Social Scoring: Jeder sechste Deutsche würde Strafen für soziales Fehlverhalten begrüßen
von Timo Kirez
Eine Umfrage von YouGov und dem SINUS-Institut brachte einige überraschende Erkenntnisse zutage. Die repräsentative Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen, rund 68 Prozent, ein sogenanntes "Social-Credit-System", wie es in China ab 2020 landesweit einführt werden soll, ablehnen. Nur jeder Sechste, demnach 17 Prozent, könnte sich mit einem derartigen System anfreunden. Doch wenn es um die grundsätzliche Frage geht, ob soziales Verhalten bewertet werden soll, sehen die Zahlen plötzlich ganz anders aus.
Rund 40 Prozent der Deutschen fänden es gut, wenn sie das Verhalten ihrer Mitbürger bewerten könnten. Beachtliche 39 Prozent hätten auch gar kein Problem damit, wenn sie selbst durch Andere bewertet würden. Keine Meinung dazu haben lediglich 15 Prozent. Das Verblüffende: Unter der Prämisse, dass es in Deutschland ein soziales Bewertungssystem ähnlich dem in China gäbe, sähen rund 18 Prozent, also etwa jeder sechste Deutsche, kein Problem darin, Menschen mit niedriger Punktzahl zu sanktionieren, oder im Klartext: zu bestrafen. Zum Beispiel, in dem diese Menschen gewisse staatliche oder privatwirtschaftliche Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen könnten.
Die Umfrage bot zur Bewertung als mögliche Sanktionen an: Unternehmer sollten Kunden mit schlechtem Ranking ablehnen dürfen (36 Prozent), höhere Steuern (33 Prozent) und Geldstrafen (32 Prozent). Nicht unerwähnt sollte auch bleiben, dass sich mit 70 Prozent eine deutliche Mehrheit gegen derartige Sanktionierungen ausspricht. Für die Umfrage wurden 2.036 Personen ab 18 Jahren befragt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Gruppe innerhalb der Befragten sich verstärkt für die Idee, andere bewerten zu dürfen, ausgesprochen hat. Der Geschäftsführer des SINUS-Instituts, Manfred Tautscher, erklärte dazu:
Dieses Konzept findet mit 46 Prozent im Milieu der Performer den größten Anklang. Diese wirtschaftsnahe und effizienzgetriebene Leistungselite ist äußerst fortschrittsoptimistisch und schätzt es sehr, wenn das Leben durch technischen Fortschritt vereinfacht wird. Den geringsten Zuspruch erfährt dieses Instrument hingegen mit 28 Prozent im Milieu der Sozialökologischen. Diese engagierten Gesellschaftskritiker erkennen zwar die Chance, andere zu besseren Menschen zu 'erziehen', die Angst vor totaler Überwachung ist jedoch größer.
Mit anderen Worten, die ewigen "Selbstoptimierer" und Jünger der "Meritokratie" sind - wenig überraschend - auch diejenigen, die sich das Recht herausnehmen, andere nicht nur zu beurteilen, sondern auch bestrafen zu lassen. Und das, obwohl es ein objektives und allgemein gültiges Maß für "gute Leistung" oder auch "hohes Verdienst" de facto nicht geben kann. In der Regel gestalten die Eliten derartige "Maße" gerne selbst, was sie zum einen selbst legitimiert, und zum anderen - in letzter Konsequenz - die Gesellschaft in eine Oligarchie treibt. Auch wenig überraschend: Bei der Einschätzung, ob ein soziales Bewertungssystem in Deutschland eher für einen selbst oder für die ganze Gesellschaft von Vorteil wäre, ist knapp ein Viertel (23 Prozent) der Befragten der Ansicht, dass sie persönlich von solch einem System profitieren würden. Dass ein solches System hingegen auch Vorteile für die Gesellschaft haben könnte, glaubt nur jeder Zehnte (10 Prozent).
Im Generationsvergleich sind die Jüngeren (18 bis 24 Jahre) in Puncto "Social Scoring" besonders kritisch. Nur rund 30 Prozent in dieser Altersgruppe finden es gut, ihren Mitmenschen Punkte für soziales Verhalten zu geben oder geben zu lassen. Bei den höheren Altersgruppen steigt die Akzeptanz: 25 bis 34 Jahre: 41 Prozent, 35 bis 44 Jahre: 38 Prozent, 45 bis 54 Jahre: 41 Prozent, 55 Jahre und älter: 42 Prozent. Noch offener für die Bewertung von sozialem Verhalten als die Deutschen sind übrigens die Österreicher. Rund 54 Prozent der Österreicher würden sich von einem "Social-Scoring-System" persönliche Vorteile erwarten. Zudem haben in Österreich sogar 29 Prozent (im Vergleich zu den 18 Prozent in Deutschland) kein Problem mit der Sanktionierung von anderen Mitmenschen.
Dazu passt als Abschluss ein Bonmot des österreichischen Schriftstellers Robert Musil, der während eines Vortrages unter dem Titel "Über die Dummheit", mal sagte: "Handle, so gut du kannst und so schlecht du musst, und bleibe dir dabei der Fehlergrenzen deines Handelns bewusst!"
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