Deutschland

"Desaster im Dutzend": Zwölf der unnötigsten Fernstraßenprojekte Deutschlands?

In einer Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu deutschen Autobahnen wird aufgezeigt, wie Kosten deutlich zu niedrig angesetzt, europäisches Umweltrecht ausgehebelt und faire Öffentlichkeitsbeteiligung und Alternativprüfung verweigert werden.
"Desaster im Dutzend": Zwölf der unnötigsten Fernstraßenprojekte Deutschlands?Quelle: www.globallookpress.com © Klaus-Dietmar Gabbert

In einem Interview mit RT DE stand uns der Sprecher des BUND, Arbeitskreis Verkehr, Dr. Werner Reh, Rede und Antwort:

RT DE: In der Studie wird behauptet, dass die Kosten zu niedrig angesetzt seien, dass europäisches Umweltrecht ausgehebelt werde sowie eine faire Beteiligung der Öffentlichkeit und die Prüfung von möglichen Alternativen verweigert werden. Warum ist es Ihrer Meinung nach dazu gekommen?


"Es ist ein Klassiker, dass bei Verkehrsinfrastrukturprojekten zu niedrige Kosten und zu hohe Nutzen angesetzt werden, um gute Nutzen-Kosten-Ergebnisse zu erzielen und dadurch Geld aus dem Bundeshaushalt zu bekommen. Studien von Prof. Bent Flyvbjerg, der vom 'Survival of the Unfittest' spricht, und von Prof. Werner Rothengatter, der von 'Megarisks' großer Infrastrukturprojekte spricht, haben diese Fehlentwicklungen schon lange wissenschaftlich beschrieben. Die Kosten wurden in Deutschland nicht ausreichend kontrolliert – in Dänemark macht man das intensiv und verlangt das Einholen von Bauangeboten, bevor dann das Parlament überhaupt erst über den Bau der Projekte entscheidet. Natürlich kann ich bei 1.360 als 'Bedarf' anerkannten Projekten keine echte Kontrolle ausüben. Die GroKo-Bundesregierung, insbesondere das BMVI [das Bundesverkehrsministerium; Anm. d. Red.], nutzte die Nutzen-Kosten-Analyse nicht, um die Projekte auf die wichtigsten zu konzentrieren (was möglich wäre), sondern um einen Straßenbau-Maximalplan zu generieren. Die Methoden sind im Hintergrundartikel der DiD-Broschüre beschrieben. Die rechtliche Vorgabe, Alternativen 'zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten' wird, nicht angewendet. Straßenbau wird alternativlos durchgesetzt, die vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligungen sind Pseudobeteiligungen (nicht ergebnisoffen, nicht fair, nicht inklusiv). Anders und positiv dagegen die DBG AG mir ihren Dialogformen."  

RT DE: Wie bewerten Sie den Zustand des Schienenverkehrs in Deutschland?


"Das Bahnnetz ist nicht ausfinanziert. Konzeptionell ist es – anders, als der Fernstraßenplan Projekte auf Zuruf baut – gut konzipiert, setzt auf die Korridore des europäischen Kernnetzes (sechs von neun Korridoren liegen in Deutschland) und den Ausbau insbesondere der fünf völlig überlasteten Großknoten (Hamburg, Hannover, Frankfurt/M. Mannheim, München). Nur so kann Verkehr auf die Schiene verlagert werden. Der Knotenausbau ist aber nicht finanziert. Er würde bei Fortschreibung der aktuellen Investitionslinie von 1,5 Mrd. pro Jahr für Bedarfsplaninvestitionen bis nach 2045 dauern. Zentral für Klimaschutz ist die Verdoppelung der Verkehrsanteile der DB im Güter- und Personenverkehr. Die Bahninvestitionen müssen verdoppelt werden auf drei Mrd. pro Jahr. Weitere Maßnahmen müssen hinzukommen für eine attraktive Bahn. Ohne 'mehr Geld' geht es aber gar nicht."



RT DE: Sie fordern die "Generalrevision dieser gigantischen Fehlplanung" und zugleich, dass sich Deutschland hier der laut EU-Recht vorgeschriebenen Strategischen Umweltprüfung unterzieht. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Arbeit des Bundesverkehrsministeriums?


"Der damalige Bundesverkehrsminister Dobrindt hat die Neuorientierungen, die es es zuvor gegeben hatte (Neue Grundkonzeption für den BVWP [Bundesverkehrswegeplan; Anm. d. Red.] 2014), alle rückgängig gemacht und zurückgedreht ins 20. Jahrhundert, seine 'konservative Revolution', seinen Kreuzzug gegen Umweltschutz, moderne Verkehrsplanung und seinen Kampf gegen Umwelt-NGO mit den Planungsbeschleunigungsgesetzen, die ja nicht beschleunigen, sondern Rechte der Umweltverbände einschränken, geführt. Ziel war es eben, möglichst viele Straßenprojekte nach Bayern zu schaufeln, was gelungen ist, und den Lobbys zu Gefallen zu sein. Verkehrsprobleme lassen sich durch eine solch konzeptionslose Planung aber nicht lösen. Von Klima- und Umweltschutz gar nicht zu reden."

Auf Nachfrage an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erhielt RT DE folgende "Sachhinweise" eines Sprechers:

"Leistungsfähige Verkehrswege sind Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand. Wir brauchen leistungsstarke Verkehrsverbindungen zum Beispiel zur Anbindung von ländlichen Räumen und Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, für Pendler und Handwerker, die auf ihnen zur Arbeit fahren, und für Spediteure, die den Menschen Pakete bringen. 

Das Bundeskabinett hat am 3. August 2016 den Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP 2030) beschlossen. Auf dieser Grundlage hat der Deutsche Bundestag am 2. Dezember 2016 mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen verabschiedet. Das Netz der Bundesfernstraßen wird nach diesen Festlegungen ausgebaut. 

Ob Straßenbauprojekte im Bedarfsplan aufgenommen werden, hängt von den Ergebnissen einer gesamtwirtschaftlichen Maßnahmenbewertung ab. Außerdem werden eine Nutzen-Kosten-Analyse, raumordnerische, städtebauliche, umwelt- und naturschutzfachliche Beurteilungen sowie eine transparente Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. 

Das BMVI setzt das von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzprogramm um. Zur Reduzierung des Endenergieverbrauchs und der im Verkehrssektor emittierten Treibhausgase tragen die mehr als 50 Maßnahmen u.a. zur Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe bzw. die Nutzung alternativer Kraftstoffe und zur Stärkung des öffentlichen bzw. Schienenverkehrs erheblich bei."

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