Europa

Polen ist besorgt über den Baustopp der Baltic Pipe – Duda will sich mit Biden treffen

Ein dänisches Gericht hat überraschend den Bau der polnisch-dänischen Erdgasleitung Baltic Pipe wegen Umweltbedenken gestoppt. Polnische Experten sehen die polnische Energiepolitik gefährdet – auch wegen Fortschritten beim Bau der Gaspipeline Nord Stream 2.
Polen ist besorgt über den Baustopp der Baltic Pipe – Duda will sich mit Biden treffenQuelle: Reuters © Ritzau Scanpix

Das oberste dänische Umweltgericht hat den Bau der Erdgasleitung Baltic Pipe am Freitag auf Eis gelegt. Die Kammer verlangt neue Umweltstudien, bevor weiter gebaut werden darf. Konkret geht es um gefährdete Säugetiere wie Haselmaus, Birkenmaus und Fledermausarten. Der Korridor, durch den die Leitung verläuft, hätte gründlicher untersucht, der Schutz der Tiere während der Bauarbeiten besser vorbereitet werden müssen, so die Kammer. Geklagt hatten Anwohner und Umweltverbände.

Die Leitung verläuft von den Gasfeldern in der Norwegischen Nordsee über Dänemark quer durch die Ostsee nach Hinterpommern. Ein wichtiger Servicehafen für das Projekt ist Mukran auf der Insel Rügen. Die zwei Milliarden Euro teure Leitung soll eigentlich bis zum 1. Oktober 2022 fertiggestellt werden. Gaz-System, der Betreiber des polnischen Gasleitungsnetzes, baut die Pipeline zusammen mit dem dänischen Übertragungsnetzbetreiber Energinet.

Die Baltic Pipe sei in Dänemark umstritten, schreibt der Norddeutsche Rundfunk. Kritiker befürchten, dass Milliardeninvestitionen in das Erdgasnetz die dänische Energiewende verzögern. Bereits seit 2013 ist beispielsweise die Neuinstallation von Öl- und Gasheizungen im Königreich verboten. Heftige Kritik kommt auch von Anwohnern und Grundstückseigentümern, die wegen des Baus der Leitung zwangsenteignet wurden.

Der vorläufige Baustopp wurde in Polen mit Bestürzung aufgenommen, da die Baltic Pipe ein wichtiges Glied in den polnischen Plänen zur Diversifizierung der Energiequellen ist. Polen will künftig kein Gas mehr aus Russland beziehen, da in polnischen Regierungskreisen Erdgas als geopolitische Waffe Moskaus betrachtet wird.

Polen verbraucht etwa 18 bis 20 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr – Tendenz steigend. Die Behörden des Landes haben bereits vor einigen Jahren angekündigt, dass das Land den langfristigen Vertrag mit Gazprom (Jamal-Abkommen) nach dessen Auslaufen im Jahr 2022 nicht verlängern wird. Diese Vereinbarung sieht die Möglichkeit vor, Polen mit bis zu zehn Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr zu beliefern.

Warschau will künftig zusätzlich zum norwegischen Erdgas aus der polnisch-dänischen Pipeline mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) aus den USA und Katar beziehen – regasifiziert am LNG-Terminal Świnoujście. Weitere Projekte sind der Ausbau von Speicheranlagen, die Errichtung eines neuen LNG-Terminals in Gdańsk und Verbindungsleitungen mit Litauen und der Slowakei, die den Gastransport in beide Richtungen ermöglichen sollen. Von all diesen Projekten könnte nur die Baltic Pipe Polen Gaslieferungen sichern, die mit denen von Gazprom vergleichbar sind – bis zu 10 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Doch diese Pläne wurden durch die Entscheidung Dänemarks infrage gestellt.

"Die Entscheidung der dänischen Berufungskommission hat keinen Einfluss auf die Umsetzung des Projekts Baltic Pipe", teilte das Unternehmen Gaz-System mit. Die Bauarbeiten würden reibungslos und gemäß Zeitplan verlaufen.  

Polnische Experten und Medien lassen sich jedoch von der Stellungnahme des polnischen Gasunternehmens nicht beruhigen. Die polnische Regierung sei dadurch herausgefordert und müsse die Situation umkehren, sagte der polnische Energieexperte Dawid Pekazh im Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur Tass. "Davon hängt die Energiesicherheit Polens ab", betonte er. Der Publizist Piotr Cywiński sieht in den Versöhnungstönen aus Washington in Richtung Deutschland und Russland ein beunruhigendes Zeichen. "Seit Joe Biden Präsident ist, ändert sich das ganze internationale System." Polen habe mit einer starken Lobby aus Russland und Deutschland zu tun.

Die Meldung über die Aussetzung des Baus der Gaspipeline Baltic Pipe sei eine "sehr, sehr schlechte Nachricht", schreibt das polnische Nachrichtenportal wPolityce.pl. "Dieser Fall scheint Teil eines großen geopolitischen Spiels zu sein, denn es ist schwer zu glauben, dass die Dänen tatsächlich (nach drei Jahren!) eine zuvor erteilte Genehmigung aus Sorge um Birken- und Fledermäuse zurückgezogen haben, wie sie angekündigt haben. Hier geht es um etwas viel Ernsteres: Polen durch Energieerpressung in die Knie zu zwingen", heißt es dort weiter.

Laut Marcin Przydacz, dem stellvertretenden Außenminister der Republik Polen, sind "Versuche, die Baltic Pipe zu blockieren, gefährlich für Polen, die Ukraine und die Nachbarländer". "Es ist im Interesse Polens und Mitteleuropas, dieses Projekt so schnell wie möglich abzuschließen", sagte der stellvertretende Minister im polnischen Radio. "Wir zählen auf den guten Willen der dänischen Regierung."

"Wir werden versuchen, so schnell wie möglich herauszufinden, was das Problem ist", stellte Przydacz klar. "Oft können sich andere Interessen hinter Umweltfragen verstecken", fügte er hinzu.

Am Dienstag ist bekannt geworden, dass die polnische Regierung ein Treffen zwischen dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda und dem US-Präsidenten Joe Biden arrangieren möchte. Das berichtet Rzeczpospolita mit Verweis auf Regierungsquellen.

Ihnen zufolge hätten die US-Amerikaner Warschau und Kiew nicht vor Lockerungen der Sanktionen gegenüber dem Bau von Nord Stream 2 gewarnt. Polen befürchte, dass Washington beabsichtigt, diesen Ansatz in den Beziehungen mit Warschau auch in anderen Fragen zu demonstrieren, so die polnische Zeitung. Polnische Behörden rechnen damit, dass ein Treffen zwischen Duda und Biden am 14. Juni in Brüssel während des NATO-Gipfels die Situation klären könnte.

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