Deutschland

Entscheidungen zu Corona-Maßnahmen in Bayern nicht aktenkundig

Eingriffe in Grundrechte müssen gut begründet und verhältnismäßig sein. Ein Rechtsstreit brachte nun hervor, dass die bayerische Staatsregierung offenbar nicht dokumentiert hat, auf welcher Basis ihre Entscheidung für Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr erfolgt war.
Entscheidungen zu Corona-Maßnahmen in Bayern nicht aktenkundig© POOL

Die Eingriffe in Grundrechte im Rahmen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wurden und werden von vielen als drastisch empfunden. Gerade die Einschränkung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit – das Berliner Demonstrationsverbot lässt grüßen – steht immer wieder besonders im Zentrum der Kritik. Dabei stellt sich regelmäßig auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen.

Grundrechte sind in Deutschland nämlich verfassungsrechtlich verbrieft. Juristisch ist dies gegenüber sogenannten einfachen Gesetzen noch einmal eine ganz besondere Hürde. Die Einschränkung von Grundrechten darf daher – wenn überhaupt – nur unter ganz bestimmten Bedingungen geschehen. Und genau hier kommt die Verhältnismäßigkeit ins Spiel. Lässt sich diese nämlich nicht begründen, steht letzten Endes auch die Rechtmäßigkeit einer Anordnung in Zweifel.

Die Mainzer Rechtsanwältin Jesssica Hamed vertrat bzw. vertritt Kläger gegen insgesamt fünf verschiedene Landesregierungen zu dieser Thematik. In Bayern war sie zunächst mit Eilanträgen zu den Verordnungen des Freistaats vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht (VGH) gescheitert. Nun aber geht es um das Hauptverfahren. Hamed beantragte Einsicht in Akten, Dokumente und Vorgänge des Gesundheitsministeriums, die nachvollziehbar machen, auf welcher Basis die Entscheidung für die Ausgangsbeschränkungen zustande kam.

Die Antwort dürfte jeden überraschen, der einmal mit Verwaltung zu tun gehabt habt: Es gibt keine Akte. Die Begründung hierfür lieferte das Ministerium nach Informationen von sueddeutsche.de in einem Schreiben an den VGH. Demnach sei es nicht möglich, eine "Behördenakte vorzulegen, die ein umfassendes Bild über die Erkenntnisse liefern könnte, welche bei der Meinungs- und Willensbildung der Staatsregierung (...) Berücksichtigung fanden".

Nach Aussage eines Mitarbeiters von Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) wurden als Hauptquellen für die Einschätzung der Pandemie die täglichen Lageberichte des Robert Koch-Instituts und des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, dazu wissenschaftliche Studien und Presseberichte sowie Gespräche mit Virologen und anderen Experten herangezogen. Eine aktenmäßige Erfassung habe "nicht im Einzelnen erfolgen" können, wird er auf sueddeutsche.de zitiert. Bei anderen von Hamed geführten Klagen sei dies nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) jedoch anders gewesen.

Laut dem Staatssekretär im bayerischen Gesundheitsministerium Klaus Holetschek (CSU) waren die medizinischen Grundlagen der staatlichen Maßnahmen in der Krise "offensichtlich". Holetschek sagte dem BR:

Transparenz wurde ja hergestellt. Und ich glaube, es gibt auch Dokumente, die das beweisen. Es geht doch um die Grundsatzfrage. Wir sind in einer Pandemie, für die es keine Blaupause gab. Weltweite Ansteckungen. Da war Handeln gefordert. Und die Basis sind die Berichte der Wissenschaftler, der Mediziner, die öffentlich zugänglich waren. Und deswegen kann ich die Diskussion über Akten nicht verstehen. Politik muss für die Menschen handeln und für die Menschen da sein.

Bayern sei dem Rechtsstaatsprinzip verpflichtet. Das bedeute, dass Verordnungen auf einer sachlichen und nachvollziehbaren Grundlage erlassen werden müssen, so Hamed nach Informationen von sueddeutsche.de. Den Umstand, dass es in Humls Ministerium keine Akten oder andere Dokumente über die inhaltliche Entscheidungsgrundlage für die massiven Ausgangsbeschränkungen geben solle, bezeichnete die Rechtsanwältin demnach als "unfassbar, zweifelhaft und skandalös". Hamed sagte dem BR:

Was uns jetzt nicht möglich ist, ist, überhaupt festzustellen: Was war denn die Entscheidungsgrundlage? Von welcher Gefahrenprognose ist denn der bayerische Staat ausgegangen? Und – das ist der nächste Schritt, so wird eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nämlich letzten Endes gemacht: Hat der Staat überhaupt erkannt, dass er hier abwägen muss? Und wenn ja, mit welchen Belangen?

Staatsrechtler Prof. Gerrit Manssen von der Universität Regensburg kommentiert den Vorgang gegenüber dem BR so:

Ausdrückliche gesetzliche Anweisungen [zu einer Dokumentation] gibt es keine. Aber es folgt natürlich aus der Grundrechtsbedeutung dieser Corona-Maßnahmen und auch aus den Anforderungen einer rechts-staatlichen Verwaltung, dass man Entscheidungsgrundlagen dokumentiert, um die Überprüfung durch die Gerichte hinterher auch möglich zu machen.

Nicht näher bezeichnete "Personen, die mit den Abläufen in Ministerien vertraut" sind, werden von sueddeutsche.de zitiert. Demnach sei es "relativ unmöglich, dass ein Vorgang durchs Haus geht, ohne dass jemand seinen Namen daruntersetzt". Allerdings gebe es zwar vielleicht "keine klassischen Akten mit Aktenzeichen", jedoch "garantiert Mails und Vermerke". Welche Auswirkungen das Fehlen von Akten am Ende auf den Rechtsstreit hat, kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden.

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