Deutschland

Neue "Studie": Querdenken-Demos in Berlin und Leipzig waren angeblich "Superspreader-Ereignisse"

Wie ein aktuell als "Studie" deklariertes Diskussionspapier zweier Nicht-Mediziner des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und der Humboldt-Universität zu Berlin nachzuweisen versucht, haben die beiden Querdenken-Demonstrationen im November letzten Jahres deutlich zu einer starken Verbreitung des Coronavirus innerhalb Deutschlands beigetragen. RT hat sich die "Untersuchung" näher angeschaut.
Neue "Studie": Querdenken-Demos in Berlin und Leipzig waren angeblich "Superspreader-Ereignisse"Quelle: www.globallookpress.com © via www.imago-images.de

Die beiden Wirtschaftswissenschaftler Martin Lange (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) und Ole Monscheuer (Humboldt-Universität zu Berlin) untersuchten in ihrem Diskussionspapier "Spreading the Disease: Protest in Times of Pandemics" (zu Deutsch: Die Ausbreitung der Seuche: Protest in Zeiten der Pandemie) das spätere "Infektionsgeschehen" in den Landkreisen, aus denen die Demonstranten zu den Querdenker-Demonstrationen nach Leipzig am 7. und Berlin am 18. November gereist waren.

Um das Reisegeschehen nachzuvollziehen, bezogen sich die Autoren besonders auf Informationen über das Angebot von Busreisen eines Netzwerks von Busunternehmen, das sich seit Sommer 2020 auf die Beförderung von Teilnehmern zu den Querdenker-Kundgebungen spezialisiert hat. Einleitend heißt es in dem Papier:

"Motiviert durch die Beobachtung, dass COVID-19-Leugner überproportional populistische Parteien unterstützen und Impfungen weitgehend ablehnen, verwenden wir regionale Informationen über die Stimmenanteile der größten populistischen Partei in Deutschland [gemeint ist das Abschneiden der AfD bei der EU-Wahl 2019] und den Anteil der gegen Masern geimpften Kinder als Kausalkette für einen potenziell hohen Anteil an COVID-19-Leugnern. Wir finden eine signifikante und beträchtliche Korrelation zwischen diesen Merkmalsausprägungen und den COVID-19-Infektionsraten, was darauf hindeutet, dass ein hoher Anteil an COVID-19-Verweigerern in einer Region die dortige Ausbreitung des Coronavirus begünstigen kann."

Die geografische Nähe von Sachsen oder Bayern zur Tschechischen Republik mit ihren hohen "Infektionsraten" zu dieser Zeit und dem regen Pendelverkehr wurde dabei explizit nicht zu den Berechnungen der Autoren hinzugezogen, obwohl es Hinweise zu einem erhöhten Fallzahlaufkommen dadurch gibt.

Auch der Umstand, dass vermutlich eine nicht unerhebliche Anzahl an Demonstranten mit anderen Verkehrsmitteln angereist war, spielte in der Studie ebenfalls keine Rolle.

Lange und Monscheuer verwiesen in ihrer Ausgangsthese zwar auf eine Studie des Soziologen Oliver Nachtwey, der in einer nicht repräsentativen Studie ermittelt hat, dass 14 Prozent der Querdenker bei der letzten Bundestagswahl die AfD gewählt hatten, erwähnten aber nicht, dass dort 21 Prozent die Grünen und 17 Prozent die Linke gewählt hatten. Die Autoren haben in ihrer Arbeit stattdessen ausschließlich die AfD im Fokus und kamen zu dem Ergebnis, dass "COVID-19-Leugner" signifikant zu regionalen Unterschieden in den "Infektionsraten" beitragen. Konkret legten sich die Autoren auf drei zu untersuchende Variablen fest:

"Genauer gesagt, verwenden wir räumliche Informationen der letzten EU-Wahlen (2019) über die Unterstützung von politischen Parteien, die die Bedrohung durch COVID-19 herunterspielen, den Anteil der gegen Masern geimpften Kinder und Daten über Honk-for-Hope-Bushaltestellen im Internet, von denen aus Demonstranten eine Fahrt zu den großen Anti-COVID-19-Demonstrationen in Leipzig und Berlin buchen konnten." 

Während der zweiten Coronawelle in Deutschland, als das individuelle Verhalten zu einem wichtigeren Faktor bei der Eindämmung der Krankheit geworden sei, verzeichneten Orte mit einer hohen Konzentration von "COVID-19-Leugnern" einen stärkeren Anstieg der COVID-19-Fälle, so die Autoren. Die Effekte seien in Regionen mit Bushaltestellen, in denen "Honk for Hope" hielt, am stärksten ausgeprägt, selbst in Kleinstädten mit weniger als 20.000 Einwohnern.

Dieser Befund steht im Einklang mit der Interpretation, dass Regionen mit dem höchsten Transportbedarf zu den Demonstrationen den höchsten Anstieg an COVID-19-"Infektionen" nach den Protesten aufweisen. Die Autoren schätzen, dass diese Gebiete zu einer um 35,9 Prozent höheren "Infektionsrate" bis zum Ende des Jahres 2020 beigetragen haben.

Dagegen verwiesen die Autoren auf bisherige Studien über den Einfluss von Black-Lives-Matter-Versammlungen auf die Ausbreitung von COVID-19 und stellten heraus, dass diese Demonstrationen, bei denen sich die Teilnehmer weitgehend an die Strategien zur Eindämmung des Coronavirus hielten, keinen oder nur einen geringen Einfluss auf COVID-19-Infektionen gehabt hätten. Lange und Monscheuer resümierten:

"Darüber hinaus zeigt unsere Ereignisstudie große negative Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit, wenn sich COVID-19-Gegner bei Massenkundgebungen versammeln. Unsere kausalen Schätzungen legen nahe, dass zwischen 16.000 bis 21.000 COVID-19-Infektionen hätten verhindert werden können, wenn die lokalen Behörden zwei groß angelegte Proteste gegen COVID-19 abgesagt hätten. Dieser Befund unterstreicht die Gesundheitskosten, die dann entstehen, wenn man COVID-19-Leugner ohne (durchsetzbare) Strategien zur Eindämmung des Coronavirus protestieren lässt. Insgesamt dokumentiert unsere Studie, dass eine radikale Minderheit ein erhebliches Risiko für die Gesamtbevölkerung darstellen kann."

Das Papier endet mit dem Hinweis:

"Diskussionspapiere sollen Ergebnisse der ZEW-Forschung zeitnah anderen Ökonomen zur Verfügung stellen, um Diskussionen und Überarbeitungen anzuregen. Für den Inhalt sind allein die Autoren verantwortlich, die nicht notwendigerweise die Meinung des ZEW widerspiegeln."

Auf die Nachfrage des RT-Redakteurs Florian Warweg auf der Bundespressekonferenz an Pressesprecher Hanno Kautz (Bundesministerium für Gesundheit), inwiefern denn die wissenschaftliche Wertigkeit dieses nicht peer-reviewten und von Nicht-Medizinern verfassten sowie in keinem Journal veröffentlichten Diskussionspapiers einzuordnen sei, gab es keine direkte Antwort, sondern nur den Verweis zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen auf das RKI.

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