Entwicklerin von AstraZeneca: Impfung von Kindern gut abwägen
Die federführende Entwicklerin des AstraZeneca-Impfstoffs Sarah Gilbert hat sich in einem Interview mit der Welt und anderen europäischen Medien zum Thema Impfung gegen das Coronavirus bei Kindern und Jugendlichen geäußert. Gilbert, die seit 1994 an der Universität Oxford forscht und das Entwicklungsteam hinter dem AstraZeneca-Impfstoff geleitet hatte, stellte den Nutzen einer Impfung gegen SARS-CoV-2-Erreger für alle Kinder in Frage.
Die EU-Kommission hatte Ende Mai offiziell die Zulassung für die Immunisierung von Mädchen und Jungen ab zwölf Jahren mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer erteilt. Für Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung bisher jedoch nur Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Vorerkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben.
Die Politik sollte eine Kosten-Nutzen-Analyse machen, so Gilbert. Die Delta-Variante sei zum Beispiel sehr ansteckend, sodass Leute trotz zwei Impfungen mit einem milden Verlauf krank würden. Schwere Fälle und Todesfälle seien aber selten. "Womit die Impfungen ihr Ziel erreicht haben: das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu schützen." Die Britin ergänzte:
"Wenn also die Übertragung nicht zu verhindern ist und Kinder weder schwer erkranken noch sterben, dann stellt sich die Frage: Lohnt sich das Impfen?"
Der Nutzen des Impfens sei für Kinder "viel geringer als insbesondere für ältere Erwachsene". Man sollte mit vorhandenen Impfdosen besser alte Menschen und Krankenpersonal in Ländern versorgen, die keine oder kaum Impfstoffe hätten. Zugleich machte Gilbert deutlich, dass eine Impfung für manche Kinder sinnvoll sein könnte. Sie führte an:
"Für eine sehr kleine Zahl von Kindern ist das Virus gefährlich. Länder sollten erwägen, diese zu impfen."
Angesprochen auf Schulen und gefragt, ob wegen immer weiterer Ansteckungen der Kinder Schließungen der Einrichtungen drohten, erklärte die Impfstoffforscherin, dass dies eine politische Frage sei. Sie erklärte zugleich, dass man sich etwa in England "dem Punkt nähert, an dem wir entscheiden müssen, ob wir einen gewissen Grad der Übertragung akzeptieren". Laut Gilbert kann man SARS-Cov-2 niemals ausrotten. "Wir müssen an den Punkt kommen, an dem wir mit dem Virus leben."
Auffrischungsimpfungen werden der Immunologin Gilbert zufolge für die allgemeine Bevölkerung nicht nötig sein.
"Die Wirksamkeit lässt vor allem bei älteren Menschen schneller nach. Weil das Immunsystem altert, ist auch die Reaktion mit Antikörpern nicht mehr so gut. Falls wir also Booster (Auffrischungen; Anm.) brauchen, dann für die ältere Population. Ich erwarte nicht, dass dies für die breite Bevölkerung notwendig wird."
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(rt/dpa)
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