Deutschland

"Keine Ausreden mehr" im Journalismus – Diversitätsnetzwerk legt Handbuch vor

Ein Netzwerk von Journalisten beklagt, Medienhäuser setzten noch zu wenig auf Diversität. Jetzt legt dieser Verein ein "Handbuch" mit Checklisten vor und fordert eine freiwillige Quote in den Redaktionen. Neben der Personalfrage hat das Netzwerk auch inhaltliche Themen in Blick.
"Keine Ausreden mehr" im Journalismus – Diversitätsnetzwerk legt Handbuch vorQuelle: www.globallookpress.com © Winfried Rothermel/imago stock&people

Forderungen nach Beauftragten für Diversität in Redaktionen und nach einer freiwilligen Quote bei Neueinstellungen: Das Netzwerk "Neue deutsche Medienmacher*innen" (NdM) will mit einem neuen Handbuch seine Forderung nach mehr Vielfalt in Medienhäusern untermauern. In dem Handbuch beklagt der Verein:

"Viele Medienbetriebe scheinen noch anzunehmen, Menschen mit Einwanderungsgeschichte seien für sie keine lohnenswerte Zielgruppe."

Eine Debatte um Diversität in der Gesellschaft gibt es schon länger. Im Blickwinkel des Medienbetriebes doppelt sich das Thema: Es geht darum, wie viel Vielfalt und Pluralität in den journalistischen Produkten zum Beispiel bei der Themensetzung zu finden sind. Und die Medienhäuser stehen selbst im Blickpunkt – wie breit und vielfältig die Gruppe der Beschäftigten ist oder wie divers die Führungsposten besetzt sind.

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Auf den mehr als 140 Seiten des erwähnten Handbuches geht es unter anderem um journalistisch-redaktionelle Themen, wie die Herkunftsnennung in der Kriminalitätsberichterstattung, oder Sprachbilder und Begriffe, wie zum Beispiel "Flüchtlingswelle". Es beinhaltet zudem Handlungsempfehlungen, Checklisten und Gastbeiträge und beleuchtet an vielen Stellen das Thema Personalpolitik in den Medienhäusern, formuliert dabei auch die Vorteile von divers besetzten Redaktionen.

Bei einem virtuellen Pressegespräch am Mittwoch stellte die NdM-Geschäftsführerin und Hauptautorin des Diversity-Handbuches, Konstantina Vassiliou-Enz, den Ratgeber und die Kernforderung vor:

"Wir fordern als Neue Deutsche Medienmacher*innen eine Diversitäts-Quote von 30 Prozent bis 2030 als freiwillige Selbstverpflichtung in den Medien."

Forschungen hätten gezeigt, dass 30 Prozent "die kleinste Größe" sei, um tatsächliche Veränderungen in einem Unternehmen zu schaffen.

Das Handbuch sei ein aufbauender Schritt auf einer Befragung des Vereins im vergangenen Jahr bei den reichweitenstärksten regionalen und überregionalen Medien in Deutschland. Das Ergebnis wäre damals gewesen: Selten stehe ein Chef mit Migrationshintergrund an der Redaktionsspitze. Von damals 126 befragten Chefredakteurinnen und Chefredakteuren gaben 8 an, einen Migrationshintergrund zu haben. Damit ist gemeint, dass eine Person entweder selbst oder mindestens ein Elternteil dieser Person nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.

Gleichzeitig haben die NdM herausgefunden, dass die Chefs sich eine diversere Belegschaft wünschten, sie jedoch nicht wüssten, wie diese Entwicklung aussehen könnte. "Wir wissen das, also haben wir es aufgeschrieben", sagte Vassiliou-Enz.

In der Diskussionsrunde berichtete Iva Krtalic als Beauftragte für Integration und Vielfalt beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), dass in Nordrhein-Westfalen fast die Hälfte der Grundschulkinder einen sogenannten Migrationshintergrund hat. "Wir müssen uns mit diesem Publikumswandel, mit der Gesellschaft, mit dem Bild der Gesellschaft befassen in den Programmen und in den Strukturen des Hauses", betonte sie. Aus ihrem Hause brachte sie ein konkretes Beispiel: eine auf Diversität ausgerichtete Volontariats-Auswahl. "Wir haben unter den Programmvolos dieses Jahr 50 Prozent der Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte", sagte Krtalic.

Der Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur Sven Gösmann sagte in der Diskussion: "Ich spüre die Verantwortung dafür, ein Land und eine Gesellschaft so abzubilden, wie sie ist, und nicht so zu beschreiben, wie sie war. Unsere Strukturen sind noch sehr so, wie die Gesellschaft mal war." Das Handbuch sei ein Auftrag an jeden Chefredakteur und jede Chefredakteurin in Deutschland. "Der lautet: Mach was anders." Gösmann betonte auch mit Blick auf das eigene Haus: "Wir wollen Menschen, die die Einwanderungsgesellschaft verstehen."

Dem Statistischen Bundesamt zufolge hatten 2019 21,2 Millionen Menschen und somit jeder Vierte der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund. Dies entspreche einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozentpunkte (2018: 20,8 Millionen). Neuere Zahlen liegen noch nicht vor.

Um diese Menschen zu erreichen, brauche es unter anderem die Quote, betonte Vassiliou-Enz. Mehr Diversität bedeute neue Geschichten, mehr Glaubwürdigkeit, besseres Image, neue Zielgruppen und überhaupt eine Zukunft als Medium. In dem Handbuch sei nun alles drin, "was es braucht für Journalismus im Einwanderungsland, und eigentlich gibt es jetzt keine Ausreden mehr", so die NdM-Geschäftsführerin.

Ein kleiner Kniff, den sich der Verein ausgedacht hat: Das Handbuch ist prinzipiell für alle Chefredaktionen der deutschen Medienhäuser kostenlos. Allerdings nur, wer die NdM im Gegenzug für eine Stunde zum Gespräch einlädt und sich dabei den Inhalt und die Relevanz des Inhaltes erklären lässt.

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(dpa/rt)

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