Europa

Erdoǧan zu Studentenprotesten in Istanbul: "Dahinter stecken Terroristen"

Seit Montag protestieren Studenten der Boǧaziçi-Universität in Istanbul gegen die Ernennung des neuen Rektors durch den türkischen Präsidenten Erdoǧan. Bei Zusammenstößen setzten Sicherheitskräfte bisher Tränengas und Plastikgeschosse ein. Nun will Ankara härtere Geschütze auffahren.
Erdoǧan zu Studentenprotesten in Istanbul: "Dahinter stecken Terroristen"Quelle: Reuters © Kemal Aslan

Seit Montag protestiert die Studentenschaft der renommierten Boǧaziçi-Universität in Istanbul gegen die Ernennung des neuen Rektors durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoǧan. Bei Zusammenstößen setzten Sicherheitskräfte bisher Tränengas und Plastikgeschosse ein. Nun will Ankara härtere Geschütze aufgreifen.

Präsident Erdoǧan bezeichnete die Proteste als von Terroristen initiiert:

"Dahinter stecken ja keine Studenten, das sind Terroristen, die dahinterstecken", sagte er am Freitag in Istanbul. Die Oppositionspolitikerin Canan Kaftancıoğlu, die sich mit den Protestierenden solidarisiert hatte, nannte Erdoǧan eine "Militante" der marxistisch-leninistischen Untergrundorganisation DHKP-C in der Türkei.

Einsatz von schweren Waffen gegen protestierende Studenten erlaubt

Ankara erlaubt der Polizei die Nutzung von militärischer und geheimdienstlicher Ausrüstung bei öffentlichen Vorfällen und Ereignissen, die die "nationale Sicherheit gefährden". Demnach würde auch der Einsatz von schweren Waffen gestattet.

Der entsprechende Beschluss wurde in der offiziellen Mitteilung vom 7. Januar bekannt gegeben. Er wurde Tage nach der Konfrontation der Polizei mit den Studenten der Boǧaziçi-Universität in Istanbul erlassen. 

Schwere Waffen wurden von der Polizei auch während der Gezi-Proteste 2013 verwendet.

Die Novelle erleichtert unter bestimmten Bedingungen das Zusammenwirken der Polizei, der Streitkräfte und des Geheimdienstes ohne zusätzliche rechtliche Prozeduren. Sie erlaubt die Verfolgung, Verhaftung und Inhaftierung von Kritikern der Regierung.

Proteste gegen den von Erdoǧan ernannten neuen Universitätsrektor

Erdoǧan hatte den neuen Direktor Melih Bulu, der bei den Parlamentswahlen 2015 für die islamisch-konservative Regierungspartei AKP kandidiert hatte, am 2. Januar ernannt. Seit Inkrafttreten des Präsidialsystems im Juli 2018 ist Erdoǧan allein berechtigt, Rektoren an staatlichen Universitäten einzusetzen. Bereits mit dem Ausnahmezustand nach dem Putschversuch 2016 war den Hochschulen das Recht entzogen worden, ihre Direktoren selbst zu wählen.

Die Studenten kritisieren unter anderem die Nähe Bulus zur AKP. Sie verurteilten die Ernennung aber auch als undemokratisch und gegen die Tradition der Universität, ihre Direktoren selbst zu wählen. Den neuen Direktor bezeichneten die Studenten als "Zwangsverwalter".

Dutzende Studenten wurden bisher verhaftet, nach vielen wird gefahndet. Ihnen würde ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Beamte vorgeworfen. Wieder Freigelassene berichten von Schlägen und dem Zwang zur vollständigen Entkleidung bei der Untersuchung.

Einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge werden am Freitag 21 Studierende dem Haftrichter vorgeführt. Zwölf von ihnen werde vorgeworfen, in terroristische Aktivitäten involviert gewesen zu sein. Die übrigen sollen dem Bericht zufolge an Protesten von "marginalen Gruppen" teilgenommen haben.

Drei von ihnen seien wegen Beiträgen in den sozialen Medien festgenommen worden, sagte ein Anwalt der Festgenommenen. Eine weitere Anwältin teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, zehn Festgenommene seien von den Einsatzkräften durchsucht und entkleidet worden. Sie versuchten, die Studenten zu terrorisieren, so die Anwältin.

Studenten fordern die Freilassung ihrer Kommilitonen, wie auf Videos auf Twitter zu sehen war. Journalisten wurden nicht auf den Campus gelassen. Der Istanbuler Gouverneur Ali Yerlikaya hatte zuvor Versammlungen in der Gegend der Universität untersagt. Als Grund nannte er die COVID-19-Pandemie. Die Polizei sperrte den Eingang zur Universität ab.

Solidarität aus dem In- und Ausland

Inzwischen gibt es Solidaritätskundgebungen und Demonstrationen in verschiedenen Städten der Türkei. In Ankara wurden viele Studenten festgenommen, die sich für eine Kundgebung zur Unterstützung der Proteste in Istanbul versammeln wollten. Die Hacettepe-Universität und die Technische Universität des Mittleren Ostens in Ankara solidarisierten sich mit Istanbul. In einem Twitter-Beitrag der Hacettepe-Universität hieß es:

Über dreißig Anwaltskammern der Türkei solidariserten sich mit den Boǧaziçi-Protesten. Menschenrechtsvereine und -anwälte demonstrierten in Izmir gegen die schlechte Behandlung und Folter an festgenommenen Studenten. Teilnehmer der Kundgebung trugen ein Transparent mit der Aufschrift:

"Die Zwangsverwalter müssen gehen, die Studenten  der Boǧaziçi-Universität sind nicht allein."

Unterstützung kam auch von der Technischen Universität am Schwarzen Meer und aus dem Landkreis Hopa an der Schwarzmeerküste.

Auch aus den Eliteuniversitäten Yale, Harvard und Oxford kamen Solidaritätsbekundungen. Die Gewerkschaft der Universität Oxford (UCU) postete:

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.