Angebot vor Normandie-Gipfel: Ost-Ausschuss schlägt Wiederaufbauplan für Ostukraine vor
Die Vorschläge bestehen aus acht Maßnahmen, die im Falle eines erfolgreichen Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, der Ukraine und Russlands umgesetzt werden könnten. Am kommenden Montag beraten Emmanuel Macron, Angela Merkel, Wladimir Selenskij und Wladimir Putin im sogenannten Normandie-Format die Zukunft des Donbass.
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft wäre ein erster Schritt die Schaffung einer internationalen Geberkonferenz, auf der Mittel für den Wiederaufbau der Ostukraine gesammelt werden.
Wir gehen von einem ersten, akuten Finanzbedarf von mindestens drei Milliarden Euro aus", so Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft (OAOEV).
"Diese Gelder sollten ausschließlich in den vom Krieg direkt betroffenen Kommunen und zu gleichen Teilen auf beiden Seiten der derzeitigen Kontaktlinie eingesetzt werden."
Zur sachgerechten Verwaltung der Mittel schlägt der OAOEV die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vor. Die Gelder sollten zur Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur, für attraktive Investitionskredite und zur Absicherung von Handels- und Kreditgeschäften genutzt werden. Denkbar sei zudem, die vom Krieg betroffenen Regionen zu einer großen Sonderwirtschaftszone weiterzuentwickeln.
Zur Unterstützung des Wiederaufbaus setzt sich der OAOEV für die Gründung eines Business Advisory Councils, eines Beratergremiums, für die Ostukraine ein. Dieses soll aus Vertretern von Wirtschaftsverbänden aus der Ukraine, Russland, der EU und allen interessierten OSZE-Ländern bestehen. Ein ähnliches Modell gab es bereits Anfang der 2000er-Jahre für den Friedensprozess auf dem Westbalkan.
Entscheidend für erfolgreiche Investitionen ist laut Hermes, dass alle Gebiete in der Ostukraine wieder in nationale und internationale Handelsbeziehungen und Wertschöpfungsketten einbezogen werden können.
So könnten die laufenden Verhandlungen über einen neuen Gastransitvertrag zwischen der Ukraine und Russland unter Vermittlung der EU zu einem Wirtschaftstrialog zu allen strittigen Wirtschaftsfragen erweitert werden.
Ziel dieses Trialogs ist es, nachhaltige Energiebeziehungen zu entwickeln, bestehende Handels- und Investitionshemmnisse einschließlich der gegenseitigen Sanktionen abzubauen und die Perspektive auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok zu öffnen", so Hermes.
Die Vorschläge des Ost-Ausschusses liegen den am Normandie-Format beteiligten Regierungen vor.
In einem Gastbeitrag in der Tageszeitung FAZ bekräftigte der OAOEV-Vorsitzende den Wunsch nach Frieden und Wiederaufbau, den die deutsche Wirtschaft an die beteiligten Staaten in einem richtigen politischen Augenblick senden möchte. So sprach er von einer "ukrainischen Tragödie und europäischen Katastrophe" und hoffte auf Versöhnung.
Dieser blutige Konflikt, der längste auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg, geht uns deshalb alle an. Er hat zu einem tiefen Riss durch Familien, Dörfer und Städte durch das Land und sogar durch unseren ganzen Kontinent geführt", so Hermes in der OAOEV-Erklärung zur Ukraine.
Unmissverständlich machte er im FAZ-Artikel aber auch klar, welche geopolitische Herausforderung seines Erachtens politische Regulierung und Wiederaufbau der Region nötig macht: Der Konflikt gefährde Sicherheit und Wohlstand und schwäche die Wettbewerbsfähigkeit Europas ausgerechnet zu einer Zeit, "in der die Spielregeln der Weltwirtschaft von den Vereinigten Staaten und China in Frage gestellt und verändert werden".
Zwar sind für die Implementierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ein erfolgreiches Gipfeltreffen in Paris und die Umsetzung der in den Minsker Abkommen verankerten Schritte die Voraussetzung.
Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Chancen auf Frieden steigen, wenn es eine klare Perspektive für den wirtschaftlichen Wiederaufbau gibt", betonte Hermes.
Dies ist der erste Aufbauplan dieser Art aus Deutschland, der auch die am stärksten zerstörten und dicht besiedelten Rebellengebiete berücksichtigt. Von ukrainischer Seite gab es bislang Versuche, Investoren für den ukrainischen Teil des Donbass zu finden – ohne Erfolg. Nach der jetzigen politischen Entwicklung in der Ukraine zu urteilen, wird es allerdings nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte dauern, bis die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden – zu denen vor allem die Lösung der Status-Frage der örtlichen Behörden in Donezk und Lugansk gehören.
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