Erneut Spannungen im Kosovo: Serben treten massenhaft von öffentlichen Ämtern zurück
Dutzende serbische Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung in der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo haben ihre Ämter niedergelegt. Sie protestierten damit gegen die Suspendierung eines Polizeichefs, der sich geweigert hatte, die Anordnung Pristinas durchzusetzen, nach der Autofahrer die von Serbien ausgestellten Kfz-Kennzeichen wechseln müssen, andernfalls drohten Strafen bis hin zur Beschlagnahme des Fahrzeugs.
Die kosovarische Regierung hatte Bürgern mit serbischen Nummernschildern eine Frist bis zum 31. Oktober 2022 eingeräumt. Schon seit dem 1. November hätten die Polizisten nach Berichten serbischer Medien in der abtrünnigen Provinz damit begonnen, die Fahrzeughalter zu ermahnen, die eine Ummeldung nicht durchgeführt haben. Demnach drohen die Behörden damit, nach dem 21. November zunächst Geldstrafen in Höhe von 150 Euro zu verhängen. Pristina beharrt darauf, dass die geänderten Registrierungen bis zum April nächsten Jahres vollzogen sein müssen. Doch die Serben, vor allem im nördlichen Teil des Kosovo, wehren sich dagegen.
Ein Minister der Regierung, zehn Abgeordnete und zahlreiche Polizisten, Justizbeamte sowie Bürgermeister in den vier mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden im Norden der Provinz traten am Samstag von ihren Posten zurück. Auf einem Video, das in den sozialen Medien verbreitet wurde, ist zu sehen, wie Serben, die in den Reihen der Polizei im Kosovo gearbeitet haben, symbolisch ihre Uniformen ablegten. Sie schworen, nicht zurückzukehren, solange kein "Verband der serbischen Gemeinden" gegründet werde.
Belgrad pocht seit Jahren darauf, dass Pristina die in einem Abkommen vereinbarte Initiative realisieren soll, mit der die Rechte der Serben in der abtrünnigen Provinz gestärkt werden. Die kosovo-albanische Seite jedoch zögert weiterhin. Vielmehr besteht Albin Kurti, der seit März 2021 wieder das Amt des Premierministers im Kosovo innehat, vehement auf die Anerkennung der selbst ausgerufenen Unabhängigkeit der Provinz seitens Belgrads.
Nun rief er die Serben nach den Massenrücktritten dazu auf, "Ruhe, Frieden und Sicherheit" zu bewahren, und appellierte an sie, "die Institutionen des Kosovos nicht zu boykottieren" sowie nicht den "politischen Manipulationen und geopolitischen Spielen zum Opfer zu fallen". So schrieb er in einer Nachricht auf Facebook:
"Ich bin nicht gegen euch, sondern Belgrad ist gegen mich."
Serbien bezeichnete Kurti als "kein demokratisches Land", das zudem "zu einem Werkzeug des Kremls" werde. Mit den Protesten der Serben im Kosovo wolle Belgrad, so Kurti, die Region destabilisieren. Er als Premierminister halte sich wiederum an die "Verfassung und Legalität der Republik Kosovo".
Die serbische Premierministerin Ana Brnabić wiederum betonte in einer Erklärung, die auch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht wurde, dass Serbien lediglich "auf die vollständige Umsetzung des vor fast zehn Jahren (!) am 19. April 2013 unterzeichneten Brüsseler Abkommens" poche.
Die Vereinbarung wurde durch die Vermittlung der Europäischen Union erreicht und sollte zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina beitragen.
Die massenhaften Rücktritte von den Ämtern wurden von Goran Rakić, dem Vorsitzenden der Partei Serbische Liste im Kosovo, bei einem Treffen mit den Bürgermeistern der vier hauptsächlich von den Serben bewohnten Gemeinden vorgeschlagen. Die Serben sollten, so Rakić, "ihre eigenen Institutionen" in der Provinz in Zusammenarbeit mit Serbien stärken und aufbauen. Zugleich prangerte er die Entscheidung, den Serben Nenad Đurić als Polizeichef der Region Nord-Mitrovica zu suspendieren, als "illegal und antiserbisch" an.
Serbien hatte sein Militär Anfang der Woche in höchste Alarmbereitschaft versetzt, als der Streit um die Nummernschilder wieder aufgeflammt war. Im September waren unter anderem NATO-Reservetruppen im Kosovo eingetroffen. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hatte Pristina derweil vorgeworfen, die Spannungen durch die Entsendung eigener Truppen in den nördlichen Teil, sozusagen in die Grenzregionen zu Serbien, weiter zu verschärfen.
Belgrad erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an und hat dessen Nummernschilder nie als rechtmäßig eingestuft. Daher gibt Serbien seit mehreren Jahren für Fahrzeuge mit kosovarischen Kennzeichen provisorische Schilder für den grenzüberschreitenden Verkehr aus. Ein früherer Versuch, die rund 10.000 Fahrer mit serbisch registrierten Fahrzeugen im Kosovo dazu zu zwingen, ihre Nummernschilder gegen jene von den Behörden in Pristina ausgestellte umzutauschen, hatte im Juli zu einer seit Jahren nicht gesehenen Krise geführt.
US-amerikanische und EU-Diplomaten konnten schließlich zu einer Kompromisslösung vermitteln: Beim Grenzverkehr sollen mithilfe von Aufklebern sowohl bei den serbischen als auch bei den kosovarischen Nummernschildern die Nationalitätskennzeichen verdeckt werden. Zudem sollen beide Seiten Verhandlungen bis zu einer langfristigen Lösung führen.
Sowohl Serbien als auch seine abtrünnige Provinz, die weder von der UNO noch von mehreren EU-Mitgliedsländern als unabhängiger Staat anerkannt wird, wollen der EU beitreten. Pristina hat zudem bereits mehrmals verkündet, dass man auch NATO-Mitglied werden wolle. Serbien wiederum betrachtet den Kosovo laut Verfassung als sein Territorium. In zahlreichen Umfragen hat sich eine deutliche Mehrheit (rund zwei Drittel) der Serben stets dagegen ausgesprochen, die Unabhängigkeit des Kosovo für einen Beitritt zur EU anzuerkennen.
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