Deutschland

Sinkende Zustimmung der Bevölkerung zu Lockdown-Maßnahmen – Kritik an 50er-Inzidenzwert

Während Wirtschaftsminister Altmaier eine Verlängerung des Lockdowns bis Ostern für möglich hält, sinkt laut einer aktuellen Umfrage die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung zu der Maßnahme. Zugleich wächst die Kritik am Krisenmanagement der Regierung. Deren Festlegung auf einen Inzidenzwert von unter 50 steht ebenfalls in der Kritik.
Sinkende Zustimmung der Bevölkerung zu Lockdown-Maßnahmen – Kritik an 50er-InzidenzwertQuelle: www.globallookpress.com © Christian Ohde via www.imago-images.de

Der von Bund und Ländern verhängte Lockdown zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gilt bis zum 14. Februar. Am Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kabinett mit den Ministerpräsidenten der Länder die weitere Strategie beraten. Die wohl wichtigste zu klärende Frage: Wird der Lockdown gelockert, einfach verlängert oder gar verschärft?

Angesichts sinkender Infektionszahlen und Inzidenzwerte wächst bei vielen Menschen die Hoffnung, dass es zu Lockerungen kommen könnte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht die Zeit dafür jedoch noch nicht gekommen: "Wir dürfen uns nicht öffentlich mit Lockerungs-Fahrplänen überbieten", sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. Die Zahl der Neuinfektionen sei derzeit kaum niedriger als Ende Oktober, als der Lockdown begann. "Erst seit gut zwei Wochen sinkt sie kräftig, die Todeszahlen sind immer noch sehr hoch", begründete der Minister seine Skepsis gegenüber Lockerungen.

Es könne allenfalls regionale Erleichterungen geben, wenn in den Bundesländern weite Bereiche sehr niedrige Infektionszahlen hätten. Laut Altmaier kann der Lockdown noch bis Ostern andauern. Letztlich hoffe er, "dass wir spätestens zum Frühlingsanfang, spätestens an Ostern, wenn die Sonne scheint und man draußen sitzen und speisen kann, die Pandemie-Welle endgültig gebrochen haben und Öffnungen möglich sind".

Umfrage: Sinkende Zustimmung zum Lockdown – Wachsende Kritik am Krisenmanagement

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ist die Zustimmung der Bevölkerung für die Lockdown-Maßnahmen deutlich gesunken. Anfang Januar – vor der letzten Verlängerung des Lockdowns – waren noch fast zwei Drittel (65 Prozent) für eine Beibehaltung oder Verschärfung der Maßnahmen.

Inzwischen ist die Bevölkerung zweigeteilt: 37 Prozent sind der aktuellen Umfrage zufolge für eine Verlängerung der bisherigen Einschränkungen über den 14. Februar hinaus, weitere 13 Prozent sind sogar für eine Verschärfung. Dagegen sind 30 Prozent für eine Lockerung und 13 Prozent für eine komplette Rückkehr zur Normalität. 7 Prozent machten keine Angaben.

Bei den Wählern der Grünen ist die Akzeptanz der geltenden Einschränkungen am größten. 64 Prozent von ihnen sind für eine Beibehaltung oder Verschärfung. Dahinter folgen die Anhänger von SPD (57 Prozent), CDU/CSU (56) und FDP (51). Nur von den Wählern der Linken (49 Prozent) und der AfD (33) sind weniger als die Hälfte für eine unveränderte Verlängerung oder Verschärfung des Lockdowns.

Die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung in der COVID-19-Pandemie wächst unterdessen. Nur noch 50 Prozent der Befragten bewerten das Regierungshandeln sehr positiv oder eher positiv. Im Oktober waren es noch 57 Prozent, während der ersten Corona-Welle im April sogar 67 Prozent. Heute zeigen sich 19 Prozent "sehr unzufrieden" mit dem Krisenmanagement und weitere 26 Prozent "eher unzufrieden". 5 Prozent machen keine Angaben.

Die Verteilung nach Parteipräferenz fällt in dieser Frage ähnlich aus wie bei der Frage zu den Lockerungen: Am größten ist die Zufriedenheit mit der Regierungsarbeit noch bei den Anhängern der CDU/CSU (70 Prozent) vor den Wählern der Grünen (67), der SPD (57) und der FDP (54). Von den Wählern der Linken bewerten dagegen nur 45 Prozent das Krisenmanagement positiv, bei den AfD-Wählern sind es lediglich 16 Prozent.

Festlegung auf 50er-Inzidenzwert in der Kritik

Bei der Frage nach einer Lockdown-Verlängerung spielt der sogenannte Inzidenzwert eine entscheidende Rolle. Ziel der Bundesregierung ist es, die Inzidenz auf unter 50 zu drücken, also auf weniger als 50 positiv auf das Coronavirus Getestete je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Nur dann seien die Gesundheitsämter in der Lage, Infektionsketten wieder zuverlässig nachzuverfolgen.

Doch gegen die 50er-Zielmarke gibt es nun verstärkt Einwände. So erklärten mehrere Bürgermeister deutscher Großstädte, eine Kontaktnachverfolgung sei auch dann möglich, wenn der Inzidenzwert über 50 liege. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte der Welt am Sonntag, dass man in ihrer Stadt seit Monaten in der Lage sei, trotz Werten über 50 sowohl die positiv Getesteten als auch die Kontaktpersonen "innerhalb von 24 Stunden zu kontaktieren und Quarantäneanordnungen zu verhängen".

Ähnliche Angaben machten auch Stadtoberhäupter aus München, Leipzig und Düsseldorf. Bremens Bürgermeister sagte der Zeitung, seine Stadt könne alle Kontakte nachverfolgen – trotz einer Inzidenz von aktuell 71,2.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, verwies in diesem Zusammenhang auf die schnelle Einführung von IT-Lösungen in Großstädten: "Die dortigen Lösungen laufen rund und befähigen die Gesundheitsämter dieser Städte schon jetzt, auch bei einer Inzidenz weit über 50 die Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten. Das wird nur in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen."

Dedy räumte allerdings ein, dass bundesweit nicht alle Ämter bei hohen Inzidenzen so umfassend agieren könnten.

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) halten die derzeit genutzte 7-Tage-Inzidenz ohnehin als untauglich, um als Steuerungsmechanismus zu dienen. In einer am Freitag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung schreiben die Verbände:

"Die derzeit benutzte 7-Tage-Inzidenz der gemeldeten Neuinfektionszahlen ist als Steuerungsmechanismus untauglich. Ein neuer Index muss transparent und belastbar politische Entscheidungen begründen können; in diesen Index eingehen müssen Daten der Überlastung des Gesundheitssystems mit Nennung von Zahlen zur Hospitalisierung, Intensivbettenbelegung und zu Todesfällen."

Die DGPI und die DKGH unterstützen daher "nachdrücklich" die Position des Deutschen Ethikrates, "der die Rücknahme der die Freiheitsrechte einschränkenden Schutzmaßnahmen an eben diese Parameter und nicht an die Zahl der Infektionsfälle (7-Tage-Inzidenz) einfordert". 

Der weitere Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen von Kindern und Jugendlichen in Corona-Zeiten sollte zudem oberste Priorität haben, fordern die beiden Gesellschaften. Er könne mit einem ausreichenden Maß an Sicherheit und Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Kinder in diesen Einrichtungen seien keine Treiber der Pandemie.

In der Vergangenheit seien die weitreichenden Folgen der Schließung von Kitas und Schulen zu wenig berücksichtigt worden, kritisieren die beiden Gesellschaften. Für Kinder und Jugendliche seien diese Einrichtungen systemrelevant. "Schulschließungen können nur das letzte Mittel sein", heißt es in der Erklärung.

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(rt/dpa)

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