Der Versuch, die russische Sprache und Kultur "auszumerzen", hat das Niveau einer Farce erreicht
Eine Analyse von Alexander Nepogodin
Die ersten Versuche, die Menschen in der Ukraine in "Eingeborene" und "Außenseiter" zu trennen, begannen fast unmittelbar nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 und sie werden bis heute mit unterschiedlicher Intensität fortgesetzt. Seit dem vom Westen unterstützten Regierungsumsturz durch den Maidan im Jahr 2014, der die rechtmäßig gewählte Regierung stürzte und das Land spaltete, haben diese Bemühungen jedoch ein wahrhaft allumfassendes Ausmaß mit einer eindeutig antirussischen Ausrichtung angenommen.
In den vergangenen Jahren spielte die russische Sprachproblematik eine besondere Rolle – mit einem Verbot des Gebrauchs der Sprache in verschiedenen Bereichen, angefangen bei den Medien über das Bildungswesen bis hin zu Regierungsbehörden. Jetzt haben die ukrainischen Behörden damit begonnen, Denkmäler russischer Kultur- und Politpersönlichkeiten abzureißen und nach ihnen benannte Straßen und Plätze umzubenennen. Welche Folgen kann die neuste Welle der Entrussifizierung der Ukraine haben, und wie fähig ist Moskau, diese Situation während seiner Militäroffensive zu beeinflussen?
Das Russische ablehnen
Der Kurs zur Ukrainisierung wurde im Spätsommer 1991 mit einigen Vorbehalten unmittelbar nach der Unabhängigkeit des Landes eingeschlagen. Die ersten längerfristigen Programme, die darauf abzielten, Bildungsinstitutionen und Medien zum Gebrauch der offiziellen Staatssprache zu bewegen, wurden in den 90er Jahren eingeführt. "Ukrainisierung ist die Wiederherstellung der Gerechtigkeit", schrieb der zweite Präsident des Landes, Leonid Kutschma, in seinem wegweisenden Buch "Die Ukraine ist nicht Russland".
Aber damals war es der russischen und russischsprachigen Bevölkerung noch möglich, politische Bewegungen zu gründen, Kulturzentren zu betreiben und ihre Muttersprache im öffentlichen Raum zu verwenden.
Dieses Gleichgewicht wurde nach den Ereignissen des noch jungen Jahres 2014 endgültig gekippt, als der Kampf gegen alles, was mit Moskau zu tun hatte, zum Symbol für die Entwicklung einer neuen Staatlichkeit wurde.
Von da an hatten die Russen die Wahl, entweder ihre Identität vollständig aufzugeben, Ukrainer zu werden und in ihrer eigenen Heimat eine Fremdsprache zu lernen, oder eine nationale Gruppe ohne vollständige Rechte zu bleiben. Und dies trotz der Bestimmungen von Artikel 10 der ukrainischen Verfassung, der die freie Förderung und Verwendung der russischen Sprache garantiert.
Im Zeitraum von 2020 bis 2022 wurde eine Reihe von Gesetzen auf verschiedenen Ebenen verabschiedet, um die Politik der Ukrainisierung umzusetzen:
- Das Gesetz zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der ukrainischen Sprache als offizielle Staatssprache sah vor, die gesamte Filmindustrie, den Informationsbereich, den Dienstleistungssektor und die Regierungsverwaltung ins Ukrainische zu verlagern.
- Das Gesetz über die allgemeine Sekundarschulbildung hat zum 1. September 2020 alle russischsprachigen Schulen im Land abgeschafft.
- Das Gesetz über indigene Völker schloss die Möglichkeit aus, Russen weitreichende kulturelle, wirtschaftliche, pädagogische und sprachliche Rechte zu gewähren.
- Ein Regierungsprogramm zur Entwicklung der Funktionalität der ukrainischen Sprache fordert bis ins Jahr 2030 die Einführung der offiziellen Staatssprache in allen Bereichen des öffentlichen Lebens.
Gleichzeitig haben Statistiken der letzten Jahre gezeigt, dass die Ukraine in dieser Hinsicht wenig Fortschritte gemacht hat und ein solider zweisprachiger Staat geblieben ist. Daten von Google, die den von der ukrainischen Regierung veröffentlichten Statistiken widersprechen, haben ergeben, dass die meisten der ukrainischen Internetnutzer von Google Russisch verwenden. Darüber hinaus zeigt eine Ende 2020 vom Kiewer Internationalen Institut für Soziologie (KIIS) durchgeführte Umfrage, dass fast 50 Prozent der Ukrainer die russische Sprache als historisches Gut betrachten, das es zu erhalten gilt. Gleichzeitig glaubten indes etwa 60 Prozent der Einwohner, dass Ukrainisch in Zukunft die Hauptsprache des Landes sein wird, gegenüber lediglich 32 Prozent, die der Meinung waren, dass Russisch seinen Status als offizielle Landessprache wiedererlangen würde.
Die Situation blieb ziemlich stabil, änderte sich aber radikal nach dem 24. Februar dieses Jahres, als Russland seine militärische Spezialoperation in der Ukraine in Gang setzte. Obwohl es bisher keine Statistiken gibt, die auf Änderungen in der Sprachpräferenz hindeuten, ist es schwer zu leugnen, dass ein beträchtlicher Teil der russischsprachigen Bevölkerung, die zuvor mit Russland sympathisierte oder unpolitisch war, seine Ansichten über die Loyalität gegenüber der Ukraine revidiert hat. Aus diesem Grund wird die derzeitige Politik der Entrussifizierung in den meisten Teilen des Landes, wenn auch nicht positiv, zumindest mit dem Verständnis wahrgenommen, dass sie angesichts des Konflikts ein Katalysator für die Staatsbildung ist.
Mit anderen Worten, auch unter russischsprachigen Ukrainern hat sich die Meinung verbreitet, dass die Ukrainisierung der richtige Weg sei, als eine Art "Rückkehr zu den Wurzeln".
Dieser Prozess hat sich seit den Ereignissen im Jahr 2014 langsam intensiviert. Schon damals galten alle öffentlichen Proteste, die von offen "pro-russischen" politischen Kräften gegen die Ukrainisierung organisiert wurden, als regierungs- und staatsfeindlich. Dazu trug teilweise auch die staatliche ukrainische Propaganda bei. Die Bevölkerung war überzeugt, dass die ukrainische Sprache in der Ukraine durch Russisch verdrängt worden sei und sich seinen Platz "zurückerobern" sollte, auch in jenen Regionen, in denen die ukrainische Sprache zuvor nie existiert hat.
Nach der Abspaltung der Krim und des Donbass von Kiew, gab es im Land deutlich weniger Regionen mit einem hohen Anteil an Russischsprachigen, und es war für die Behörden noch einfacher, deren Meinung zu ignorieren. Darüber hinaus verstehen die meisten Einwohner des Landes gut Ukrainisch und haben keine Probleme, wenn sie es anwenden müssen. Folglich gibt es keinen offensichtlichen Widerstand gegen die Verbotsmaßnahmen.
Unterdessen gewinnt die Politik der Entrussifizierung an Fahrt. Zum Beispiel wird es sehr bald illegal sein, Bücher ausländischer Autoren auf Russisch zu veröffentlichen, ebenso wie Bücher, die von russischen Autoren geschrieben wurden. Nur noch Klassiker dürfen legal in russischer Sprache veröffentlicht werden. "Russische Bücher, die in der Originalsprache geschrieben sind, können in der Ukraine mit Einschränkungen veröffentlicht werden. Es gibt keine Beschränkungen für die Veröffentlichung russischer Klassiker in russischer Sprache, aber es wird unmöglich sein, ins Russische übersetzte populäre ausländische Literatur zu importieren, zu veröffentlichen und zu verbreiten. Solche Bücher sollten aus der Originalsprache ins Ukrainische übersetzt werden", sagte Yulia Grischina, Mitglied des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Innovation des nationalen Parlaments, nachdem dort ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Einfuhr von Druckerzeugnissen aus Russland und Weißrussland verbietet.
Darüber hinaus wird man in ukrainischen Schulen die klassischen Werke der russischen Literatur nicht mehr studieren – wie zum Beispiel den Roman "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi. Der erste stellvertretende Minister für Bildung und Wissenschaft der Ukraine, Andrey Witrenko, behauptet jedoch, dass die Liste der Werke russischer Schriftsteller, die an ukrainischen Schulen verboten werden sollen, noch nicht erstellt wurde. Trotzdem beeilte sich die Direktorin des Ukrainischen Instituts für Bücher, Alexandra Kowal, zu berechnen, dass Millionen von Büchern, die sie für schädlich für die Bürger hält, aus den ukrainischen Bibliotheken entfernt werden müssten.
"Natürlich möchte ich es schneller durchziehen, aber es wäre gut, wenn zumindest ideologisch schädliche Literatur, die zu Sowjetzeiten veröffentlicht wurde, sowie russische Literatur mit antiukrainischem Inhalt noch vor Ende des Jahres entfernt wird", sagte Kowal. Ihre Ansichten werden vom ukrainischen Kulturminister Alexander Tkatschenko geteilt, der glaubt, dass alle beschlagnahmten Bücher "recycelt werden können".
Nebst dem Verbot von gedruckten Materialien wird ab dem 1. September der Gebrauch von Russisch in Schulen in vielen Teilen der Ukraine verboten, sogar in den südöstlichen Regionen des Landes, wo Russisch die vorherrschende Sprache ist, wie in den Städten Odessa, Nikolaev und Charkow.
In den westlichen Teilen des Landes sind die lokalen Behörden sogar noch weiter gegangen. Beispielsweise wurde in den Regionen Chmelnizkajaund Iwano-Frankowsk ein Moratorium für die öffentliche Nutzung russischsprachiger kultureller Werke in jeglicher Form verhängt. Die ursprüngliche Idee war, dass die Pause bis zum Ende des militärischen Sondereinsatzes andauern sollte. In Iwano-Frankowsk beispielsweise wurde Berichten zufolge ein lokaler Musiker, der auf Russisch sang, auf der Straße niedergeschlagen.
Ein Vermächtnis, das nicht existiert
Ende 2020 meldete die Ukraine eine ungewöhnliche Errungenschaft – die letzten beiden Denkmäler des Landes, die dem Führer des Weltproletariats, Wladimir Lenin, gewidmet waren, wurden aufgestöbert und abgerissen. In der Ukraine begann der "Lenozid" während der politischen Krise in den Jahren 2013 und 2014, die durch den Euromaidan ausgelöst wurde. Der Prozess wurde im Dezember 2013 mit der Demontage eines Denkmals für Lenin in Kiew eingeleitet. Wegen der unbefugten Zerstörung dieser Statue wurde nie eine straf- oder zivilrechtliche Anklagen erhoben. Dies löste in Folge in anderen Teilen des Landes eine weitere Welle von Zerstörungen von Ehrenmälern aus.
Im Jahr 2015 verabschiedete die Werchowna Rada ein Gesetzespaket zur "Dekommunisierung" und Beseitigung sowjetischer Monumente. Auch sowjetische Reminiszenzen, darunter die Hymne der Ukrainischen SSR, wurden verboten und die Kommunistische Partei der Ukraine (KPU) wurde aufgelöst. Ortsnamen, die mit der Sowjetunion in Verbindung gebracht wurden, kamen ins Visier der Säuberungen und ganze Städte und Straßen wurden reihenweise umbenannt. Dabei ging es nicht um die Wiederherstellung historischer Namen – auch Ortsnamen aus der Zeit des Russischen Zarenreiches wurden als "kolonial" gebrandmarkt und abgeschafft. Die Meinung von Einwohnern wurde jeweils nicht berücksichtigt, auch wenn sie sich aktiv dagegen wehrten, wie es bei der Umbenennung von Kirowograd in Kropywnyzkyj der Fall war. Vor der UdSSR hieß die im 18. Jahrhundert gegründete Stadt Elisavetgrad, und die Mehrheit der Bürger sprach sich für diese Version des Namens aus.
Seit Beginn der Kampagne zur Dekommunisierung in der Ukraine wurden 2.500 sowjetische Denkmäler abgebaut, während 987 Siedlungen und 52.000 Straßen umbenannt wurden. Gleichzeitig haben die Nationalisten von Anfang an betont, dass die Auslöschung der sowjetischen Vergangenheit Teil eines größeren Projekts sei, das nicht so sehr auf die Dekommunisierung, sondern auf die Entrussifizierung des Landes abzielte – nämlich die Zerstörung jeglicher Beziehung und Verbindungen zwischen ukrainischer und russischer Kultur. "Die Entkolonialisierung bedeutet, das Erbe loszuwerden, das zur Wiederherstellung des Imperiums verwendet werden kann", sagte der ehemalige Leiter des ukrainischen Instituts für nationales Gedächtnis, Wladimir Wjatrowitsch.
Jetzt ist die nächste Stufe der "Entkolonialisierung" im Gange: Die ukrainischen Behörden sind von der Zerstörung von Denkmälern für sowjetische Persönlichkeiten zur Demontage von Denkmälern übergegangen, die russischen Kulturikonen wie dem Dichter Alexander Puschkin gewidmet sind. Ging es bei dieser Initiative früher um die Entsowjetisierung, geht es jetzt darum, das Land von allem russischen historischen Erbe zu säubern. Und das gilt vor allem für Städte, die direkt mit der russischen Kultur und Geschichte verbunden sind. Beispielsweise wurde in Charkow die Statue von Prinz Alexander Newski abgerissen und in Kiew wird weiterhin über die Notwendigkeit debattiert, ein Ehrenmal für den Schriftsteller Michail Bulgakow abzubauen, das in einem Museum am Andrejewski-Steig errichtet wurde. In Odessa fordern einige die Entfernung eines Denkmals für die russische Kaiserin Katharina die Große und General Alexander Suworow, die beiden Gründer der Stadt.
In einem Brief von Maxim Martschenko an den Vorsitzenden der staatlichen Regionalverwaltung von Odessa hieß es: "Russlands Aggression zwingt die Ukrainer, die Geschichte und die Beziehungen der beiden Länder auf einer grundlegenden Ebene zu überdenken und neu zu bewerten. Imperiale Narrative sowie sowjetische koloniale Narrative, werden heute mit einer neuen Melodie vorgetragen, um die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine zu rechtfertigen, die zu einer breiten öffentlichen Forderung nach Entrussifizierung geführt hat, da diese Narrative auf allen Ebenen des imperialen Russlands und der Sowjetkommunisten bewusst mit der Kolonisierung ukrainischen Territoriums in Verbindung gebracht werden."
Auch in Kiew ist die Entrussifizierung in vollem Gange, wo bereits über neue Namen für U-Bahn-Stationen und Straßen entschieden wurde. Beispielsweise soll der Tula-Platz im Bezirk Obolonsky in "Strasse der Helden der UPA" – also zu Ehren von Nazi-Kollaborateuren der ukrainischen Aufständischen Armee – umbenannt werden und eine Straße, die nach dem in der Nähe von Poltawa verstorbenen sowjetischen General Wassili Tupikow benannt ist, wird in Zukunft den Namen von Andrei Melnyk tragen, einem aktiven Teilnehmer der ukrainischen nationalistischen Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Man will auch die Bakunin-Straße neu nach dem bekannten anarchistischen Theoretiker und Schriftsteller Ulas Samtschuk benennen, dem Herausgeber der Zeitung Wolyn, die während der Nazi-Besatzung in Riwne herausgegeben wurde und antisemitische Materialien publizierte.
Um zu zeigen, wie ernst es mit der Entrussifizierung des Landes ist, haben die ukrainischen Behörden einen Expertenrat für die Entrussifizierung, Dekommunisierung und Dekolonisierung eingesetzt, um das sowjetische und russische Kulturerbe wirksamer auszurotten. Gleichzeitig behauptet das Kulturministerium der Ukraine jedoch, dass der Ansatz zur Beseitigung von Denkmälern "zivilisiert" von sich gehen wird. "Es ist unwahrscheinlich, dass man in irgendeinem europäischen Land Hunderte von 'Puschkin-Straßen' finden wird und natürlich sollten diese nur dort existieren, wo es angemessen ist", sagte der ukrainische Kulturminister Alexander Tkatschenko. Und er stellte fest, dass Experten bei der Entscheidung helfen werden, welche Namen und Denkmäler entfernt und welche belassen werden sollen, während Straßennamen, die mit Russland in Verbindung stehen in Odessa geändert werden, U-Bahn-Stationen in Kiew umbenannt und Denkmäler für Puschkin, Maxim Gorki und andere sowjetische Persönlichkeiten in anderen Städten von öffentlichen Plätzen entfernt werden.
Sein oder nicht sein?
Obwohl die meisten Mitglieder der politischen Elite die konsequente Annahme geeigneter Maßnahmen befürworten, stehen einige Politiker einer Ausrottung der russischen Kultur und Sprache skeptisch gegenüber, da beides für einen großen Teil der indigenen Bevölkerung des Landes relevant bleibt.
Der Bürgermeister von Odessa, Gennadij Truchanow, äußerte sich besorgt über den wachsenden Hass auf alles Russische. Er sprach sich gegen die Umbenennung der Puschkin-Straße aus und erklärte, dass "Odessa die interkulturelle Hauptstadt der Ukraine ist". Darüber hinaus wies Truchanow darauf hin, dass Odessa von der russischen Kaiserin Katharina II. gegründet wurde. Eine ähnliche Meinung teilt Daniil Getmantsew, ein Abgeordneter der Werchowna Rada von der Partei Diener des Volkes des Präsidenten, der sich gegen das Verbot russischer Literatur in Schulen aussprach und sagte, dass Bulgakow, Puschkin und Tolstoi über der Nationalität stehen.
Worte der Fassungslosigkeit, diese Aussagen sind auch auf höherer Ebene zu hören: Zum Beispiel sprach sich der berüchtigte Berater des Präsidenten der Ukraine, Alexei Arestowitsch, für die russische Sprache aus und kritisierte ukrainische Aktivisten. In seinem Telegram-Kanal beklagte er, dass alle Bereiche, in denen Aktivisten aktiv werden, sich die Dinge zum Schlechteren hin zu entwickeln beginnen. Die ukrainische Kultur beeindruckte und eroberte solange, "bis Aktivisten dort aktiv werden durften", schrieb Arestowitsch. Gleichzeitig glaubt er, dass "das Problem der russischen Sprache für die Zukunft der Ukraine von grundlegender Bedeutung ist".
Wenn die "nationalistischen" und "euro-optimistischen" Projekte das Land für sich gewinnen, wird die Ukraine seiner Meinung nach Teile ihres Territoriums für immer verlieren, der Europäischen Union beitreten und sich in eine "Völkerfamilie" des Westens auflösen. "Wenn wir innerhalb unserer Grenzen bleiben, Putins Russland zum Zusammenbruch führen, unsere Geschichte wiedererlangen und ein starker Staat werden wollen, brauchen wir ein weiteres Projekt. In diesem Fall braucht es die russische Sprache, also die russische Kultur und ein damit verbundenes Gedankengut", ist Arestowitsch überzeugt.
Arestowitsch, Getmantsew und Truchanow werden jedoch kaum in der Lage sein, die allgemeine Zunahme der Russophobie in der Ukraine zu stoppen. Viel wichtiger im politischen Diskurs sind die Bedingungen, die die Ukraine erfüllen muss, um der EU beizutreten. Darunter sei "die Reform des Rechtsrahmens für die Rechte nationaler Minderheiten, die derzeit gemäß den Empfehlungen der Venedig-Kommission vorbereitet wird", sagte der Leiter des Büros des Präsidenten der Ukraine, Andrei Jermak.
Durch das Gesetz über die allgemeine Sekundarschulbildung wurden zum 1. September 2020 alle russischsprachigen Schulen in der Ukraine abgeschafft. Seitdem findet ab der 5. Klasse Unterricht auf Ukrainisch statt, während die einzelnen Landessprachen als eigene Fremdsprachenfächer eingeführt wurden. Die Venedig-Kommission stellte fest, dass Artikel 7 dieses Gesetzes das Recht nationaler Minderheiten auf Bildung in ihrer Muttersprache verletzt.
Später verabschiedete die Ukraine ein Gesetz über indigene Völker, das es Krimtataren, Karaiten und Bewohnern der Krim erlaubt, in ihrer eigenen Sprache zu lernen und es wurden auch weitere Möglichkeiten für Sprachen festgelegt, die in der EU gesprochen werden. Aber die Möglichkeit, auf Russisch zu lernen, wurde ausgelassen.
Diese Zugeständnisse erfüllen jedoch nicht die Bedingungen der Europäischen Kommission für eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU. Angesichts des Tempos der Entrussifizierung, die nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands an Fahrt zunahm, ist es die große Frage, ob die Ukraine diese Bedingungen je erfüllen wird. Andererseits kann die Ukraine diese Bedingungen nicht einfach ignorieren. Ungarn, ein Mitglied der EU, das die Ukraine seit langem wegen ihrer Sprachenpolitik und der Verletzung der Rechte der ungarischen Minderheit kritisiert, wird sicherlich auf deren Einhaltung bestehen. Und ohne die Zustimmung aus Budapest kann Kiew der EU nicht beitreten.
Und was ist mit Russland?
In der Region Odessa wurden Schulbücher der russischen Sprache und Literatur entfernt und alle russischen Schriftsteller aus dem Bildungsprogramm gestrichen. In Nikolaev wurde die russische Sprache an den Schulen verboten. "Die Einwohner der Ukraine sollten es nicht eilig haben, russischsprachige Schulbücher wegzuwerfen sondern diese bis zum 1. September im Regal stehen lassen, damit man sie später nicht lange suchen muss", kommentierte der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, die Entrussifizierung der Ukraine.
Seit den ersten Wochen der militärischen Sonderoperation haben russische Offizielle, insbesondere der russische Außenminister Sergei Lawrow, unaufhörlich erklärt, dass eines der Ziele Russlands bei der Führung dieses Konflikts darin bestehe, die Rechte der russischen Sprache gemäß der Verfassung der Ukraine wiederherzustellen und antirussische Gesetze zu eliminieren.
Nach den Ereignissen 2014 verlor Russland fast alle politischen Einflussmöglichkeiten auf seinen Nachbarn, und jeder Versuch ukrainischer Bürger, sich im Land selbst zu organisieren, wurde von den ukrainischen Behörden als Separatismus interpretiert. Angesichts dieser Umstände blieb Russland nur eine Möglichkeit: eine breite Strategie für politisches Handeln zu entwickeln und seinen kulturellen und humanitären Einfluss in der Ukraine auszubauen, da eine vollständige Entrussifizierung der einstigen "Bruderrepublik" unweigerlich zur Herausbildung einer ukrainischen Nation mit einer starren und unwiderruflichen antirussischen Haltung führen würde.
Es war nicht nur die Politik Russlands, die zu einer solchen Radikalität geführt hat, sondern die ganze Logik der Ukraine als politisches Projekt, das von Anfang an auf einer nationalen Identität aufbaute, sich inneren und äußeren Feinden zu widersetzen. Dazu gehören das "Janukowytsch-Regime" des ehemaligen Präsidenten, der vom Euromaidan gestürzt wurde, die "Watniki" (Steppjacken), ein sowjetisches Kleidungsstück, aber auch eine Bezeichnung, die ukrainische Nationalisten für die pro-russische Bevölkerung des Südostens der Ukraine verwenden, das kommunistische Erbe des Landes und das "Land des Angreifers".
Die Situation hat sich verändert: Nachdem Russlands Armee einen Sieg nach dem anderen im Osten verzeichnet und große Teile des Südens unter Moskaus Kontrolle stehen, ächzt Kiews Militär unter der Kriegslast. Dies macht die Post-Maidan-Ordnung brüchiger und könnte das Ende des Regimes von Wladimir Selenskij beschleunigen. Es ermöglicht Moskau auch, kulturelle und humanitäre Projekte in eben jenen Gebieten einzuführen, in denen russische Streitkräfte präsent sind.
Der vom Westen unterstützte ukrainische Präsident hat die größte Oppositionspartei des Landes verboten und seine politischen Gegner entweder inhaftieren oder unter Hausarrest stellen lassen. Aber die jüngste Geschichte zeigt uns, dass sich die Dinge in der Ukraine sehr schnell ändern können.
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Alexander Nepogodin ist ein in Odessa geborener politischer Journalist und Experte für Russland und die ehemalige Sowjetunion.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.