Gesellschaft

"Botschaft der Gerechtigkeit" – UN-Sonderberichterstatter bittet Trump um Assanges Begnadigung

Auf der Webseite des UN-Menschenrechtskommissars bittet Nils Melzer, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter, den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump in einem offenen Brief um eine Begnadigung des WikiLeaks-Mitbegründers Julian Assange.
"Botschaft der Gerechtigkeit" – UN-Sonderberichterstatter bittet Trump um Assanges BegnadigungQuelle: Reuters © Denis Balibouse

"Herr Präsident, respektvoll erbitte ich heute von Ihnen, dass Sie Herrn Julian Assange begnadigen." So beginnt der offene Brief an US-Präsident Donald Trump, den Nils Melzer, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter und andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung und Bestrafung, verfasst hat. Für eine Begnadigung Assanges führt Melzer viele gute Argumente an. Die wichtigsten sind Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Den auf der Webseite des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen auf Englisch veröffentlichten Brief können Sie hier in deutscher Übersetzung lesen.

"Herr Präsident, respektvoll erbitte ich heute von Ihnen, dass Sie Herrn Julian Assange begnadigen.

Herr Assange war in den vergangenen zehn Jahren willkürlich seiner Freiheit beraubt. Dies ist ein hoher Preis für den Mut, wahre Informationen über das Fehlverhalten von Regierungen auf der ganzen Welt zu veröffentlichen.

Ich habe Herrn Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London besucht, zusammen mit zwei unabhängigen Ärzten. Und ich kann bestätigen, dass sich sein Gesundheitszustand ernsthaft verschlechtert hat, bis zu einem Punkt, an dem sein Leben jetzt in Gefahr ist. Kritisch ist dabei, dass Herr Assange erwiesenermaßen an einer Atemwegserkrankung leidet, die ihn extrem anfällig für die COVID-19-Pandemie macht, die kürzlich in dem Gefängnis, in dem er festgehalten wird, ausgebrochen ist."

"Kein Feind des US-amerikanischen Volkes"

Die journalistische Arbeit, die Assange als Chefredakteur von WikiLeaks leistete, darf ihm nicht zum Verhängnis werden. Dies ist ein wichtiger roter Faden, der sich durch mehrere Argumente Melzers zieht, den der UN-Sonderberichterstatter einem möglichen falsch verstandenen Patriotismus entgegenhält. Außerdem genügten die Veröffentlichung auf WikiLeaks stets hohen Standards der journalistischen Ethik:

"Ich bitte Sie, Herrn Assange zu begnadigen, denn er ist kein Feind des US-amerikanischen Volkes und war es auch nie. Seine Organisation WikiLeaks bekämpft Vertuschung und Korruption auf der ganzen Welt und handelt daher im öffentlichen Interesse sowohl des US-amerikanischen Volkes als auch der Menschheit als Ganzes.

Ich bitte, weil Herr Assange niemals falsche Informationen veröffentlichte. Die Ursachen für jegliche durch seine Veröffentlichungen möglicherweise entstandenen Rufschädigungen sind nicht in einem Fehlverhalten seinerseits zu suchen, sondern gerade in den Fällen von Fehlverhalten, die er aufdeckte.

Ich bitte deshalb, weil Herr Assange keine der Informationen, die er veröffentlicht hat, gehackt oder gestohlen hat. Er erhielt sie aus authentischen Dokumenten und Quellen auf die gleiche Weise, wie jeder andere seriöse und unabhängige investigative Journalist seine Arbeit ausführt. Während wir persönlich mit diesen Veröffentlichungen einverstanden oder nicht einverstanden sein mögen, können sie eindeutig nicht als Verbrechen angesehen werden."

Botschaft der Gerechtigkeit statt Henken des Boten

Letztendlich würden die USA Melzer zufolge mit einer Begnadigung von Assange eine in mehrfacher Hinsicht positive Botschaft in die Welt entsenden, dass ihnen die viel beschworenen westlichen Werte wie Rechtsstaatlichkeit oder Transparenz nicht gänzlich gleichgültig sind.

"Ich frage deshalb, weil die strafrechtliche Verfolgung von Herrn Assange wegen der Veröffentlichung wahrer Informationen über schwerwiegendes behördliches Fehlverhalten, sei es in Amerika oder anderswo, darauf hinauslaufen würde, 'den Boten zu erschießen', anstatt das von ihm aufgedeckte Problem zu korrigieren. Dies wäre unvereinbar mit den Grundwerten der Gerechtigkeit, der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit, wie sie in der US-amerikanischen Verfassung und den von den Vereinigten Staaten ratifizierten internationalen Menschenrechtsinstrumenten zum Ausdruck kommen."

Außerdem versucht der UN-Sonderberichterstatter, dem US-Präsidenten die Begnadigung des prominentesten Whistleblowers mit Image-Konsequenzen für die USA, vor allem aber für ihn persönlich schmackhaft zu machen. Letztlich hat Trump die Wahl, wie er in die Geschichte der USA eingeht – und zusammen mit den USA, global betrachtet, in die Geschichte des investigativen Journalismus. Die Konsequenzen wären bei einer Begnadigung eindeutig die besseren:

"Ich frage, weil Sie, Herr Präsident, geschworen haben, eine Agenda zur Bekämpfung von Korruption und Fehlverhalten der Regierung zu verfolgen und weil die Zulassung der weiteren Strafverfolgung von Herrn Assange bedeuten würde, dass unter Ihrem Vermächtnis das Berichten der Wahrheit über solche Korruption und Fehlverhalten zu einem Verbrechen geworden ist.

Indem Sie Herrn Assange begnadigen, Herr Präsident, würden Sie eine klare Botschaft der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Menschlichkeit an das US-amerikanische Volk und an die Welt aussenden. 

Sie würden einen mutigen Mann rehabilitieren, der mehr als ein Jahrzehnt lang Ungerechtigkeit, Verfolgung und Demütigung erlitt, nur weil er die Wahrheit sagte."

"… allen Kindern der Welt versichern: Wahrheit zu sagen ist das Richtige"

Während die Erwähnung von Julian Assanges Kindern als ein für Gnadengesuche typisches Drücken auf die Tränendrüse betrachten werden könnte, sieht Melzer in diesem Fall die Moral auf seiner Seite. Nicht zu Unrecht:

"Nicht zuletzt würden Sie den beiden jungen Söhnen von Herrn Assange den liebevollen Vater zurückgeben, den sie brauchen und zu dem sie aufschauen.  Sie würden darüber hinaus diesen Kindern – und mit ihnen allen Kindern der Welt – versichern, dass es nicht falsch ist, die Wahrheit zu sagen, sondern dass es das Richtige ist, dass es ehrenhaft ist, für Gerechtigkeit zu kämpfen und dass dies in der Tat die Werte sind, für die die Vereinigten Staaten von Amerika und die ganze Welt stehen.

Aus diesen Gründen rufe ich Sie respektvoll auf, Julian Assange zu begnadigen. Was auch immer unsere persönlichen Ansichten und Sympathien sein mögen: Ich bin überzeugt, dass nach einem Jahrzehnt der Verfolgung das ungerechte Leid dieses Mannes jetzt ein Ende haben muss.

Bitte nutzen Sie Ihre Befugnis der Begnadigung, um das Julian Assange zugefügte Unrecht wiedergutzumachen, um seine ungerechte Tortur zu beenden und ihn mit seiner Familie wieder zu vereinen!

Ich danke Ihnen respektvoll, dass Sie diesen Appell mit Weitsicht, Großzügigkeit und Mitgefühl einer Erwägung unterziehen. 

Bitte nehmen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner höchsten Wertschätzung entgegen."

Der UN-Sonderberichterstatter verfasste außerdem eine Nachricht auf Twitter mit derselben Botschaft, wenn auch den Einschränkungen dieses sozialen Netzwerks entsprechend deutlich kürzer. In diesem Post retweetete er eine Nachricht vom offiziellen Konto des UN-Menschenrechtsrats mit Verweis auf seinen oben zitierten offenen Brief.

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