Europa

Mainstream berichtet über Differenzen zwischen Selenskij und Klitschko

Was ist da los? Der deutsche Mainstream berichtet offen über Differenzen in der Kiewer Führung. Demnach kritisierte Präsident Selenskij den Kiewer Bürgermeister Klitschko für dessen Krisenmanagement bei der Energieversorgung.
Mainstream berichtet über Differenzen zwischen Selenskij und KlitschkoQuelle: AFP © Handout / Kyiv Mayor Vitali Klitschko facebook account / AFP

In einer von zahlreichen deutschen Mainstreammedien aufgegriffenen Meldung der Nachrichtenagentur dpa wird von Differenzen innerhalb der ukrainischen Führung berichtet. Derartige Berichte waren seit Beginn der russischen Militäroperation im Februar 2022 in deutschen Medien unüblich. Konkret geht es um die Kritik des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, der als "Ex-Schauspieler" bezeichnet wird, am Kiewer Bürgermeister, dem Ex-Boxer Vitali Klitschko.

Der unter anderem von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte Klitschko war im Zuge des Maidan-Putsches von den EU-Staaten für Führungspositionen in der neuen Regierung vorgesehen worden, was von der US-Vertreterin Victoria Nuland mit dem berühmt gewordenen Zitat "Fuck the EU" abgebügelt wurde. Selenskij war zuletzt anlässlich der von ihm verbreiteten Falschmeldung über einen angeblichen russischen Raketenangriff auf Polen im Westen in die Kritik geraten. Hier die Meldung im Wortlaut:

Seit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine vor neun Monaten galt in Kiew ein stillschweigend vereinbarter Burgfrieden. Solange die Armee von Kremlchef Wladimir Putin im Land steht, sollte innenpolitischer Zwist in den Hintergrund rücken und dort auch bleiben. Nun aber wurde dieser Konsens aufgekündigt − ausgerechnet von Präsident Wladimir Selenskij. Der Ex-Schauspieler rügte öffentlich die Stadtverwaltung von Kiew unter Bürgermeister Witali Klitschko, der seit seiner Box-Karriere auch in Deutschland sehr prominent ist.

Vorausgegangen war eine weitere russische Raketenattacke auf die Energieversorgungssysteme der Hauptstadt und anderer Orte. Dadurch kam es praktisch überall in der Ukraine zu massiven Stromausfällen, die nur langsam behoben werden. Selenskij suchte sich jedoch allein die Hauptstadt für öffentliche Schelte aus. "Viele Kiewer waren über 20 oder sogar 30 Stunden ohne Strom", bemängelte der Staatschef per Video. Er erwarte vom Rathaus eine bessere Arbeit. Namen nannte er keine. Auch so wurde klar, wen er meinte: Klitschko.

In der Hauptstadt seien nach Tagen immer noch 600.000 Haushalte ohne Strom, sagte Selenskij bei dem Auftritt am Freitagabend. Im schwarzen Kapuzenpullover verwies er auf ein von ihm persönlich angekündigtes Projekt, die "Punkte der Unbesiegbarkeit". An diesen Stellen in der Stadt soll sich jeder wärmen und mit Strom und Internet versorgen können. "Faktisch sind nur diejenigen Punkte normal ausgestattet, die vom Katastrophenschutz und am Bahnhof aufgebaut wurden", tadelte Selenskij jedoch. Der Rest sei in miserablem Zustand.

Um seine Aussage zu belegen, schickte der 44-Jährige Abgeordnete seiner Partei "Diener des Volkes" zum Heizstellen-Check. Fraktionschef David Arachamija rapportierte später, dass mehr als 360 Aufwärmpunkte geprüft worden seien. In Schulen und Kindergärten hätten Mitarbeiter auf eigene Kosten Tee und Gebäck mitgebracht. "Doch hat die Stadtregierung den Crashtest nur mit 'schlecht' bestanden und bisher keine Schlussfolgerungen gezogen." Zugleich lobte Arachamija das Management der ukrainischen Bahn: "Sie haben 200 'Waggons der Unbesiegbarkeit' und eine ganze Festung", womit er den Hauptbahnhof in Kiew meinte.

Da Klitschko in der Ukraine nur eingeschränkt medienwirksame Möglichkeiten zur Verteidigung hat, bediente sich der ehemalige Box-Weltmeister seiner Kontakte im Ausland. Über die Bild am Sonntag rief der 51-Jährige seine Landsleute angesichts der russischen Invasion noch einmal zur Einigkeit auf. "Wir müssen weiter gemeinsam dafür sorgen, das Land zu verteidigen und die Infrastruktur zu schützen." Klitschko versicherte, dass es in der Stadt wieder Wasser und Heizung gebe. Nun gelte es, die Stromversorgung wieder herzustellen.

Dazu zeigte sich der 51-Jährige mit weißem Helm in einem der Heizkraftwerke von Kiew. Vor sowjetischen Armaturen schüttelte er Hände und bedankte sich bei den Mitarbeitern des Unternehmens Kievteploenergo. "Mehr als 3.000 Menschen haben Tag und Nacht dafür gearbeitet, damit wir sagen können, dass fast 98 Prozent der Häuser unserer Stadt mit Fernheizung versorgt sind", sagte Klitschko. Gleichzeitig gestand das Stadtoberhaupt jedoch, dass weiterhin gut ein Viertel der Kiewer ohne Strom auskommen müsse.

Am Sonntagmorgen dann kam die erlösende Nachricht der Kiewer Militärverwaltung: Fast überall in der Drei-Millionen-Stadt gab es wieder Strom. Auch Wasser, Wärme und Mobilnetz seien nahezu vollständig wiederhergestellt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Selenskij und seine Administration gegen Klitschko schweres Geschütz in Stellung bringen. Bereits nach Selenskijs Amtsantritt 2019 forderte der damalige Chef des Präsidentenbüros, Andrei Bogdan, den Rücktritt des Hauptstadtbürgermeisters, der seit 2014 im Amt ist. "Er hat die Kontrolle über die Situation in der Stadt im Verlaufe der letzten fünf Jahre verloren", tönte Bogdan damals.

Damals galt fast als ausgemacht, dass Selenskij Klitschko zumindest kaltstellen werde. So sollte das Amt des gewählten Bürgermeisters vom Posten des Chefs der Stadtverwaltung getrennt werden. Klitschko wäre damit zu einer Art Grüßaugust geworden. Doch es kam anders. Medienberichten zufolge gelang es Klitschko, über Kontakte zum Selenskij-Vertrauten Andrei Jermak seine Degradierung zu verhindern. Inzwischen leitet Jermak das Präsidentenbüro.

Nach Meinung mancher Beobachter scheint Selenskij nun einen zweiten Anlauf nehmen zu wollen, um Klitschko als potenziellen Gegner bei der 2024 anstehenden Präsidentenwahl auszuschalten. Allein: Bis dahin gilt es zum einen, den Krieg zu beenden. Und zum anderen, den Krieg zu überleben.

Mehr zum Thema - Russisches Verteidigungsministerium verurteilt Kiew und Westen für Massenmord an Kriegsgefangenen

rt/dpa

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.