Interessenskonflikt? Rishi Sunak und die 10-jährige Partnerschaft Großbritanniens mit Moderna
Von Bernhard Loyen
Rishi Sunak ist seit dem 24. Oktober 2022 neuer Parteichef der britischen Konservativen und wurde einen Tag später durch König Charles III. zum Premierminister von Großbritannien ernannt. Wie wird Sunak in den deutschen Medien wahrgenommen? Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) weiß in einem Artikel vom Ende November zu berichten, dass der "neue britische Premier Rishi Sunak beliebt ist in der Bevölkerung (Großbritanniens)." Er habe "die Wirtschaft stabilisiert, besänftigte Verbündete von Washington bis Kiew und sogar die Europäische Union", so die Einschätzung des RND.
Das Boulevard-Magazin Stern titelte jüngst zu aktuellen Problemfeldern des Premiers:
"Saufgelage und Sextourismus: Rishi Sunak 'besorgt' über Verhalten von Abgeordneten auf Auslandsreisen."
Eine aktuelle Umfrage in England mit der Frage: "Wie gut schlägt sich Rishi Sunak (Konservative) als Premierminister?" kam zu dem Ergebnis, dass 29 Prozent der Teilnehmer seine Arbeit mit "gut" bewerteten, 50 Prozent mit "schlecht". Am 22. Dezember informierte die offizielle Informationswebseite der britischen Regierung in einer Pressemitteilung:
"Vereinigtes Königreich schließt 10-jährige Partnerschaft mit Moderna ab, um Impfstoffe und Forschung zu fördern. Moderna wird in die mRNA-Forschung und -Entwicklung (FuE) im Vereinigten Königreich investieren und ein hochmodernes Zentrum zur Herstellung von Impfstoffen errichten, in dem bis zu 250 Millionen Impfdosen pro Jahr produziert werden können."
Im August 2022 war Großbritannien das erste Land weltweit, das die neue Version des COVID-Impfstoffs von Moderna genehmigte, das heißt, vor der Zulassung des großen Konkurrenten-Doubles Pfizer/BioNTech. Im Februar dieses Jahres war der damalige Gesundheitsminister Großbritanniens, Sajid Javid, eigens in die USA gereist und berichtete begeistert über sein Twitter-Profil:
"Fantastisch, sich mit dem Team von Moderna einschließlich (Geschäftsführer) Stéphane Bancel in Boston zu treffen. Das Vereinigte Königreich ist ideal aufgestellt, um eine Supermacht der Biowissenschaften zu werden, und die Zusammenarbeit mit weltweit führenden Unternehmen ist dafür entscheidend."
So weit schlichte Pharma-Polit-Routine der Gegenwart, so unspektakulär.
Interessanter wird die Hintergrundposition, wenn nicht Hauptrolle von Premier Sunak in dem aktuellen Partnerschaftsdeal von britischer Regierung und US-Pharmaindustrie. Großbritannien hatte als weltweit erstes Land am 8. Dezember 2020 mit einer landesweiten Sars-Cov-2-Impfkampagne und Produkten von BioNTech und AstraZeneca begonnen. Modernas COVID-19-Impfstoff Spikevax® wurde erst Anfang 2021 zugelassen. Zu beleuchten ist daher die Vor- also Bestellphase. Am 16. November 2020 informierte der britische Guardian:
"Großbritannien bemüht sich um den Kauf von 5 Millionen Dosen des bahnbrechenden COVID-Impfstoffs – Großbritannien schließt schnell einen Vertrag für Moderna-Impfstoff ab, der nach ersten Ergebnissen 95 Prozent Wirksamkeit zeigt."
Zwei Tage später folgte ein weiterer Artikel zum Thema der Moderna-Vorbestellung. In diesem hieß es einleitend:
"Rishi Sunak weigert sich zu sagen, ob er vom COVID-Impfstoff von Moderna profitieren wird. Ehemaliger Hedgefonds des Finanzministers (in England Schatzkanzler) investierte stark in Moderna."
Bei dem Hedgefonds handelt es sich um das Unternehmen Theleme Partners. Sunak war nachweislich einer der Mitarbeiter der ersten Stunde von Theleme Partners und zudem damaliger Leiter der US-Niederlassung des Unternehmens. Er verließ die Firma im Jahre 2014, um in Großbritannien seine politische Karriere fortzusetzen. Anhand von Börsenunterlagen lässt sich laut Guardian belegen, dass Theleme über die Jahre Investitionen von hunderten Millionen Dollar in das in den USA ansässige Unternehmen Moderna investierte. Mit Stand vom 7. November 2022 hält Theleme Partners 6.004.406 Aktien von Moderna Inc. im Wert von über 710 Millionen Dollar, was 34,6 Prozent des Hedgefond-Portfoliowertes entspricht.
Nach seinem Abschluss an der englischen Elite-Universität Oxford begann Sunak laut Financial Times-Artikel (Bezahlschranke) als Junior-Analyst bei Goldman Sachs in London zu arbeiten, ein weltweit tätiges Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz in New York. Dort kündigte er im Jahre 2004, um dann ab dem Jahr 2009 für Theleme Partners tätig zu werden. Es ist auffällig, dass Sunak diese biografischen Details auf der Regierungsseite als nicht erwähnenswert befindet. Der Guardian-Artikel fasst zu einem generellen Interessenskonflikt Sunaks zusammen:
"Es ist nicht bekannt, ob der Finanzminister (heute Premier) nach seinem Ausscheiden noch in den Theleme-Fonds investiert hat. Theleme ist auf den Kaimaninseln registriert, einem Steuerparadies, in dem Firmenunterlagen nicht veröffentlicht werden. Normalerweise besitzt ein Partner eines Hedgefonds eine Beteiligung an der Verwaltungsgesellschaft und hat Geld in den Fonds investiert."
Laut dem Wall Street Journal gibt es persönliche Kontakte zwischen dem Geschäftsführer von Theleme Partners, Patrick Degorce, und dem Unternehmen Moderna seit 2011, dem Jahr als Stéphane Bancel Geschäftsführer des Pharmaunternehmens wurde. Als Randnote sei dabei erwähnt, dass Bancel zwei Jahre zuvor, im Jahr 2009, vom Weltwirtschaftsforum (WEF) zu einem "Young Global Leader" auserwählt wurde. Im Jahre 2013 erfolgte dann eine "Exklusivvereinbarung zur Entwicklung bahnbrechender mRNA-Therapeutika™ für kardiometabolische Erkrankungen und Krebs" zwischen den Pharmaunternehmen Moderna und AstraZeneca.
Im Jahre 2019 wurde bekannt, dass Sunak Investitionen in einen sogenannten Blind Trust getätigt hatte. Eine Einrichtung, bei der Einzelheiten über Vermögenswerte der Eigentümer geheim gehalten werden, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Ein Jahr später verweigerte das Büro von Sunak laut dem Guardian Auskunft darüber zu geben, "ob seine Investitionen zum Zeitpunkt der Gründung seines Blind Trusts eine Beteiligung an Thelemes Fonds oder an Moderna beinhalteten." Ein Sprecher des Finanzministeriums kommentierte dazu:
"Das Kabinettsbüro hat die als relevant erachteten Interessen in der regulären Liste der ministeriellen Interessen dargelegt."
Zu diesem Zeitpunkt wurde außerdem bekannt, dass John Sheridan, ein ehemaliger Kollege bei Theleme Partners, Berichten zufolge von Sunak gebeten wurde, ein Finanzmodell für das Regierungsprogramm für Unternehmenskredite zu erstellen. Der Sprecher des Finanzministeriums kommentierte diesbezüglich, "es sei nicht ungewöhnlich, dass Politiker auf eine Reihe von Fachkenntnissen von außerhalb der Regierung zurückgreifen". Und er bestätigte zudem, dass "Sheridan Zugang zu öffentlich zugänglichen Daten hatte."
Die schlichte Haltung von Rishi Sunak, jegliche Informationen zu möglichen Thelemes Beteiligungen weiterhin konsequent zu verweigern, bestätigt diese natürlich nicht automatisch. Sie lässt den Premierminister mit Hinblick auf dessen Glaubwürdigkeit aber nicht gerade im goldenen Glanze seiner Bilderbuch-Karriere erscheinen. Es ist daher nur darauf zu hoffen, dass britische Medien an diesem dringenden Thema nachdrücklich investigativ dranbleiben.
Zuletzt erfuhr Sunak erhebliche Kritik, als er in einer Londoner Obdachlosenunterkunft bei der Essensausgabe einen Bedürftigen fragte, "in welcher Branche" dieser arbeiten würde.
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