Wie die Kriegsziele der Ukraine und der NATO durchkreuzt werden können – Russische Militärexperten
Von Darja Wolkowa und Aljona Sadoroshnaja
Unter Ausnutzung einer gewissen zahlenmäßigen Überlegenheit üben die ukrainischen Streitkräfte an zwei Frontabschnitten Druck auf die befreiten Gebiete aus – bei Cherson und bei Lugansk. Zum Wochenbeginn haben die alliierten Streitkräfte alle Angriffe erfolgreich abgewehrt.
An einigen Abschnitten, darunter am Dnjepr, fügten sie dem ukrainischen Militär große Verluste bei, indem sie Verbände der Angreifer in einen "Feuerkessel" lockten. Welche sonstigen Methoden könnten noch genutzt werden, um die Angriffslust des Gegners zu mindern?
Wie der stellvertretende Verwaltungschef des Gebiets Cherson Kirill Stremoussow am Montag mitteilte, unternahmen die ukrainischen Truppen einen Durchbruchversuch entlang des Dnjepr in Richtung des Dorfes Dudtschany. Sie wurden allerdings durch die russischen Luftstreitkräfte aufgehalten. Laut Stremoussow arbeitet die Verteidigung "ohne jegliche Panik", alle Angriffe würden abgewehrt. All jene, die "heute in sozialen Netzwerken Panik verbreiten", forderte er zu mehr Besonnenheit auf:
"Hier ist nicht Charkow, hier ist nicht Liman – wir halten die Stellung."
Zwei ukrainische Bataillone, die von Dudtschany aus vorstießen, seien praktisch zerschlagen worden, erklärte auch das Oberhaupt der Gebietsverwaltung Wladimir Saldo. Seiner Einschätzung nach versuchten die Ukrainer, zum Wasserkraftwerk von Kachowka vorzudringen, um es komplett auszuschalten.
Als ein mit der Lage im Gebiet Cherson gut vertrautes Mitglied der Gesellschaftlichen Kammer der Russischen Föderation berichtete Alexandr Malkewitsch der Zeitung Wsgljad:
"Die Streitkräfte der Ukraine besetzten die 'graue Zone' nahe der Ortschaft Schewtschenkowo und die Wegkreuzung Petrowka – Oskorowka am Abschnitt bei Berislaw. Damit wird eine Bedrohung für den alliierten Truppenverband entlang der Strecke Alexandrowka – Dudtschany und weiter nach Mylowoje und Berislaw aufgebaut. Im Falle eines Durchbruchs wäre für sie der Weg nach Nowaja Kachowka frei."
Er fügte noch hinzu:
"Die alliierte Garnison in Berislaw ist gut befestigt, seit gestern Abend gibt es keine Veränderungen der Kampflage. Der Gegner setzt den chaotischen Beschuss des Frontabschnitts fort, schickt Diversionsgruppen und Drohnen. Wie es scheint, sammelt die ukrainische Armee alle Kräfte für einen Vorstoß, da sie am südlichen Frontabschnitt sehr große Verluste erlitten hatte."
Zuvor hatte der Präsident der Ukraine Wladimir Selenskij behauptet, dass das Dorf Miroljubowka und die Siedlung Archangelskoje im Gebiet Cherson angeblich von einer der Brigaden der ukrainischen Territorialverteidigung besetzt worden wären.
Der Experte Boris Roshin vom Zentrum für militärpolitische Journalistik erklärte:
"Die ukrainischen Streitkräfte versuchen jetzt, alle Reserven aufzubieten. Sie begreifen, dass Russland bald eine große Zahl mobilgemachter Soldaten in den Kampf schicken wird. Folgerichtig versuchen sie jetzt, möglichst viele Gebiete zu besetzen, bevor sie in die Defensive gezwungen werden."
Roshins Meinung nach ist daher heute eine Stabilisierung der Front die wichtigste Aufgabe.
"Es ist notwendig, regelmäßige Schläge gegen die angreifenden Verbände und gegen die Logistik auszuführen. Außerdem müssen wir unsere Reserven einsetzen, um den gegnerischen Vormarsch aufzuhalten", empfahl er.
Roshin führte dazu aus:
"Am Schwierigsten gestaltet sich die Lage in der Lugansker Volksrepublik, in der Nähe von Swatowo und Kremennaja, sowie am Frontabschnitt bei Kriwoi Rog. Aktive Kämpfe finden außerdem bei den Dörfern Dawydow Brod und Dudtschany des Gebiets Cherson statt. Darüber hinaus werden ständige Angriffe vonseiten des Dorfs Solotaja Balka unternommen. Für uns ist es jetzt sinnvoll, nach der Verstärkung vor allem an den Frontabschnitten Charkow und Krasny Liman in die Offensive zu gehen, um die verlorenen Gebiete zurückzugewinnen."
Die ukrainischen Angriffe können nur durch eine Gegenoffensive der russischen Streitkräfte aufgehalten werden, betont auch der Militäranalytiker Michail Onufrijenko. Seiner Meinung nach passte sich der Gegner während der Spezialoperation mittlerweile an Russlands Taktik an und fand einige Elemente, bei denen er einen Vorteil erreichen kann. In einem Interview für die Zeitung Wsgljad erklärte Onufrijenko:
"In erster Linie ist es die zahlenmäßige Überlegenheit. Sie können an jedem Frontabschnitt einen Sturmtrupp aufstellen, ihn mit der modernen westlichen Technik aufrüsten und angreifen."
Am Samstag hatte Russlands Verteidigungsministerium gemeldet, dass die Truppen aus Krasny Liman im Norden der DVR wegen der Gefahr einer Einkesselung zurückgezogen wurden. Am Montag berichtete der Assistent des Innenministers der LVR Witali Kisseljow, dass die ukrainischen Streitkräfte versucht hatten, zur Ölraffinerie in Lissitschansk vorzustoßen, allerdings von alliierten Verbänden zurückgeschlagen worden waren. Kisseljow bestätigte, dass in der Nähe der Nachbarstadt Kremennaja gekämpft wird. Dabei stehen Lissitschansk, Rubeschnoje und Swatowo unter gegnerischem Raketenbeschuss.
Am Montag hatte der Offizier der Volksmiliz der LVR Andrei Marotschko berichtet, dass der ukrainische Vorstoß bei Lissitschansk durch eine List aufgehalten werden konnte. Die Soldaten bemerkten, wie die ukrainischen Streitkräfte ihre Technik für einen Vorstoß zusammenführten, beschlossen aber abzuwarten, bis diese sich von ihren Kameraden entfernen. Die ukrainischen Militärs überquerten die Grenze der LVR, ohne auf Widerstand zu stoßen, und begannen den Marsch auf Lissitschansk, erklärte Marotschko dem Fernsehsender Swesda.
Vor Ort wurden die Ukrainer dann von den Soldaten Russlands und der LVR erwartet. Marotschko zufolge gerieten die ukrainischen Truppen in einen "Feuerkessel" und werden nun nach und nach vernichtet. Sie schafften es zwar, eineinhalb bis zwei Kilometer vorzudringen, wodurch Selenskij freudig weitere Erfolge melden konnte. Allerdings verschweige er dabei, dass er seine Soldaten in den sicheren Tod geschickt hatte. Marotschko ergänzte, dass die ukrainischen Truppen gegenwärtig von drei Seiten gleichzeitig unter Beschuss genommen werden. Damit werden alle, die weiter in das Gebiet der Republik eindringen wollen, durch diesen Beschuss vom Norden, Osten und Süden planmäßig vernichtet.
Es sei jedoch notwendig, alles Verfügbare an Artillerie, Luftstreitkräften und Raketen einzusetzen, um dem Gegner die Verlegung seiner Truppen zur Frontlinie möglichst zu erschweren und ihm die größtmöglichen Verluste nicht nur während seines Angriffs, sondern auch bereits beim Anmarsch zuzufügen, betonte Onufrijenko:
"Außerdem muss neue Technik ins Gebiet der speziellen Militäroperation verlegt werden. Wir sehen bereits, dass einzelne Exemplare an der Front erscheinen."
Der Experte empfahl weiter, schwere Bomber aktiver einzusetzen:
"Es ist ebenfalls notwendig, die gegnerische Infrastruktur zu zerstören, also regelmäßig und systematisch Eisenbahnstrecken und weitere Infrastrukturobjekte, die von ukrainischen Streitkräften genutzt werden können, außer Gefecht zu setzen."
Die Ukraine erhalte substantielle Unterstützung von den NATO-Staaten, erklärte der Leiter des Zentrums für globale Forschungen und internationale Beziehungen der Akademie des Außenministeriums Wadim Kosjulin. Demnach erhalte die Ukraine auch Aufklärungsdaten von den USA sowie einigen weiteren NATO-Ländern. Kosjulin vermutete:
"Ich glaube, dass auch zu dieser Frage bestimmte Entscheidungen getroffen werden. Ich hoffe, dass die Arbeit effektiv und schnell sein wird."
Eine Wirkung durch die Teilmobilmachung sei erst nach dem Ende der Ausbildung der neuen Verbände zu erwarten, so Kosjulin weiter. Er erinnerte daran, dass Russland auf jeden Fall über weitere große Reserven verfüge.
Inzwischen ist die erste Gruppe der im Rahmen der Teilmobilmachung eingezogenen Soldaten bereits in der Lugansker Volksrepublik angekommen. Wsgljad veröffentlichte Aufnahmen vom Eintreffen der Einberufenen, die demnächst gemeinsam mit Bewohnern aus der LVR ausgebildet werden.
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Übersetzt aus dem Russischen
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