Europa

Medienberichte: Großbritannien will wegen Treibstoffmangels Soldaten als Lkw-Fahrer einsetzen

Mit Notfallregeln will die britische Regierung der aktuellen Krise Herr werden. Weil Lkw-Fahrer fehlen, geht den Tankstellen im Land der Sprit aus. Entspannung ist nicht in Sicht. Medienberichten zufolge sollen britische Soldaten als Lkw-Fahrer einspringen.
Medienberichte: Großbritannien will wegen Treibstoffmangels Soldaten als Lkw-Fahrer einsetzenQuelle: AFP © Paul Ellis

Erst mussten die ersten Tankstellen schließen, bis die britische Regierung tätig wurde. Weil Zehntausende Lastwagenfahrer fehlen, ist mittlerweile die Mehrzahl der Zapfsäulen trockengelegt. Ärzte schlagen bereits Alarm, sie könnten ohne Treibstoff bald nicht mehr zur Arbeit kommen. Zeitlich befristete Visa für Fernfahrer und andere Ausnahmen sollen nun Abhilfe schaffen – die Zeitungen The Times und auch der Guardian berichteten, dass kurzfristig Soldaten als Lastwagenfahrer einspringen könnten. Ein entsprechender Notfallplan namens "Operation Escalin" solle laut dem Guardian vom Premierminister Boris Johnson geprüft werden.

Seit Tagen kommt es an britischen Tankstellen zu Panikkäufen und langen Schlangen. Hintergrund ist ein gewaltiger Mangel an Tankwagenfahrern, die eigentlich den Kraftstoff von A nach B bringen müssten. Wegen der Corona-Pandemie wurden einerseits etliche Fahrstunden und -prüfungen verschoben. Zudem wanderten wegen des Brexits etwa 20.000 – vor allem osteuropäische – Fachkräfte ab, neue strenge Einwanderungsregeln nach dem Brexit hemmen nun aber den Zuzug.

So sehr schlägt die Krise den Briten aufs Gemüt, dass am Montag sogar Olaf Scholz von britischen Journalisten in Berlin dazu befragt wurde. Auch der SPD-Kanzlerkandidat sieht einen Zusammenhang zum Brexit. "Wir haben sehr hart daran gearbeitet, die Briten davon zu überzeugen, die Union nicht zu verlassen. Am Ende haben sie sich anders entschieden", sagte Scholz auf die Frage, ob Deutschland mit Lastwagenfahrern aushelfen könne. Er hoffe, Großbritannien könne die entstandenen Probleme lösen. Grundsätzlich machte Scholz aber auch deutlich, dass er den Grund für den Mangel an Lkw-Fahrern, der in ganz Europa zu spüren ist, in zu geringen Löhne und ungünstigen Arbeitsbedingungen sieht.

Nur kurzfristige Visa-Angebote aus London

Nach langem und erbittertem Widerstand ließ sich die britische Regierung am Wochenende darauf ein, bis zu 5.000 Visa für ausländische Fahrer bereitzustellen. Boris Johnson "hat genug von den schlechten Schlagzeilen und will das geregelt haben", zitierte die Financial Times einen Insider kurz vor der Ankündigung. Allerdings sind die Visa zeitlich klar auf die Monate bis Weihnachten befristet. Daher ist nun die große Frage: Kommt dafür überhaupt jemand?

Da auch in etlichen europäischen Ländern, darunter in Deutschland, ein Mangel an Fahrern besteht, müssten britische Firmen viel bieten, um überhaupt attraktive Arbeitgeber für wenige Monate zu werden. Ein Vertreter der Federation of Dutch Trade Unions, die Lastwagenfahrer aus ganz Europa vertritt, sagte der BBC am Montag: "Die Arbeitskräfte aus der EU, mit denen wir sprechen, werden nicht für kurzfristige Visa zurückkehren, um Großbritannien aus dem Mist zu helfen, den sie selbst gebaut haben."

Der Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng im Kabinett von Boris Johnson will über die Visa hinaus Wettbewerbsregeln außer Kraft setzen, damit die Branche gemeinsam gegen die Engpässe vorgehen kann und eine Grundversorgung an Benzin und Dieselöl organisieren kann. Das könnte zumindest den akuten Notstand an den Zapfsäulen beheben, ist aber auch keine Lösung für andere Branchen. Dabei sind es fast alle, die dringend auf die Lkw-Fahrer angewiesen sind: Supermärkte können ohne sie ihre Regale nicht füllen, Spielzeug-Hersteller fürchten um das Weihnachtsgeschäft und einigen Pub-Ketten geht sogar das Bier aus. "Alles, was wir in Großbritannien haben, kommt auf der Ladefläche eines Lkws zu uns", betonte Rod McKenzie von der Road Haulage Association.

"Regierung erntet, was sie gesät hat"

Dass Soldaten die Tanklaster bald durch britische Straßen steuern könnten, wird im Londoner Regierungsviertel zwar diskutiert, aber bislang noch nicht umgesetzt. Das Militär sei auch "kein Allheilmittel", sagte Brian Madderson von der Petrol Retailers Association in einem BBC-Interview. Es gehe nicht nur darum, die Tanklaster zu fahren, sondern diese auch zu befüllen – und dies sei keine einfache Aufgabe, sondern eine Tätigkeit, die man lernen müsse.

Nach Angaben des Branchenverbands Petrol Retailers Association, der rund 5.500 unabhängige Tankstellen vertritt, haben derzeit zwei Drittel der Mitglieder keinen Kraftstoff mehr. Die Nachfrage habe am Wochenende um bis zu 500 Prozent höher gelegen, sagte Verbandschef Madderson. 50 bis 90 Prozent der Tankstellen seien leer, die anderen drohten bald auszutrocknen.

"Von der Logistik zum Gastgewerbe, von Kultur zum Bausektor fürchte ich, kann man nun sehen, wie die Regierung erntet, was sie mit einem harten Brexit gesät hat", sagte der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour-Partei am Montag in Brighton. "Man kann nicht fünf Jahre lang über die EU und EU-Bürger herziehen und dann erwarten, dass sie zurückkommen und uns aushelfen."

Die konservative Regierung in London betonte zu Wochenbeginn erneut, es gebe keinen Mangel an Kraftstoff. Alle Bürger müssten nur damit aufhören, Panikkäufe zu machen und wieder nur so viel tanken, wie sie bräuchten. Dann werde sich die Lage wieder beruhigen, hieß es aus der Downing Street. Ähnlich dann auch der Appell aus der Ölbranche: "Wir rufen alle dazu auf, Kraftstoff so zu kaufen, wie sie es normalerweise machen würden", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von BP, Esso, Shell und anderen Firmen. Es gebe genug Kraftstoff. Nach Einschätzung der Branche wird der Druck nachlassen, weil bereits viele Autos mit mehr Kraftstoff als üblich versorgt seien.

Mehr zum ThemaPanikkäufe an Zapfsäulen in Großbritannien – Regierung dementiert Kraftstoffmangel

(rt de/dpa)

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.