EU lässt Mehlwürmer als Lebensmittel zu
Mit dem gelben Mehlwurm – der Larve des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) – wurde erstmals ein Insekt in der EU als Lebensmittel zugelassen. Die EU-Mitgliedsstaaten folgten gestern einer Empfehlung der EU-Kommission und fügten die Insektenlarven der EU-Liste "neuartiger Lebensmittel" hinzu. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte die Mehlwürmer zuvor als "sicher" für den menschlichen Verzehr eingestuft.
Die gelben Mehlwürmer können zukünftig als Ganzes oder in gemahlener Form verkauft werden. Sie dürfen als Pulver zum Beispiel Nudeln oder Keksen mit einem Anteil von bis zu zehn Prozent beigemischt werden. Eine entsprechende Deklarierung ist nach Angaben der EU-Kommission vorgesehen.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit warnte bereits, der Verzehr des gelben Mehlwurms könne "bei empfindlichen Personen zu allergischen Reaktionen führen". Daher müsse das Etikett einen Allergiehinweis tragen. Genannt werden unter anderem Kreuzreaktionen zu Allergien gegen Krustentiere und Hausstaubmilben.
Nach Medienangaben gilt die EU-Zulassung für einen Zeitraum von fünf Jahren allein für das antragstellende französische Unternehmen Ÿnsect. Erst nach Ablauf dieser Zeit dürfen andere Unternehmen ebenfalls gezüchtete Mehlwürmer auf dem Markt anbieten.
Ÿnsect wurde erst 2011 gegründet und gab 2020 bekannt, Investorengelder von über 300 Millionen Euro akquiriert zu haben. Mit diesem Geld soll im kommenden Jahr die größte Insektenfarm der Welt in der französischen Stadt Amiens eröffnet werden. Geplant ist eine jährliche Produktion von 100.000 Tonnen Insekten. In den folgenden zehn Jahren soll die Produktion des Unternehmens verdoppelt werden und einen Umsatz von einer Milliarde Euro erwirtschaften. Die EU-Kommission selbst stattete Ÿnsect im Jahr 2019 mit einer Finanzspritze von 20 Millionen Euro aus – Fördergelder für nachhaltige Entwicklung.
Insekten als Lebensmittel der Zukunft?
Insekten sind nach einer Einschätzung der EU eine für den menschlichen Verzehr geeignete Fett- und Proteinquelle. Sie gelten als klima- und ressourcenschonende Alternative zur industriellen Fleischproduktion in Massentierhaltung. Die EU argumentiert zudem, dass Insekten in vielen Teilen der Welt regulär verzehrt würden. Auf der Webseite der EU-Kommission wird aber deutlich formuliert:
"Es bleibt den Konsumenten selbst überlassen, ob sie Insekten essen wollen oder nicht."
Bislang war der Verkauf von Lebensmitteln mit Insekten eine Grauzone innerhalb der EU – er war weder offiziell erlaubt noch verboten. Erst im Oktober 2020 wurde vom Europäischen Gerichtshof entschieden, dass ganze Insekten nicht unter die Regulation "neuartiger Lebensmittel" (Novel-Food-Verordnung) fallen. Als neuartige Lebensmittel gelten Produkte, die vor dem 15. Mai 1997 kaum konsumiert wurden.
Die Novel-Food-Verordnung datierend vom 1. Januar 2018 sieht jedoch explizit vor, dass auch ganze Insekten als "neuartige Lebensmittel" erfasst werden und daher eine Zulassung in der EU bräuchten. Um dem Regulations-Chaos zu entgehen, wurde eine Übergangsphase erklärt, innerhalb derer die bereits auf den Markt befindlichen Produkte eine vorläufige Autorisierung erhalten haben – bis zu einer endgültigen Klärung im Rahmen der Novel-Food-Verordnung.
Nach Angaben der EU-Kommission warten derzeit noch elf weitere Insektenprodukte darauf, von der EFSA auf ihre Risiken hin bewertet zu werden und dann möglicherweise eine EU-Zulassung zu bekommen.
Bereits im Januar 2021 erklärte der Chemiker und Lebensmittelwissenschaftler bei der EFSA, Ermolaos Ververis, die Schwierigkeiten bei der Zulassung von Insekten als neuartige Lebensmittel – insbesondere dadurch, "dass das ganze Insekt verzehrt wird". Er warnte vor einer Überschätzung der Insekten als Nahrungsmittel und vor möglichen Allergien:
"Zubereitungen aus Insekten können einen hohen Proteingehalt aufweisen, obwohl der tatsächliche Proteingehalt überschätzt werden kann, wenn der Stoff Chitin, ein wesentlicher Bestandteil des Exoskeletts von Insekten, enthalten ist. Da viele Lebensmittelallergien mit Proteinen in Verbindung stehen, prüfen wir vor allem, ob der Verzehr von Insekten allergische Reaktionen auslösen könnte. Diese können durch die Empfindlichkeit einer Person gegenüber Insektenproteinen, eine Kreuzreaktion mit anderen Allergenen oder durch Restallergene aus Insektenfuttermitteln, z. B. Gluten, verursacht werden."
Ob die EU-Bürger letztlich die Insekten konsumieren werden, ist eine andere Frage – zumindest, wenn diese offensichtlich in den Produkten enthalten sind. Giovanni Sogari, Sozial- und Verbraucherforscher an der Universität Parma, äußerte sich zuversichtlich für die Marktfähigkeit der Insektenprodukte:
"Es gibt kognitive Gründe, die aus unseren sozialen und kulturellen Erfahrungen, dem sogenannten 'Ekel-Faktor', herrühren und es für viele Europäer unvorstellbar machen, Insekten zu essen. Mit der Zeit und zunehmender Exposition können sich diese Einstellungen ändern."
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