Gesellschaft

WHO feiert Entzündungshemmer gegen COVID-19 als Durchbruch – viele Fragen bleiben aber offen

Die Weltgesundheitsorganisation bejubelt "großartige Neuigkeiten" im Kampf gegen das neuartige Coronavirus: Ein vor vielen Jahren entwickeltes Medikament scheint die Sterblichkeit bei COVID-19 merklich mindern zu können. Experten sehen aber noch einige offene Fragen.
WHO feiert Entzündungshemmer gegen COVID-19 als Durchbruch – viele Fragen bleiben aber offenQuelle: Reuters © YVES HERMAN

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die vorläufigen Ergebnisse einer britischen Studie zu einem Medikament gegen die Lungenkrankheit COVID-19 als Durchbruch bezeichnet. Bei dem Entzündungshemmer Dexamethason handle es sich um das erste Mittel, das die Sterblichkeit von COVID-19-Patienten verringere, die auf Sauerstoff oder Beatmungsgeräte angewiesen seien, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus einer Mitteilung vom Dienstagabend:

Das sind großartige Neuigkeiten. Ich gratuliere der Regierung des Vereinigten Königreichs, der Universität Oxford sowie den vielen Krankenhäusern und Patienten im Vereinigten Königreich, die zu diesem lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch beigetragen haben.

Die vorläufigen Ergebnisse einer noch unveröffentlichten klinischen Studie weisen darauf hin, dass Dexamethason die Sterberate bei schweren COVID-19-Verläufen senken könnte. In ihrer Studie untersuchten Wissenschaftler von der Universität Oxford die Eignung verschiedener bereits zugelassener Medikamente als Mittel gegen COVID-19. Insgesamt wurden in die Analyse mehr als 11.500 Patienten aus über 175 Kliniken in Großbritannien aufgenommen.

Der Dexamethason-Teil der Studie umfasste 2.104 Patienten, die für zehn Tage einmal täglich sechs Milligramm Dexamethason verabreicht bekamen. Als Kontrollgruppe dienten 4.321 Patienten. Die Sterblichkeit nach 28 Tagen war unter den künstlich beatmeten Patienten am höchsten und lag ohne Dexamethason-Behandlung bei 41 Prozent. In der Versuchsgruppe sank sie um ein Drittel. Bei den Patienten, die Sauerstoff bekamen, aber nicht künstlich beatmet wurden, sank sie um ein Fünftel. Bei den Patienten, die gar keinen Sauerstoff benötigten, zeigte die Behandlung keine Wirkung.

Basierend auf den Zahlen würde bei der Behandlung von acht schwerkranken COVID-19-Patienten durch Dexamethason ein Todesfall verhindert, hieß es. Die Ergebnisse der Studie wurden aber bisher von anderen Experten nicht begutachtet.

Dexamethason gehört zu den sogenannten Glucocorticoiden, zu denen etwa auch Kortison zählt. Der Wirkstoff wird seit den 1960er-Jahren als Entzündungshemmer eingesetzt, etwa bei Entzündungen von Haut und Gelenken. Er ist auch in vielen Medikamenten enthalten, die das Immunsystem unterdrücken, um allergische und entzündliche Prozesse zu stoppen. Dexamethason wird in der Neurologie, der Onkologie, bei Atemwegserkrankungen und in vielen weiteren Bereichen genutzt. Außerdem ist das Medikament kostengünstig und verfügbar.

Deutsche Experten warnen jedoch vor verfrühter Euphorie. Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie am Universitätsklinikum der Goethe-Universität Frankfurt, ist der Meinung, dass eine abschließende Einschätzung zur Qualität erst möglich sei, wenn die Originaldaten ausführlich gesichtet seien. Wichtig sei unter anderem, die Nebenwirkungen noch weiter aus den Daten herauszuarbeiten. Maria Vehreschild sieht aber keine grundsätzlichen Hürden bei der Verabreichung des Präparats, da der Wirkstoff bereits zugelassen ist:

Aus biologischer Sicht ist dieser Effekt nicht völlig überraschend, da insbesondere die schwer erkrankten Patienten unter einer überschießenden Immunreaktion leiden. Überraschend ist aber die Stärke des nachgewiesenen Effektes.

Pneumologe Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover meint:

Bevor man das vollständige, durch unabhängige Gutachter beurteilte Manuskript gesehen hat, kann man die Wertigkeit der Studie nicht beurteilen.

Zu prüfen sei auch, ob die beiden Patientengruppen – Dexamethason-Gruppe und Vergleichsgruppe – wirklich vergleichbar gewesen seien.

Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, weist darauf hin, dass Dexamethason die Immunantwort gegen das Virus bremsen und so dazu führen könnte, dass das Virus langsamer eliminiert würde. (dpa)

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