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Weiter auf der Flucht: Wer ist der "Schwarzwald-Rambo" wirklich?

Er ist ein vorbestrafter Waffennarr, arbeits- und wohnungslos – aber laut seiner Mutter nicht gewalttätig: Der 31-jährige Yves R., der im Schwarzwald vier Polizisten entwaffnete, ist weiterhin auf der Flucht. Auch ein vermeintliches "Manifest" gibt keine Hinweise auf seinen Aufenthalt.
Weiter auf der Flucht: Wer ist der "Schwarzwald-Rambo" wirklich?© polizei-bw.de/Getty/Collage: RT Deutsch

Der seit Tagen gesuchte Yves R. aus Oppenau im Schwarzwald ist nach Angaben der Ermittler ein Waffennarr, hat aber wohl keinen extremistischen Hintergrund. Das sagte Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer am Dienstag und fügte hinzu: "Wir wissen nicht, was den Schuldigen bewogen hat, so zu handeln."

Der vorbestrafte Deutsche ohne festen Wohnsitz wurde am Sonntag in einer Hütte, in die er eingebrochen war, von der Polizei kontrolliert. Dabei bedrohte er vier Beamte unvermittelt mit einer Schusswaffe und nahm ihnen ihre Dienstwaffen ab. Seitdem ist der 31-Jährige verschwunden und nach ihm wird mit nationalem und europäischem Haftbefehl gesucht – wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung. Das Strafmaß für eine solche Tat liegt zwischen fünf und 15 Jahren Haft.

Nach den Worten Schäfers hat der Mann eine "große Affinität zu Waffen". Der Oberstaatsanwalt bezeichnete den 31-Jährigen als "Waffennarr". Er sei in der Schwarzwaldgemeinde bekannt und erscheine als etwas "seltsame Person". Er sehe sich als "Waldläufer", der gut allein in der Natur zurechtkomme. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der Gesuchte noch in der Region Oppenau aufhält. "Er lebt im Wald, er fühlt sich hier sicher", sagte Polizeipräsident Reinhard Renter. "Der Wald ist schlicht sein Wohnzimmer."

Mit Sportarmbrust auf Frau geschossen

Es werde weitere Durchsuchungen und verdeckte Maßnahmen geben, um den 31-Jährigen zu finden. Die Polizei richtet sich jedoch auf eine längere Fahndung ein. Renter betonte: "Wir haben einen langen Atem." Aktuell seien etwa 200 Polizisten im Einsatz. Am Montag hätten sogar bis zu 440 Beamte, darunter Spezialkräfte, das unwegsame und steile Waldgelände im Ortenaukreis durchsucht und das Städtchen Oppenau gesichert. Die Suche sei aber wegen des großen, unübersichtlichen und steilen Geländes schwierig.

Yves R. war nach Schäfers Worten nie in einem Schützenverein. Bereits 2010 sei ihm untersagt worden, Waffen und Munition zu besitzen. Den Ermittlungen zufolge geriet er schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt – unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. 2010 war er zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Er hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Pforzheim im Jahr zuvor mit einer Sportarmbrust auf eine Frau geschossen und diese schwer verletzt.

Im Herbst habe er seine Wohnung in Oppenau verloren und sei seitdem ohne festen Wohnsitz. Einen Beruf habe er gelernt, sei aber zuletzt arbeitslos gewesen. In der Gartenhütte habe er sich ohne Erlaubnis häuslich eingerichtet – daher habe der Besitzer die Polizei gerufen.

In der Hütte befanden sich ein Bogen und Pfeile sowie Munition. Als die Polizeibeamten ihn kontrollierten, habe der 31-Jährige hinter einem Tisch gesessen und einen entspannten Eindruck gemacht. Erst als die Beamten ihn aufforderten, die Hütte zu verlassen, und ihn durchsuchen wollten, habe der Mann plötzlich eine Schusswaffe gezogen und diese auf einen der Beamten gerichtet. Er forderte die Einsatzkräfte auf, ihre Waffen auf den Boden zu legen. Dann habe der Yves R. die Waffen an sich genommen und sei geflohen.

Eigener Fanklub auf Facebook

Damit sei die Lage zumindest für einen Kollegen lebensbedrohlich gewesen, so Renter. Nur durch das besonnene Verhalten der Polizisten habe es keine Verletzten gegeben. Die vier Beamten hätten somit bei der Kontrolle des Mannes "alles richtig gemacht".

Renter sagte: "Das höchste Gut ist unser Leben." Er zeigte sich verärgert über Kommentare in sozialen Netzwerken, in denen sich Nutzer über die Polizisten lustig gemacht hatten. "Ich verurteile das aufs Schärfste." Niemand könne sich in eine solche Situation hineinversetzen. "Die Beamten hatten Angst um ihr Leben", sagte Schäfer. Der bedrohte Polizist habe nach eigener Aussage jederzeit damit gerechnet, dass er "in dieser Hütte sterben könnte". Tatsächlich gibt es mittlerweile einen Fanklub auf Facebook, auf dem sich viele mit dem Gesuchten solidarisieren und sich zum Teil auch über die Beamten lustig machen.

Laut seiner Mutter, die sich gegenüber verschiedenen Medien äußerte, sei ihr Sohn nicht gewalttätig. Dem Nachrichtenportal Baden Online sagte sie: "Ich bin wie gelähmt, es ist unbeschreiblich, was hier passiert." In einem Gespräch mit der BILD-Zeitung hatte sie auch einen Ratschlag an die Polizei parat: "Sie sollte alle Kräfte abziehen. Nach ein oder zwei Tagen kommt er von ganz alleine aus dem Wald". Und weiter: "Natürlich hoffe ich, dass er da heil rauskommt. Aber ich hoffe auch, dass niemand sonst verletzt wird."

"Manifest" hilft nicht weiter

Die Polizei prüfte auch ein vermeintliches "Manifest" des 31 Jahre alten Deutschen. Es sei aber nicht gesichert, dass der Text tatsächlich von dem Mann stamme, sagte Polizeisprecher Yannik Hilger. Eine politische Richtung sei daraus nicht abzuleiten, es handele sich um einen Hinweis unter vielen. Der Text bestätige in erster Linie die Affinität des Mannes zum Wald, so Hilger.

Recherchen des SWR zufolge stammt das Manifest nicht von dem Flüchtigen. Demnach sei es 2005 von einem Mann in NRW verfasst worden, der mit zwei Bekannten eine Waldläufer-Gruppe ins Leben gerufen hatte. Der Mann, der heute mit seiner Familie im nordrhein-westfälischen Moers lebt, sagte gegenüber dem SWR: "Der Text ist von mir!", was wiederum ein anderes Gruppenmitglied von damals bestätigt haben soll.

Zuvor hatten Baden Online und die Bild-Zeitung über das Manifest berichtet, in dem es um Kritik an der Technisierung des Lebens und um das einfache Leben im Wald geht. Baden Online hatte gemeldet, der Text sei in einem Lokal in Oppenau hinterlegt worden.

Die Schulen in Oppenau wurden am Dienstag wieder geöffnet, wie Bürgermeister Uwe Gaiser sagte. Mit der Polizei war ein Sicherheitskonzept abgestimmt worden. Eltern durften selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken.

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