Libyen-Konflikt mit der Türkei: Zypern ist der Schlüssel
Dass die Türkei die von den Vereinten Nationen anerkannte libysche Regierung von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch in Tripolis unterstützt, hat wenig mit der Durchsetzung von libyschen nationalen Interessen zu tun. Die Gründe dafür liegen unter dem Meeresgrund vor der Insel Zypern, die wie Libyen geteilt ist. Allerdings unterstützt Ankara dort eine Regierung, die nur von der Türkei anerkannt und Folge der türkischen Intervention im Sommer 1974 ist, nachdem zuvor ein griechischer Putsch stattgefunden hatte.
Der historische Streit zwischen Griechen und Türken liegt dem Zypernkonflikt zugrunde, dessen ungelöste Probleme in die Europäische Union übernommen wurden. Statt die Spaltung zu überwinden, wurde sie mit der Aufnahme der Republik Zypern in die EU zementiert.
Begehrlichkeiten auf allen Seiten wurden mit der Entdeckung von riesigen Gasvorkommen vor der Küste Israels geweckt. Zwei Jahre später (2011) folgte schließlich auch die Entdeckung des Aphrodite Gasfelds vor Zypern, worauf man in Brüssel fälschlicherweise davon ausging, dass es einen Beitrag zur Wiedervereinigung auf der Insel führen könnte.
Stattdessen sah sich keine der beiden Seiten bereit, auf den anderen zuzugehen. Streitereien brachen bereits bei dem Abstecken der jeweiligen Blöcke des Aphrodite-Feldes aus, bei der beide Seiten der jeweils anderen Verletzungen der eigenen Exklusiven Wirtschaftszone vorwarfen. Die Republik Zypern fackelte aber nicht lange und verteilte mit Unterstützung Athens und der EU Bohrlizenzen an Ölriesen, die in den zugewiesenen Blöcken nach Gas bohren sollten.
Unterdessen träumte man in Brüssel bereits von einer Anbindung Israels an den sogenannten Südlichen Gaskorridor, über welchen man eigentlich ursprünglich Gas aus Aserbaidschan in die EU transportieren wollte. Mit zusätzlichem Volumen aus Zypern wäre das Projekt ausgelastet gewesen und hätte dem Wunsch der EU entsprochen, das russische Turkish Stream-Projekt zu stoppen.
Für die Türkei aber, dass sich als zentraler Umschlagplatz für Energie etablieren möchte, stellten solche Pläne eine Provokation und Bedrohung gleichermaßen dar. Als das vom italienischen Ölriesen Eni gecharterte Bohrschiff "Saipem 12000" im Februar 2018 im zugewiesenen Block 3 Testbohrungen durchführen wollte, wurde es von fünf türkischen Kriegsschiffen zum Rückzug gezwungen.
Die Situation sollte sich weiter verschärfen, als die Energieminister von Ägypten, Griechenland, Israel, Italien, Jordanien, Palästina und Zypern im Sommer 2019 vereinbarten, das Eastern Mediterranean Gas Forum (EMGF) zu gründen, um gemeinsam die Gasförderung im östlichen Mittelmeer zu koordinieren. Das stellte einen direkten Affront gegen die Türkei dar, die dazu nicht eingeladen wurde. Am 16. Januar 2020 wurde schließlich in Kairo offiziell das EMGF gegründet, und bereits einen Tag später bekundeten Frankreich und die USA ihr Interesse, sich dem Forum anzuschließen.
Ankara betrachtete das EMGF schließlich wenig überraschend als gegen die Türkei gerichtet, weshalb die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan nach Möglichkeiten suchte, sich aus dieser antizipierten Umklammerung zu lösen. Bei der um ihr Überleben kämpfenden Sarradsch-Regierung in Tripolis ist Erdoğan schließlich fündig geworden. Ende November 2019 unterzeichnete Sarradsch in Istanbul ein Abkommen, mit welchem eine "Begrenzung der Einflussbereiche auf See" und "Sicherheit und militärische Zusammenarbeit" vereinbart wurden, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu.
Tripolis erhält im Gegenzug für das Abkommen militärische Hilfe, während die Türkei auf diesem Wege neue Grenzen für die eigene Exklusive Wirtschaftszone im östlichen Mittelmeer erhielt, die unter anderem auch die griechischen Inseln Kreta und Rhodos betrifft.
Seitdem schickt die Türkei immer wieder Kriegsschiffe und Bohrschiffe in die Zonen, die es für sich beansprucht. Anfang Dezember wurde das israelische Forschungsschiff "Bat Galim" aus zypriotischen Gewässern verjagt, was zu weiteren Spannungen führte. Mit den neuen Grenzen verhindert Ankara nicht nur die Pläne der Regierung in Nikosia und Athen, zu einem Energieriesen mit entsprechenden finanziellen Erträgen zu werden, sondern auch der Teilnehmer des EMGF und der EU selbst.
Deswegen kündigte Brüssel bereits Sanktionen gegen die Türkei an, doch umgesetzt wurde noch gar nichts. Zu groß sind die Befürchtungen, dass Präsident Erdoğan seine Drohung in die Tat umsetzen und die über drei Millionen Flüchtlinge in seinem Land in Richtung EU-Grenzen laufen lassen könnte.
Für Griechenland ist dieser Zustand alles andere als befriedigend. Als dann auch noch bei der Libyen-Konferenz in Berlin das Thema "Seeabkommen" zwischen Tripolis und Ankara völlig ausgeklammert wurde, drohte Athen, dass es keiner politischen Lösung auf EU-Ebene für Libyen zustimmen werde, solange dieses Abkommen in Kraft ist. Wenn die Europäische Union den Konflikt Libyen lösen möchte, muss Brüssel zunächst das jahrzehntealte Problem auf Zypern lösen. Ein erster Weg in diese Richtung könnte die Aufnahme der Türkei in das Eastern Mediterranean Gas Forum sein.
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