"Gefährlicher als Corona-Leugner" – Spiegel geht auf renommierte Virologen los
Die renommierten Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit gehören zu jenen Vertretern der sogenannten "Corona-Maßnahmen-Kritiker", die trotz ihrer geäußerten Ansichten nach wie vor eine hohe Reputation genießen. Nun widmete sich der Spiegel den beiden Wissenschaftlern.
Vor wenigen Tagen führten die Spiegel-Redakteurinnen Rafaela von Bredow und Veronika Hackenbroch mit dem Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, ein ausführliches Interview. Eingangs wird Drosten etwa gefragt, für wie gefährlich er die nun aufgetauchten Virusmutanten halte.
Der laut Welt "wichtigste Gewährsmann" des Regierungskurses in Sachen Corona-Maßnahmen verweist auf neue Studienergebnisse aus Oxford, wonach die "Mutante bis zu 35 Prozent infektiöser ist als der Wildtyp des Virus". Drosten zeigt sich besorgt.
"Wir sollten versuchen, durch die Verschärfung des Shutdowns auf einen Wert von 0,7 zu kommen. Dann halbieren sich die Fallzahlen in nur einer Woche, und man kann es schaffen, sie so stark zu senken, dass wir die Ausbreitung von B.1.1.7 stoppen oder uns zumindest einen Vorsprung verschaffen können."
Die Spiegel-Redakteurinnen wollen daher von dem Virologen erfahren, ob er ebenfalls für die sogenannte "Zero-COVID-Strategie" plädiere. Laut Drosten ist es "absolut erstrebenswert, jetzt auf die Null zumindest zu zielen". Ansonsten hege er "schlimme Befürchtungen" dahingehend, "was sonst im Frühjahr und Sommer passieren könnte".
So sei davon auszugehen, dass "wenn die alten Menschen und vielleicht auch ein Teil der Risikogruppe" erst einmal geimpft seien, ein enormer gesellschaftlicher, politischer "und vielleicht auch rechtlicher Druck" die Politik dazu verleiten könnte, "die Corona-Maßnahmen zu beenden".
"Und dann werden sich innerhalb kurzer Zeit noch viel mehr Leute infizieren, als wir uns das jetzt überhaupt vorstellen können. Dann haben wir Fallzahlen nicht mehr von 20.000 oder 30.000, sondern im schlimmsten Fall von 100.000 pro Tag."
Für das Frühjahr gibt Drosten folglich keine Entwarnung. Er gehe eher von einem Szenario wie in Spanien 2020 oder nun in Südafrika aus. In Spanien seien die Fallzahlen nach Beendigung des Lockdowns schnell wieder angestiegen, "obwohl es sehr heiß war". In Südafrika, wo aktuell Sommer herrscht, bewegten sich die Fallzahlen auf "hohem Niveau".
Dann wird es persönlicher, und die Spiegel-Journalistinnen wollen erfahren, warum Drosten nach eigener Aussage "total übermüdet" sei.
"Weil Sie bis spät in die Nacht Politiker beraten haben?"
Und nachdem noch nachgefragt wird, wie es der Corona-Berater der Bundesregierung eigentlich schaffe, "Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen" (worauf Drosten aber nicht antworten mag), kommt man schließlich auf die Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit zu sprechen. Ebenfalls auf persönlicher Ebene, aber wenig zimperlich heißt es da:
"Einen größeren Schaden als Corona-Leugner haben im vergangenen Jahr wohl Experten angerichtet, die immer wieder gegen wissenschaftlich begründete Maßnahmen argumentiert haben, zum Beispiel Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck."
Dass man aus "diesem Lager" höre, dass es Priorität habe, die Risikogruppen zu schützen, ist nach Ansicht der Journalistinnen vollkommen absurd, denn längst sei "klar, dass das bei hohen Fallzahlen nicht funktioniert". Also wollen sie von Drosten wissen:
"Wann platzt Ihnen der Kragen?"
Drosten protestiert nicht gegen die Unterstellung der Unwissenschaftlichkeit und den Vergleich von Kollegen mit sogenannten "Corona-Leugnern", sondern erwidert:
"Wollen Sie, dass ich jetzt Kollegen namentlich kritisiere? Ich halte nichts davon, ad personam zu gehen."
Tatsächlich argumentierte Streeck erneut vor wenigen Tagen, dass die Menschen in Alten- und Pflegeheimen "das höchste Risiko" besäßen.
"Hier setzt auch die neue Impfstrategie an: Es werden bevorzugt die Älteren zuerst geimpft, nämlich diejenigen, welche das höchste Risiko haben, an einer COVID-19-Erkrankung zu versterben."
Und sowohl Streeck als auch Schmidt-Chanasit sind bei Weitem nicht die einzigen namhaften Experten, die einen besseren Schutz von Risikogruppen fordern, zusätzlich zu allgemeinen Corona-Maßnahmen.
Doch den beiden Spiegel-Angestellten geht es um "Grundsätzliches". Schließlich erweckten viele "solcher Experten" den Eindruck, "in der Wissenschaft gehe es bloß um Meinungen – und nicht um Evidenz". Das untergrabe "die Glaubwürdigkeit von sauber arbeitenden Forscherinnen und Forschern".
Er versuche, "mit Fakten zu überzeugen", steigt Drosten ein. Und nun beherrscht das Thema "Corona-Leugner" endgültig das Interview. Drosten:
"Dazu übrigens ganz konkret: Nach dem, was ich höre, wird die Infektionssterblichkeit in Deutschland – also der Prozentsatz der SARS-CoV-2-Infizierten, der in Deutschland verstirbt – wohl mit über 1,1 Prozent veranschlagt. Das ist mehr als zehnmal so viel wie bei der Grippe."
Jemand, dem aufgrund der vermeintlich wissenschaftlichen Expertise der Spiegel-Journalistinnen in der Tat der Kragen platzte, war FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Auf der Plattform Facebook schrieb er am Samstag:
"Zwei Redakteurinnen des 'Spiegels' haben die Virologen Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck frontal angegriffen und erklärt, sie seien gefährlicher als Corona-Leugner."
"Wenn sich Journalisten als Richter über 'die' Wissenschaft verstehen und angeblich wissen, was richtig und falsch" sei, so Kubicki, "dann befördern sie selbst eine Lagerbildung und Wagenburgmentalität".
"Die Mehrheit der an und mit Corona gestorbenen Menschen kommt aus diesen Einrichtungen [Alten- und Pflegeheimen]. Diese Position hat die Bund-Länder-Runde erst im Dezember übernommen, nachdem dort schon viel zu viele Menschen gestorben sind."
Doch wie Bild auf Anfrage erfahren haben will, bekräftigt man beim Spiegel den Haltungsjournalismus in den eigenen Reihen. So sei es nun einmal so, dass wenn Experten Aussagen tätigen, die "wissenschaftlich nicht oder nur schlecht belegt sind", sie "automatisch mehr Schaden" anrichteten als Corona-Leugner – und zwar, weil sie eine "hohe Glaubwürdigkeit" besäßen.
Laut Spiegel-Sprecherin verhinderten "solche Experten, die beispielsweise die Gefährlichkeit der Lage unterschätzen und sich dahingehend äußern, ohne dass sie ihre Aussagen mit Evidenz belegen können, (...) dass Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung getroffen werden". Es gehe nicht um "Bauchgefühl und Meinung", sondern um "Wissen und Evidenz".
Anschließend lässt die Sprecherin auf einen gewissen Korpsgeist rückschließen, als sie im Namen der mit Stand 2019 1.155 Spiegel-Vollzeitbeschäftigten spricht, die sich auf die Redaktionen, Dokumentation, redaktionelle Dienste und Verlagsabteilungen des Spiegel-Verlags und die Tochterunternehmen verteilen.
"Wir", so die Spiegel-Sprecherin demzufolge gegenüber Bild, "halten eine solche Entwicklung (...) in der Tat für einen dramatischen Schaden". Doch mehr als Bauchgefühl und Meinung wird nicht präsentiert.
So liefern weder die Spiegel-Journalistinnen noch die Sprecherin des Medienunternehmens in ihrer ausführlichen Stellungnahme einen Beleg für die diffamierenden Unterstellungen der Unwissenschaftlichkeit.
Es mag zwar nur eine Randerscheinung sein, und doch scheint es sie beim Spiegel zu geben: die Köpfe, die hin und wieder vom "Wir" abweichen. So etwa die Journalistin Lydia Rosenfelder. In Anbetracht des vergangenen Corona-Gipfels zwischen Bund und Ländern gab sie am 18. Januar in einem Kommentar zu bedenken, dass der "Sinn von Expertenanhörungen" eigentlich darin liegen sollte, "dass verschiedene Seiten ihre Sicht auf die Dinge darstellen können".
Bei "diesem für das Land existenziellen Thema" entscheide jedoch "letztlich das Kanzleramt darüber, wer eingeladen wird – und wer nicht".
"Es sieht so aus, als wäre hier vor allem jene Expertise gefragt, die Merkels Regierungskurs unterstützt: die Verschärfung der Maßnahmen."
Die Zusammensetzung des Expertengremiums sei also alles andere als das Ergebnis eines "demokratischen Abstimmungsprozesses".
Der ehemalige SARS-Forschungskoordinator der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Klaus Stöhr, der "für differenziertere Maßnahmen, insbesondere einen deutlich stärkeren Schutz der Risikogruppen" eintrete, habe es indes "nicht auf die Einladungsliste" geschafft.
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