Digitalisierung auf dem Vormarsch – Ist das Smartphone unser neues Zuhause?
Smartphones gehören in der digitalisierten, westlichen Gesellschaft zum Alltag – in der beruflichen und privaten Kommunikation, zum Einkaufen und zur Unterhaltung. Eine aktuelle Studie der Universität London (UCL) geht noch einen Schritt weiter: Die Forscher argumentieren, das Smartphone sei mittlerweile "unser Zuhause" geworden. Die Menschen hätten ähnliche Gefühle für ihr Smartphones wie für ihr Zuhause.
In einer 16-monatigen Studie erforschte ein Team von Anthropologen der UCL die Smartphone-Nutzung in neun Ländern der Welt: Brasilien, Chile, China, Irland, Italien, Japan, Kamerun, Palästina und Uganda. Im Fokus standen dabei bewusst nicht Jugendliche, da die Forschung in dem Feld schon überrepräsentiert sei und nach Aussagen der Anthropologen den Blick auf das Phänomen Smartphone zu sehr auf diese Altersgruppe verengen würde. Stattdessen fokussierten sie sich auf ältere Erwachsene – "diejenigen, die sich weder als jung noch als alt definieren".
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Smartphones weit mehr als Werkzeuge für die Mehrheit der Menschen sind. Der Forschungsleiter Daniel Miller, Professor für Anthropologie an der UCL, macht laut einem Bericht des britischen Nachrichtenmagazins The Guardian deutlich:
"Das Smartphone ist nicht mehr bloß ein Gerät, das wir nutzen. Es wurde zu dem Ort, an dem wir leben."
Insbesondere die Messenger-Dienste nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Die Studie ergab, dass Apps wie WhatsApp in Brasilien, LINE in Japan oder WeChat in China zu so etwas wie "das Herz des Smartphones" wurden. Für viele Nutzer in allen untersuchten Regionen erfülle eine dieser Messenger-Dienste die wichtigste Funktion des gesamten Smartphones. Das seien die Orte, wo "Geschwister zusammenkommen, um gemeinsam für ihre hochbetagten Eltern zu sorgen", wo "stolze Eltern endlos viele Fotos ihrer Babys senden", wo man Oma oder Opa sein kann, "obwohl man in einem anderen Land lebt", erklärt Miller.
Die Anthropologen argumentieren, das Smartphone sei "das erste Objekt", das die Funktion des Hauses in Frage stellen könne – allein schon gemessen an der Zeit, in der die Menschen darin leben.
"Wir sind immer 'zu Hause' in unserem Smartphone. Wir sind zu menschlichen Schnecken geworden, die unser Zuhause in unseren Taschen tragen."
Kehrseiten der Smartphone-Lebensweise
Allerdings biete dieses Zuhause nicht den gleichen Schutz wie das erbaute Haus. Es bietet etwa keinen Rückzugsort vor beruflicher oder sozialer Interaktion – im Gegenteil. Es zeigte sich in der Studie die Tendenz, dass Angestellte häufiger auch nach Dienstschluss verfügbar sein müssen, oder dass etwa Schul-Mobbing auch nach dem Verlassen des Schulgebäudes nicht aufhört.
Der Anthropologe Daniel Miller sieht dies nur als eine von vielen Kehrseiten der sich entwickelnden Smartphone-Lebensweise. Als größte Gefahr sieht er aber den "Tod der Nähe", ein Phänomen, das auftrete, wenn Menschen von Angesicht zu Angesicht "in ihre Smartphones verschwinden" – bei einem gemeinsamen Essen, Treffen oder einer Aktivität. Miller erläutert:
"Dieses Verhalten und auch die Frustration, Enttäuschung oder sogar Beleidigung, die es auslösen kann, nennen wir den 'Tod der Nähe'. Wir haben es gelernt, mit der Gefahr zu leben, dass selbst, wenn wir körperlich zusammen sind, wir sozial, emotional und beruflich allein sein können."
Die Zahl der weltweit genutzten Smartphones ist in den vergangenen Jahren sukzessive gestiegen. Das Unternehmen Statista zählt für das Jahr 2020 etwa 3,5 Milliarden Smartphone-Nutzer. 2018 waren es noch drei Milliarden, 2016 unter 2,5 Milliarden. Weltweit wurden 2020 1,28 Milliarden Smartphones verkauft. In Deutschland waren es 22,1 Millionen Stück.
Es gibt zahlreiche Studien zu den Auswirkungen der Smartphone-Nutzung auf die Kommunikations- und Konzentrationsfähigkeit. Exemplarisch lässt sich auf ein Interview des Hirnforschers Martin Korte, Professor für Neurobiologie an der Technischen Universität Braunschweig, verweisen, das er im November 2020 dem RedaktionsNetzwerk Deutschland gegeben hat. Korte verweist darauf, dass Menschen durch die Nutzung der digitalen Medien "einen Großteil des Tages im Multitaskingmodus" verbringen. Oft liege das Smartphone ständig in Reichweite und blinke oder vibriere, wenn Nachrichten kämen. Studien würden belegen, dass "diese ständige Alarmbereitschaft des Gehirns unserem Konzentrationsvermögen nicht guttut. Die Konzentrationsspanne wird kürzer und die Ablenkbarkeit höher".
Korte argumentiert, die digitalen Medien seien nicht per se ein Problem, "sondern ihre ständige Präsenz", wodurch das Gehirn gezwungen werde, permanent seine Aufmerksamkeit zu teilen. Selbst "ein ausgeschaltetes Handy in unserem Blickfeld" beeinträchtige die Konzentrationsfähigkeit, "weil ein Teil unserer Aufmerksamkeit immer dafür reserviert wird". Einen deutlichen Schaden weise etwa die Sprachentwicklung auf. Der Hirnforscher erläutert:
"Eine Studie zeigt, dass Kleinkinder, die viel Zeit an Bildschirmen verbringen, nicht nur einen kleineren Wortschatz haben und sich schlechter ausdrücken können als Kinder, die sich zum Beispiel viel im Freien bewegen, sondern es lassen sich auch negative strukturelle Veränderungen im Gehirn beobachten."
Die meisten Studien datieren auf Material vor der Corona-Krise – so auch die UCL-Studie, deren Daten im Zeitraum von Februar 2018 bis Juni 2019 erhoben wurden. Aus Medienberichten lässt sich einsehen, dass die Nutzung von Smartphones und digitaler Medien während des Lockdowns in Deutschland deutlich gestiegen ist. Vergleichbare Daten dürften sich auch in anderen Ländern mit Lockdown-Perioden zeigen. Die Folgen sind bislang nur zu erahnen, so warnt etwa der Bayerische Rundfunk vor einer möglichen Zunahme der Kurzsichtigkeit bei Kindern aufgrund des Lockdowns.
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