Europa

Südlicher Gaskorridor: Ein Mittel der USA zur Beherrschung des Gasmarktes auf dem Balkan

Die USA üben Druck auf Bosnien und Herzegowina aus – wieder einmal. Diesmal geht es um Gas. Das Balkanland bezieht es aus Russland. Viel besser wäre es doch, meint man in Washington, wenn Bosnien US-amerikanisches Flüssigerdgas kaufen würde, das über Kroatien ins Land kommen könnte.
Südlicher Gaskorridor: Ein Mittel der USA zur Beherrschung des Gasmarktes auf dem BalkanQuelle: AFP © DENIS LOVROVIC / AFP

Von Marinko Učur

Die Vereinigten Staaten von Amerika üben sowohl direkt als auch indirekt Druck auf die Balkanländer aus, künftig auf das russische Gas zu verzichten, das über den Zweig der Gasleitung Turkish Stream ankommt. Bosnien steht unter dem größten Druck, sich aus der "Abhängigkeit" von der russischen Energiequelle zu "befreien".

Dieses Land deckt seinen Gasenergiebedarf zu 100 Prozent mit russischem Gas, was den Bürokraten in Washington, D.C. und Brüssel missfällt, die das schwache und national heterogene Bosnien fest an den Westen binden wollen. Ziel ist es, damit zugleich eine Botschaft an Russland zu senden und Sanktionen gegen Moskau als sinnvollen Schritt darzustellen. Als Alternative bietet sich natürlich der Südliche Gaskorridor an, also das deutlich teurere amerikanische verflüssigte Erdgas, das in Terminals im benachbarten Kroatien angelandet und gelagert wird.

Doch die Absicht der USA ist bei der Mehrheit der Bürger und einigen Politikern bisher auf wenig Verständnis gestoßen. Mit anderen Worten: Gasverbraucher, Industrie und Haushalte akzeptieren nicht, dass sie aufgrund politischer und strategischer Vereinbarungen in eine Situation geraten sollen, in der sie – wie derzeit viele westeuropäische Länder – deutlich höhere Preise für diese Energiequelle zahlen müssen.

In der Regel wird Politikern vorgeworfen, wenn sie die derzeitige Art der russischen Gasversorgung über die "Ost-Leitung" in der Stadt Zvornik über Serbien nach Bosnien verteidigen, "russische Akteure" zu sein und westliche Sanktionen zu ignorieren. Eine solche Rolle ist in der Regel dem Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, vorbehalten, der öffentlich als solch ein russischer Akteur auf dem Balkan bezeichnet wird.

Aber um die Sache noch seltsamer zu machen, wird selbst einigen kroatischen Politikern eine russenfreundliche Politik im Bereich der Gasversorgung vorgeworfen, wenn sie die derzeitige Art der Versorgung verteidigen. Auch der Vorsitzende Dragan Čović der größten kroatischen Partei in Bosnien, der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ), steht im Visier US-amerikanischer Kritik, weil er sich offen gegen die monopolistischen Absichten der USA stellt, die unter dem Vorwand der "Gasdiversifizierung" vorhaben, den europäischen Gasmarkt bald vollständig zu dominieren.

Wie hartnäckig die US-Amerikaner ihre Absichten verfechten, zeigt auch die Tatsache, dass sich höchste Vertreter der Regierung von Biden der Lobbyarbeit für den Südlichen Gaskorridor angeschlossen haben. Sogar der US-Außenminister Antony Blinken forderte mehr Druck auf den ersten Mann der HDZ BiH, also Dragan Čović, und forderte auch von der Zentrale seiner Partei in Zagreb, diese Angelegenheit zu beschleunigen. In einem Brief an den Außenminister Kroatiens Gordan Grlić Radman und von Bosnien und Herzegowina Elmedin Konaković erklärte Blinken:

"In Anbetracht der Tatsache, dass dieses Projekt im klaren Interesse Ihres Landes und der Region liegt, ermutige ich Sie und andere in Ihrer Regierung, Druck auf Dragan Čović auszuüben, damit er seine Blockade in dieser Angelegenheit beendet."

Die Umsetzung des Projekts "Südlicher Gaskorridor" sollte übrigens schon vor drei Jahren starten, aber aufgrund von Streitigkeiten darüber, wem das Hauptventil gehören werde, verzögerte sich der gesamte Prozess auf unbestimmte Zeit. Eine ähnliche Warnung hatte zuvor der US-Botschafter in Sarajevo Michael Murphy zum Ausdruck gebracht, jedoch ohne Erfolg.

Murphys diplomatisches Mandat geht zu Ende, obwohl er mit seinen Versuchen, seine Favoriten auf dem Gasmarkt zu etablieren, gescheitert ist. Insbesondere gelang es ihm nicht, die Bürger davon zu überzeugen, dass sie mit viel teurerem amerikanischem Gas besser beheizt werden.

Unverständlich ist auch die Logik einiger bosniakischer Politiker, mit der sie ihre Lobbyarbeit für die US-Interessen zu rechtfertigen versuchen. Das eine ist, was jemand möchte, etwas anderes ist die Realität. Die Kroaten wollen nämlich die Führung des künftigen Gasunternehmens nicht der Regierung in Sarajevo überlassen, wo die Bosniaken die dominierende Mehrheit bei der Entscheidungsfindung darstellen. Und sie sagen, dass sie ihren Widerstand nicht aufgeben werden, obwohl Befürworter dieser Idee auf der anderen Seite des Atlantiks Čović mit Sanktionen gedroht haben.

Natürlich betonen die USA mit Sanktionsdrohungen, dass hinter all dem die persönlichen Interessen korrupter Politiker stehen würden. Sie betonen allerdings nicht, ob es sich dabei um lokale Politiker oder ausländische, in diesem Fall also US-amerikanische handelt, die ihre privaten wirtschaftlichen und politischen Interessen mit neokolonialen Methoden festigen wollen.

Auch in der Öffentlichkeit gibt es Stimmen, die diese Absicht der USA verteidigen und behaupten, sie sei nicht durch Finanzinteressen in den USA motiviert. Sie betonen, dass das LNG-Terminal auf der Insel Krk in Kroatien vielmehr eine Chance für BIH sei, unabhängiger in der Energieversorgung zu werden, obwohl klar ist, dass alles darauf ausgelegt ist, eine Alternative zu russischem Gas zu bieten. Nüchterne Beobachter wissen jedoch, dass es sowohl in Serbien als auch im benachbarten Bosnien und Herzegowina derzeit keine vernünftige Alternative zur Gaslieferung aus Russland gibt.

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