Deutschland

Deutsche Krankenhausgesellschaft: Krankenhäuser waren und sind nicht überlastet

Der designierte Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß erklärte im Interview für "Die Welt", die Lage in den Krankenhäusern habe sich deutlich entspannt. Derzeit könne man auch mit einer Inzidenz von 50 oder 70 leben und Lockerungen durchaus zulassen.
Deutsche Krankenhausgesellschaft: Krankenhäuser waren und sind nicht überlastetQuelle: www.globallookpress.com © snapshot-photography/ T.Seeliger

Eine drohende Überbelastung der Krankenhäuser vermeiden zu wollen, war eines der Argumente, mit denen staatliche Einschränkungen in der Corona-Gesundheitskrise von offizieller Seite begründet wurden. Doch zumindest dieses Argument dürfte nun zu hinterfragen sein: Im Interview für Die Welt erklärte Gerald Gaß als designierter Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Dachverband, dass sich die Lage in den Krankenhäusern im Vergleich zum Höchststand der "zweiten Welle" spürbar entspannt hätte.

Anfang Januar habe man im Zusammenhang mit COVID-19 noch fast 6.000 Intensivpatienten behandelt, mittlerweile sei man bei 3.000 Patienten deutschlandweit. Man müsse immer noch aufmerksam sein, betonte Gaß, aber man sei von dieser Maximalbelastung weg und konnte das Gesundheitswesen erfolgreich vor einer Überlastung schützen. Auch bei der Versorgung von COVID-Patienten habe man eine enorme Lernkurve hingelegt. Zwar sieht die Situation in der Darstellung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) anders aus: Erst kürzlich hieß es von Seiten der Intensivmediziner, man könne erst bei weniger als 1.000 Patienten von einer Entspannung reden.

Allerdings hält Gaß diesen Anspruch für überzogen. Aus Sicht der Intensivmediziner sei dies zwar sicherlich wünschenswert, in einer Situation wie der Corona-Gesundheitskrise müsse es allerdings auch möglich sein, "über ein paar Monate an die Grenze zu gehen":

"Es ist immer eine Abwägung zwischen dem Kollateralschaden des Lockdowns und der Belastung des Gesundheitswesens."

Auch im Hinblick auf die Virusmutationen sei es nicht sinnvoll, maximale Krisenszenarien aufzubauen. Man müsse das Ganze zwar im Auge behalten. In Dänemark oder der Schweiz beträgt der Anteil der britischen Variante mittlerweile 50 Prozent der SARS-CoV-2-positiven Personen, aber dennoch stieg die Zahl der mutmaßlichen Neuinfektionen nicht. Bei Ländern wie Portugal oder Tschechien könne man, laut Gaß, noch nicht sagen, ob der Anstieg der Zahlen an der Mutante liegt oder daran, dass die Regeln weniger konsequent eingehalten werden. Im Notfall könne man nach Ansicht des Volkswirts und Soziologen Dr. Gerald Gaß auch kurzfristig Operationen verschieben und so "im Notfall in drei bis sieben Tagen bis zu 5.000 Intensivbetten frei machen".

Weiterhin weist Gaß darauf hin, dass an einigen Standorten vor allem Probleme entstanden waren, weil Personal erkrankte oder positiv auf SARS-COV-2 getestet wurde und in Quarantäne musste – und nicht, weil Intensivbetten oder medizinische Geräte gefehlt hätten. Mit der Impfung des Personals könne man solche Engpässe nun verhindern. Auch der verbesserte Schutz der Altenheime trage wesentlich zu einer Entlastung bei:

"Wir können in dieser Situation auch mit einer Inzidenz von 50 oder 70 leben und wieder Lockerungen zulassen, ohne dass die Kliniken überlastet sein werden."

Neben Bildungseinrichtungen könne man – ein entsprechendes Hygienekonzept vorausgesetzt – auch die Restriktionen in den Bereichen Kultur und Gastronomie lockern:

"Ich wundere mich schon, wenn der Ministerpräsident von Sachsen sagt, es dürfe auf keinen Fall Osterurlaub in Deutschland geben. Ich weiß gar nicht, wie man (so) etwas jetzt schon formulieren kann."

Auch die Tatsache, dass nicht bei jedem COVID-19-Patienten Corona der Grund für die Behandlung ist, sei für ihn wenig überraschend. In etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle wären die Patienten aus anderen Gründen im Krankenhaus gewesen und wurden nur zufällig positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Dies ändere laut Gaß jedoch nichts an der Tatsache, dass diese Patienten isoliert werden mussten.

Eine differenzierte Darstellung der Meldedaten an das RKI hält er aber theoretisch für möglich, da die Zahlen auch politisch eine Rolle spielen. Daneben könne man etwa jene Daten verwenden, die nach der Entlassung der Patienten im Krankenhaus vorliegen. Bisher wurde in den Meldedaten jedoch nicht differenziert, inwiefern COVID-19 der entscheidende Grund für eine stationäre Behandlung ist.

Das Robert Koch-Institut sieht dafür offenbar bis jetzt auch keinen Grund: Auf eine Anfrage vom Nordkurier erklärte eine Pressesprecherin der Behörde, dass dies irrelevant sei, da es darum gehe, Schutzvorkehrungen zu treffen, Verdachtsfälle zu isolieren und Infektionen zu verhindern. Weiterhin heißt es in einer Mitteilung des RKI:

"Auf Grundlage der Schätzung einzelner Kliniken kann ein evidenzbasiertes Institut keine Bereinigung von Fällen vornehmen."

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