Europa

Spanien: Die Verbindungen zwischen der extremen Rechten, dem Militär und der Kirche

Der erstmalige Einzug der ultrarechten Partei Vox in ein spanisches Parlament ruft Erinnerungen an die Zeit der Franco-Diktatur hervor, in der das Militär und die Katholische Kirche tragende Rollen spielten. Auch Vox baut auf die Werte dieser beiden Institutionen.
Spanien: Die Verbindungen zwischen der extremen Rechten, dem Militär und der KircheQuelle: www.globallookpress.com

von Luis Gonzalo Segura

Der Einbruch der Partei Vox in die politische Landschaft Spaniens hat viele auf diese Partei aufmerksam gemacht, deren Programm eine strenge Kontrolle der Einwanderung und der Grenzen, die Aussetzung der regionalen Autonomie, die Abschaffung fast aller Steuern mit Ausnahme eines maximalen Einkommenssteuersatzes von 21 Prozent oder Maßnahmen gegen den islamischen Fundamentalismus beinhaltet. Ein Wahlprogramm, das im Militär und der Katholischen Kirche Unterstützung findet, um in der gesamten spanischen Gesellschaft fundamentale Werte zu verbreiten, die mehr an das dunkle 20. Jahrhundert erinnern als an das 21. Jahrhundert.

Das spanische Militär

Die Verbindungen zwischen Vox und dem Militär sind exzellent, so wie es auch für andere Länder weltweit charakteristisch ist, in denen die extreme Rechte regiert oder einen wesentlichen Platz im Machtgefüge eingenommen hat (Vereinigte Staaten, Brasilien, Griechenland, Italien, Polen oder Ungarn). Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Partei der extremen Rechten Spaniens mit weitem Abstand die besten Verbindungen zu den Angehörigen der Streitkräfte hat, und dies – was besonders schwierig ist – auf allen Ebenen. Ihr ist eine außergewöhnliche Akzeptanz und Übereinstimmung gelungen, sowohl unter den ideologisch homogenen konservativen Führungsrängen als auch unter der diesbezüglich weit heterogeneren Truppe.

Als erstes ist hervorzuheben, dass keine andere parlamentarisch vertretene Partei so weitgehend und so ausdrücklich die größten Wünsche der spanischen Militärs formuliert hat. Dies konnte man eindrücklich erleben während des sich Anfang Oktober erstmalig sichtbar abzeichnenden Aufstiegs von Vox, als die Partei auf ihrer Veranstaltung in Madrid die Stierkampfarena mit mehr als 10.000 Menschen füllte und Teile ihres Programms für das Militär vorstellte:

  1. Anhebung des Militärhaushaltes bis auf die von der NATO und den USA geforderten 2 Prozent des Gesamthaushaltes
  2. Militärisches Vorgehen gegen die dschihadistische Bedrohung
  3. Modernisierung der Streitkräfte
  4. Beenden der prekären Arbeitssituation der Soldaten der einfachen Truppe (aktuell scheiden sie im Alter von 45 Jahren aus dem Dienst aus)
  5. Einfordern der marrokanischen Anerkennung der Zugehörigkeit der Enklaven Ceuta und Melilla zu Spanien sowie der Ausdehnung des Schutzbereichs der NATO auf beide Städte
  6. Politische Rückeroberung Gibraltars

Doch die Verbindungen der ultrarechten Formation mit dem Militär gehen über ein Wahlprogramm ganz nach dem Geschmack der Truppe weit hinaus, denn es gibt mittlerweile Aktionen auf sehr verschiedenen Ebenen. So ist Vox mit seiner Unterstützung der Angehörigen der Streitkräfte, die über 45 Jahre alt sind und sich gegen ihr vorgeschriebenes Ausscheiden aus dem Dienst wenden, so weit gegangen, dass gegen den aktiven Unteroffizier und Präsidenten des Verbandes "'45sindespidos" ["45ohneAusscheiden"], Jenner López, ein militärisches Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, da er an einer offiziellen Parteiveranstaltung in Madrid an der Seite des Parteivorsitzenden Santiago Abascal und seines Generalsekretärs Javier Ortega teilnahm. Keine der anderen Parteien, weder die Rechten der Volkspartei (PP) und "Bürger" (Ciudadanos/Cs) noch die Linken der Sozialdemokraten (PSOE) und Podemos, hatte jemals derart entschieden und pompös diese Vereinigung unterstützt.

Außerdem hat Vox Militäreinrichtungen für verschiedene Promotionsveranstaltungen genutzt, wie beispielsweise für das Werbevideo von Javier Ortega, das den Generalsekretär der Partei vor den Einrichtungen einer Spezialeinheit der Marine und einer Militärakademie (beide in der andalusischen Provinz Cádiz) zeigt. Das Video wurde am 29. November verbreitet, nur drei Tage vor den Regionalwahlen in Andalusien.

Die Verbindung von Vox mit der Welt der Streitkräfte geht so weit, dass zwei ihrer zwölf Abgeordneten im neu gewählten andalusischen Parlament ehemalige Militärs sind (Luz Belinda Rodríguez war bei der Luftwaffe und Benito Morillo Alejo bei der Militärpolizei Guardia Civil). Und selbst der bereits erwähnte Generalsekretär, Javier Ortega, war vier Jahre lang Militärangehöriger in Sondereinsatzgruppen.

Verstärkt werden diese Verbindungen durch die Ankündigung des ehemaligen Generals Fulgencio Coll, Generalstabschef des Heeres im Jahr 2008, als erster der Kandidatenliste von Vox für das Amt des Bürgermeisters von Palma de Mallorca zu kandidieren. Vor allem, wenn man dessen familiäre Verbindungen zur Franco-Diktatur und zu anderen historischen Ereignissen bedenkt. So berichtet Fulgencio selbst davon, dass "sein Vater der letzte Regionalpräsident der Insel vor dem Übergang zur Demokratie 1978 war, und sein Großvater, Juan Coll Fuster, Bürgermeister von Palma zwischen 1945 und 1952, ebenso wie dessen Großvater, Juan Coll Crespí, 1856 und Graf San Simón 1846".

Zudem kann die ultrarechte Partei auf höchster Ebene auf Rafael Bardají zählen. Sein Lebenslauf ist in dieser Hinsicht makellos: 1987 Gründer des Think Tanks Grupo de Estudios Estratégicos (GEES) und dessen Direktor bis 1996, Berater der ehemaligen Verteidigungsminister Eduardo Serra (1996-2000) und Federico Trillo (2000-2002), Vize-Direktor des Think Tanks Real Instituto Elcano von 2002 bis 2004, Direktor für internationale Politik des Think Tanks Fundación FAES des früheren Ministerpräsidenten José María Aznar von der PP und erklärter Zionist (Unterstützer der 2010 gegründeten Initiative der Freunde Israels).

Es ist daher kein Zufall, dass Vox die einzige relevante politische Formation war, die in diesem Sommer die Position von mehr als 1.000 Militärs im Ruhestand und in der Reserve, von denen viele in den letzten 20 Jahren bedeutendste Posten und Führungsfunktionen innehatten, uneingeschränkt mit einer Erklärung auf ihrer eigenen Webseite unterstütze, als sich diese Anhänger Francos öffentlich gegen die Entscheidung der spanischen Regierung stellten, die sterblichen Überreste des Diktators zu exhumieren. Eine solche Unterstützung kam weder vom Partido Popular noch von Ciudadanos.

Auch auf der Ebene der Polizeikräfte sind die Verbindungen von Vox außergewöhnlich. Laut Medienberichten kann die ultrarechte Partei in den verschiedenen Wahlen des Jahres 2019 auf ehemalige Militärs und Polizeibeamte in diversen Städten zählen (genannt werden entsprechende Kontakte in Córdoba, Gijón, Madrid und Cádiz). Besonders außergewöhnlich ist die Verbindung von Vox mit der Vereinigung Jusapol, die sie auf öffentlichen Veranstaltungen in Madrid und Barcelona unterstützt hat und mit der es eine spezielle persönliche Verbundenheit gibt. Denn Carlos Morales, ehemaliges Mitglied von Jusapol und Teilnehmer an politischen Veranstaltungen der extremen Rechten, war in den 1990er Jahren persönlicher Leibwächter des Vaters von Santiago Abascal. So ist es also nicht verwunderlich, dass Vox an mehr als 60 Demonstrationen von Jusapol teilgenommen hat.

Die Katholische Kirche

Eine weitere Säule der Unterstützung für die gesellschaftliche Verbreitung des politischen Projekts von Vox ist zweifelsohne die Katholische Kirche und der mit dieser engstens verbundene Verein "HazteOír" ["Verschaffe Dir Gehör"]. Ein halbes Dutzend Bischöfe hat auf die eine oder andere Weise die ultrarechte Formation unterstützt, insbesondere bei der Verbreitung ihrer Vorstellungen zur traditionellen Familie, zur Ablehnung der Abtreibung, zur Sterbehilfe oder zur gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau.

Obwohl mit dem Bischof von Córdoba, Demetrio Fernández, nur ein einziger der obersten geistlichen Würdenträger ausdrücklich die Partei unterstützt hat, kann die ultrarechte Formation auf die Sympathie einiger der radikalsten Bischöfe zählen: Juan Antonio Reig Pla (Bischof von Alcalá de Henares), José Ignacio Munilla (Bischof von San Sebastián), Jesús Sanz (Bischof von Oviedo) und Fidel Herráez (Bischof von Burgos). Sie sind nicht die einzigen. Denn Mitglieder von Opus Dei und vom Neokatechumenat haben ebenfalls die genannten Forderungen der Partei unterstützt und somit eine Situation provoziert, die selbst bei der Bischofskonferenz zu Besorgnis führt.

Eldiario.es zitiert Erklärungen des mexikanischen Ermittlers Álvaro Delgado im baskischen Fernsehen, wonach die Unterstützung des Vereins "HazteOír" womöglich befördert wird durch eine klandestine ultrakatholische Gruppe namens El Yunque, die sowohl in Mexiko als auch in Spanien über Einfluss verfügt.

All dies deutet daraufhin, dass, obwohl in den Institutionen des Militärs und der Katholischen Kirche die offiziellen Stimmen zur Unterstützung von Vox nur minimal oder nicht vorhanden waren, sich durchaus mit einer gewissen Klarheit abzeichnet, dass beide Institutionen Werte, Prinzipien und Ziele mit der ultrarechten Partei teilen.

Luis Gonzalo Segura ist Ex-Leutnant des spanischen Heeres. Er hatte Korruption, Amtsmissbrauch und anachronistische Privilegien in den Reihen der Streitkräfte angezeigt, was zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst führte. Er ist Autor des Essays "El libro negro del Ejército español" (2017) sowie der Erzählungen "Un paso al frente" (2014) und "Código rojo" (2015).

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Sehenswert zu den Verbindungen zwischen der Politik und dem Sicherheitsapparat in Spanien ist die (spanischsprachige) Dokumentation von 2017: Las cloacas de Interior.

Mehr zum Thema - 40-jähriges Verfassungsjubiläum in Spanien: Ein Grund zum Feiern?

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.