Deutschland

Experte: Bundesregierung spielt negative Folgen von Russland-Sanktionen herunter

Ein Regierungsbericht kommt zu dem Schluss, dass Russland-Sanktionen für den Rückgang des deutsch-russischen Handelsvolumens nicht ausschlaggebend gewesen seien. Der Bericht lasse jedoch die stark betroffenen Ost-Bundesländer außer Acht, meint der Russland-Experte Reinhard Lauterbach.
Experte: Bundesregierung spielt negative Folgen von Russland-Sanktionen herunterQuelle: www.globallookpress.com © Rainer Weisflog/imago stock&people

Das Wirtschaftsministerium weist in einem Bericht darauf hin, dass das Handelsvolumen zwischen Russland und Deutschland schon vor dem ersten Sanktionsbeschluss der EU im Jahr 2013 abgenommen habe. Das gelte auch für die Zahl der Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in Russland. Als wesentliche Faktoren für die Abschwächung der Konjunktur in Russland nennt der Bericht den Ölpreisverfall und strukturelle Schwächen. "Die EU-Sanktionen tragen somit zur Fortsetzung eines bereits bestehenden Trends bei, sind aber selbst kein ausschlaggebender Faktor für den Rückgang der Handelsbeziehungen."

Doch andere Studien kommen auf höhere Einbußen. Laut einer Untersuchung des Münchner ifo Instituts ging seit 2014 der Handel zwischen Russland und der EU um 32 Prozent beim russischen Import und 24 Prozent beim russischen Export zurück; in absoluten Zahlen lägen die Werte bei minus 115 bzw. 100 Milliarden Euro. In diesem Jahr kamen die Auswirkungen der Corona-Krise hinzu und führten laut Ostausschuss der deutschen Wirtschaft zu einem Rückgang des deutsch-russischen Geschäftsvolumens um 24 Prozent auf 22 Milliarden Euro. Anfang der 2010er-Jahre hatte das Handelsvolumen noch bei 80 Milliarden Euro gelegen. Auf diese Zahlen weist der Russland-Experte Reinhard Lauterbach in einem Artikel der Tageszeitung junge Welt hin. 

Außerdem würden die Daten des Wirtschaftsministeriums verbergen, dass einzelne deutsche Regionen vom Einbruch des Russland-Handels stärker getroffen wurden als andere. Das gelte vor allem für Ostdeutschland und hier für die stärker industrialisierten Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Sachsen ging nach Angaben der Dresdener Filiale des ifo Instituts, die Anfang Dezember in einem Beitrag des MDR zitiert wurden, der Export nach Russland um zwei Drittel zurück: von 4,2 Prozent der Gesamtexporte 2013 – auch dies ein überdurchschnittlicher Wert – auf zuletzt noch 1,4 Prozent. Nicht alles an diesem Rückgang sei dagegen offenbar Folge der Sanktionen wie im Fall der Chemnitzer Maschinenbaufirma Maveg, deren Werkzeugmaschinen wegen möglicher militärischer Nutzung seit 2015 nicht mehr nach Russland exportiert werden dürfen.

"Die Ifo-Studie beziffert den möglichen Aufschwung im Russland-Handel, wenn alle Sanktionen der EU aufgehoben werden sollten, auf knapp 16 Prozent. Ausgehend vom aktuellen Umsatz von 22 Milliarden Euro wären das also maximal vier Milliarden."

Der Experte kommt zu dem Schluss, dass die Bundesregierung die Folgen der Russland-Sanktionen in ihrem Bericht absichtlich minimiert, um den Druck der Sanktionsgegner aus den Segeln zu nehmen. Außerdem hätte sich die BRD aus der Position eines privilegierten Außenhandelspartners für Russland freiwillig hinausmanövriert. Denn in die Lücke, die die EU mit ihren Sanktionen geschaffen habe, seien längst andere Konkurrenten getreten, vor allem aus China.

"Dass die Sanktionen ihr politisches Ziel, Russland zur Rückgabe der Krim an die Ukraine zu veranlassen, verfehlt haben, sieht jeder. Das wird nun so dargestellt, dass sie aber auch der eigenen Seite kaum schadeten", so Lauterbach. 

Vertreter der Deutschen Wirtschaft haben eine ähnliche Einschätzung. Allein in Sachsen sei das Außenhandelsvolumen mit Russland um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. In Sachsen-Anhalt und Thüringen seien es etwas mehr als 30 Prozent gewesen. Verboten ist vor allem der Handel mit Maschinen, die theoretisch auch für die militärische Nutzung umfunktioniert werden könnten. Das habe Sachsen besonders hart getroffen, meint der Vorsitzende des Ost-Ausschusses Oliver Hermes.

"Der starke Rückgang des Russland-Handels in einigen ostdeutschen Bundesländern wie Sachsen ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass viele ostdeutsche Unternehmen – insbesondere im Maschinenbau – traditionell stark im Russland-Geschäft engagiert sind", sagte er dem MDR

Die in Russland ansässigen deutschen Unternehmen seien nicht müde zu betonen, dass sie sich den Abbau der Russland-Sanktionen wünschen. Dafür würden 89 Prozent ihrer Mitglieder eintreten, wie die Deutsch-Russische Auslandhandelskammer in einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Presseerklärung mitteilte. Damit bleibt der Wert im Vergleich zu den Vorjahren fast unverändert. 

70 Prozent der Umfrageteilnehmer sehen eine Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen im letzten Jahr. Im Vorjahr lag der Wert noch bei acht Prozent. "Das ist ein dramatischer Wert", sagt Hermes.

"Dieser Entwicklung dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Die Verständigung zwischen Russland und Deutschland muss jenseits aller Differenzen in beiden Ländern Staatsräson bleiben. Umso wichtiger sind in dieser Situation der Ausbau der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit", so Hermes weiter.

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