichts mit denen gemein hat. Aber, lieber Herr Liefers, es ist zu spät (das wussten Sie aber sicherlich schon, bevor sie sich so weit aus dem Fenster gelehnt haben): Die Falle hat schon und unmittelbar zugeschnappt; denn nur das dahinterliegende Schubladendenken erlaubt es, eine allzu komplexe Welt in Gut und Böse zu unterteilen.
Hier die aufrechten Gralshüter der einzigen und wahren Meinung, dort die "verwirrten" und "verirrten" "Schwurbler" – das gibt dem Tag Struktur und erleichtert es manch einem, das eigene Denken als unnötigen Ballast getrost aufzugeben. Ohnehin verliert jede Meinungsäußerung, die auch von Schmuddelkindern geteilt wird, ihre Legitimation und Daseinsberechtigung – und zwar völlig unabhängig davon, wie viele andere Menschen diese ebenfalls teilen mögen.
8/ Hier wird ironisch verbrämt, was Pediga, AFD und andere rechtsradikale Gruppen bis hin zu Verquerdenkern schon lange behaupten: Dass die Medien zentral gelenkt einförmig dasselbe berichten und zwar ausschließlich, was der Regierung genehm sei.
— 🔴🔴🔴 Enno Park (@ennopark) April 23, 2021
Wenn es sie jemals gab, ist die Freiheit, definiert als die tatsächliche Freiheit der Andersdenkenden, längst Geschichte. Eines der besseren Beispiele für den entsprechenden Zeitgeist sind die Einlassungen des Journalisten und Bloggers Enno Park. Dieser will in den #allesdichtmachen-Videos "rechtsradikale Inhalte" ausgemacht haben. Warum? Weil etwa behauptet werde, dass "die Medien zentral gelenkt einförmig dasselbe berichten, und zwar ausschließlich, was der Regierung genehm sei".
"Zentral gelenkt". Zumindest in den bisher gesehenen Videos war davon jedoch keine Rede. So plump wie hier vollzogen sollte inhaltliche Kritik nicht funktionieren. Natürlich findet solch eine zentrale Lenkung der Medien nicht statt. Die Mechanismen der einseitigen Berichterstattung sind subtiler. Es herrscht wohl eher so etwas wie eine Art Selbstzensur vor, eine Unternehmenskultur, bei der sich der Einzelne der allgemeinen Haltung so lange nicht widersetzt, bis er (oder sie) womöglich beginnt, sich diese zu eigen zu machen.
Mit dem Strom zu schwimmen, sich unter die Herde zu mischen, macht vieles einfacher. Umsonst gibt es obendrauf das genauso wohlige wie trügerische Gefühl, vermeintlich die Meinung der Mehrheit zu vertreten. Eine Meinung, die man allerdings selbst (mit) geschaffen hat. Aufmucken kostet hingegen Mut und am Ende nicht selten den guten Ruf bei Kollegen, Freunden und Bekannten. Die Inquisitoren haben schnelle Pferde.
Wie wäre es wohl einem kritischen Geist vom Kaliber eines Galileo Galilei heutzutage ergangen? Mutmaßlich und im Wesentlichen wohl nicht anders als vor 400 Jahren, als er sich gegen die allgemeine "wissenschaftliche Lehre" stemmte, wonach die Sonne um die Erde kreise und nicht umgekehrt. Heute würde er wohl als "Schwurbler" und Schlimmeres bezeichnet werden, da er sich nicht den Erkenntnissen "der Wissenschaft" beuge.
Bewährt sich eine repräsentative Demokratie nicht erst genau in Zeiten wie diesen? Genau jetzt sollten gerade kritische Stimmen nicht befürchten müssen, umgehend für ihre Meinung diffamiert zu werden. Dass dies ganz offensichtlich nicht mehr möglich ist, lässt nichts Gutes erahnen. Es mutet geradezu bizarr an, dass es nun just Gesundheitsminister Jens Spahn ist, der sich jetzt vor die vorlauten Schauspieler stellt.
"Dass es Kritik an den Maßnahmen gibt, das finde ich völlig normal."
In einer freiheitlichen Demokratie sei das sogar wünschenswert, so Spahn weiter. Kritik mag für Spahn ja normal und demokratisch wünschenswert sein, zu den Folgen der Kritik für diejenigen, die sie äußern, positioniert er sich jedoch nicht. Mit Blick auf die Verabschiedung der Corona-Notbremse im Bundestag sei es "notwendig, dass wir das, was wir tun, auch rechtfertigen, erläutern, herleiten und abwägen".
Spahn führt ins Feld, dass dies im Parlament und in den Debatten vorher auch stattgefunden habe. Mit Debatten hinter verschlossenen Türen, bei denen am Ende der mutmaßlich alternativlose Regierungskurs abgesegnet wird, mögen sich jedoch viele nach über einem Jahr der ausgerufenen COVID-19-Pandemie nicht mehr zufriedengeben. Spahn ist derweil überzeugt, dass man im Gespräch miteinander bleiben müsse.
"Ich kann mir gut vorstellen, da auch mit den Initiatoren das Gespräch zu führen."
Doch diese gesellschaftliche Debatte findet nach Ansicht von Beobachtern tatsächlich nicht statt. Gleichzeitig verkürzt er die allgemein gesellschaftlichen Äußerungen auf die einer von der Pandemie gebeutelten Kulturszene.
Dass den Schauspielern nun auch durch einen Meinungsbeitrag an dieser Stelle Respekt gezollt wird, dürfte derweil für deren Kritiker ein weiterer und glasklarer Beweis dafür sein, dass sämtliche Schauspieler tatsächlich die "Gesellschaft spalten" und in die Ecke der sogenannten "Schwurbler" und "Verschwörungstheoretiker" gehören.
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