Deutschland

Union in der Krise: Wie sich eine Partei im Superwahljahr selbst zerlegt

Nach groben Fehlern in der Corona-Bekämpfung, problematischen Ladenschließungen und aufgebrachten mittelständischen Handelsverbänden: die Union kommt nicht zur Ruhe. Ein weiterer Bundestagsabgeordneter unter Mauschelverdacht legt sein Mandat nieder. Und das ist lange nicht alles.
Union in der Krise: Wie sich eine Partei im Superwahljahr selbst zerlegtQuelle: www.globallookpress.com © Christian Spicker via www.imago-/www.imago-images.de

von Stephan Fein

Die Parteiaustritte von Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) wegen der Masken-Affäre bringen die Union in neue Umfrage-Tiefs. Nun folgen drei weitere Fälle, die für die Union im Superwahljahr nicht unbedingt förderlich sind:

28. Februar:  Ein ausgelassenes Fest zum 60. Geburtstag brachte den CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch aus dem Wahlkreis Rheingau-Taunus-Limburg in Erklärungsnot. Ein Handyvideo seiner privaten Geburtstagsfete mit mindestens zwölf ausgelassen feiernden Personen war aufgetaucht. Darauf zu sehen waren während geltender Abstandsbeschränkungen singende und tanzende Menschen in einer Privatwohnung, die sich eifrig umarmen. Unter den Feiernden ist der Abgeordnete Willsch zu erkennen – ohne Mund-Nasen-Schutz. Dem Spiegel gegenüber gestand er die Feier ein. Willsch sagte:

"Im weiteren Verlauf des Abends ist unangekündigt eine befreundete Familie zur Runde dazugestoßen."

Die hessische Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung sieht allerdings vor: "Für private Zusammenkünfte wird eine Beschränkung auf den eigenen Hausstand sowie eine weitere nicht im Haushalt lebende Person dringend empfohlen."

10. März: Die Fraktionsspitze stellt den verbliebenen 244 Abgeordneten ein Ultimatum: Bis Freitagabend, 18 Uhr, sollen sie eine Erklärung abgegeben, dass sie "keine finanziellen Vorteile" im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erzielt haben. Nun der nächste Masken-Skandal. Im Bayerischen  Gesundheitsministerium sollen vor einem Jahr überteuerte und wohl obendrein mangelhafte FFP2-Masken bei einer Schweizer Firma gekauft worden sein – auf Vermittlung mehrerer CSU-Politiker, darunter die CSU-Abgeordnete im EU-Parlament Monika Hohlmeier, Tochter des einstigen CSU-Übervaters Franz Josef Strauß, und der CSU-Innenstaatssekretär Stephan Mayer. Konkret ging es um 56 Bestellungen für FFP2-Masken, die das bayerische Gesundheitsministerium sowie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im März und April vergangenen Jahres tätigten. Die Teuersten: Die Masken der schweizerischen Firma Emix Trading AG zu einem Stückpreis von 10,59 Euro. Die anderen Masken kosteten zwischen 3 und 5 Euro pro Stück. Laut dem Magazin Spiegel sollen das  mindestens 700.000 der insgesamt 1.007.400 bestellten Masken gewesen sein.

Andrea Tandler, Geschäftsführerin einer Münchner Werbeagentur, soll der befreundeten Europaabgeordneten Hohlmeier in einem Telefonat gesagt haben, dass Emix "noch Millionen an Masken zu normalen Preisen auf Lager" hätte. Hohlmeier und Innenstaatssekretär Mayer stellten dann angeblich den Kontakt zu den zuständigen bayerischen Behörden her. Anfragen weiterzugeben oder Daten von Ansprechpartnern zu übermitteln sei "die alltägliche Arbeit von Abgeordneten", erklärte die EU-Abgeordnete. Emix bekam den Zuschlag. Hohlmeier reichte den Kontakt auch an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) weiter. Hohlmeier beteuerte immer wieder: "Ich habe keine Verhandlungen geführt, ich habe keine Angebote abgegeben, ich habe keine Verträge ausgearbeitet. Ich habe weder eine Provision angeboten bekommen, noch habe ich eine verlangt, noch habe ich eine erhalten – auch nicht über Dritte, einfach keine."

Emix reagierte. Auch in der Schweiz hatte das Unternehmen, das von zwei 23-Jährigen geführt wird, Deals mit dem Staat gemacht. Alle greifbaren FFP2-und KN95-Masken der Schweizer Armee hat das Unternehmen unaufgefordert durch frische FFP2-Masken ersetzt. Die kosten mittlerweile knapp einen Euro pro Stück. 

Der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn reagierte auf seiner Webseite: "Ich habe den begründeten Verdacht, dass hier mit schäbiger Abzocke maximaler Profit aus der Corona-Krise geschlagen werden soll." Er hat Ende Februar Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Betruges und Untreue erstattet.

Am 11. März legt nun der thüringische CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann (37) sein Mandat nieder. Im Interview mit der Welt begründet er dies mit "Anfeindungen und Verdächtigungen", die ihn und seine Familie zunehmend belastet hätten. Hintergrund sind Vorwürfe, Hauptmann habe dubiose Kontakte nach Aserbaidschan unterhalten. Hauptmann weist die Anschuldigungen zurück. Im September 2019 gründete Hauptmann in Berlin den Verein "Asienbrücke e. V. – Euro-Asian Initiative", der sich auf politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Ebene für eine intensivere Kooperation zwischen den Ländern der asiatisch-pazifischen Region mit der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union einsetzt.

Im Kontext der sogenannten "Aserbaidschan-Affäre" mehrerer Unionspolitiker wurde bekannt, dass er sich regelmäßig für die Belange Taiwans und Aserbaidschans einsetze und teure Werbeanzeigen dieser Länder sowie auch Vietnams in seinem Heimatblatt Südthüringen Kurier schaltete; dies oft gekoppelt mit gleich gerichteten redaktionellen Beiträgen. Zuvor waren bereits Verwicklungen der CDU/CSU-Abgeordneten Axel Fischer, Karin Strenz und Eduard Lintner in die Aserbaidschan-Affäre bekannt geworden. Hauptmann weist auch dies zurück. Auf die Frage, ob es eine "CDU-Aserbaidschan-Connection" gebe, antwortet er: "Nein!"

Dass diese Skandale die Union tief erschüttert haben, zeigte sich auch, als sich sogar der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in die Diskussion einschaltete. In der FAZ machte er sich am Donnerstag Luft und kommentierte, wenn "einzelne Abgeordnete die Notlage ausgenutzt haben, um sich persönlich zu bereichern, ist das schlicht unanständig und mit dem Mandat nicht vereinbar". Und mit Blick auf den zurückgetretenen Mark Hauptmann sagte er: "Das gilt genauso, wenn der Verdacht im Raum steht, ein Abgeordneter sei in der Mandatsausübung zugunsten eines anderen Landes käuflich gewesen."

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