Gran Canaria: Flüchtlingslager "Mole der Schande" geräumt
Seit Wochen wagen immer mehr Afrikaner die gefährliche Überfahrt auf die Kanaren. In diesem Jahr trafen bereits mehr als 18.000 Menschen in kleinen offenen Holzbooten dort ein. Das bedeutet nach amtlichen Angaben eine Steigerung von 1.000 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein 9.000 kamen in den vergangenen vier Wochen an. Die Lage auf den Inseln – die wegen der Corona-Pandemie bereits unter dem Fernbleiben der lebenswichtigen Touristen leiden – wird immer explosiver. Die Flüchtlinge des überfüllten Flüchtlingslagers mit dem Namen "Mole der Schande" im Hafen von Arguineguín, im Südwesten der Insel Gran Canaria, wurden nun in Zelten und Hotels untergebracht.
Die Migrationssekretärin Spaniens, Hana Jalloul, stellte klar, dass man kein Moria Spaniens wolle und verwies damit auf das überfüllte Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, was abgebrannt war.
Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie besuchen derzeit nur wenige Touristen die Kanaren. Die Bürgermeisterin des Ortes Mogán, Onalia Bueno, wetterte gegen die Regierung, dass die Flüchtlinge nur bis Ende Dezember in den Hotels bleiben dürften und drohte mit Bußgeldern von bis zu 300.000 Euro.
Spanien will Notlager auf den Kanaren errichten
Nur etwa ein Zehntel der Flüchtlinge, die die Kanaren erreichen, hat Anspruch auf Asyl. Um einen Zustrom zu unterbinden, soll keine Verlegung auf das spanische Festland geplant sein. Zur Linderung der unmittelbaren Not will Spanien nun Notlager für 7.000 Migranten errichten. Diese Zentren würden auf Gran Canaria, Fuerteventura und Teneriffa schon in den nächsten Wochen zur Verfügung stehen, sagte Migrationsminister José Luis Escrivá. Etwa 5.500 Migranten sind derzeit übergangsweise in 17 Hotels untergebracht. Wegen der Pandemie sind die Kanaren zurzeit nicht so ausgebucht wie sonst zu dieser Jahreszeit.
Außenministerin Arancha González Laya flog am Wochenende in den Senegal. In dem westafrikanischen Staat, neben Marokko eines der wichtigsten Herkunftsländer, wollte González am Sonntag über Maßnahmen zur schnellen Rückführung sowie zur Erschwerung der illegalen Ausreisen verhandeln. Eine ähnliche Agenda hatte Innenminister Fernando Grande-Marlaska bei seinem Besuch am Freitag in Marokko. Es gehe darum, die illegale Migration und die Schleppermafia zu bekämpfen, sagten beide Minister unisono. Eine Überstellung von Migranten auf das Festland zur Entlastung der Kanaren lehnt Madrid kategorisch ab.
Regionalpolitiker warnten nach Protestdemos vor einer "sozialen Explosion" auf den Kanaren und klagten, Rettungsdienste und Polizei seien völlig überfordert. "Der Staat lässt die Kanaren im Stich", titelte am Wochenende groß auf Seite eins die Regionalzeitung Canarias7. Sogar dem kanarischen Regionalpräsidenten Ángel Víctor Torres, einem sozialistischen Parteikollegen von Sánchez, platzte der Kragen. "Die Kanaren lehnen sich auf und wehren sich dagegen, der einzige Ort Spaniens zu sein, der die gesamte Migration Europas aufnehmen soll", rief er in einer Rede mit geballter Faust.
Die Opposition wittert Morgenluft: Auf der Hafenmole in Arguineguín, wo zuletzt bis zu 2.300 Afrikaner tagelang zusammengepfercht und unter schlimmen hygienischen Verhältnissen unter freiem Himmel lagerten und auf Beton schliefen, warf Casado Sánchez vor, die Krise tatenlos aus der Ferne zu beobachten. "Er muss endlich reagieren" und die Migranten gnadenlos abschieben, forderte der Konservative vor Journalisten.
Zuletzt ging zwar die Zahl der Ankommendem wegen ungünstiger Wetterverhältnisse deutlich zurück – am Freitag und am Samstag traf nach Medienberichten kein einziges Boot ein, am Sonntagmorgen erreichte nur ein Boot mit 78 Migranten Teneriffa. Aber der Unmut wächst trotzdem.
Vor ihrem Flug in den Senegal hatte González in Genf bei Treffen mit den Chefs der Internationalen Organisation für Migration (IOM), António Vitorino, und des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, um Unterstützung gebeten. Spanien wolle die Migrationskrise auf humane, verantwortungsvolle und solidarische Weise verwalten, betonte sie. Man werde in Zusammenarbeit mit Ländern wie dem Senegal die Schleppermafia mit "Null Toleranz" bekämpfen.
Denjenigen, die für ein "menschlicheres" Vorgehen und eine Aufnahme der Migranten plädieren, sagte Innenminister Grande-Marlaska: "Die Migrationspolitik wird von der EU bestimmt, nicht von Spanien allein". Man müsse unter allen Umständen eine Sogwirkung vermeiden, betonte er nach einem Treffen mit seinem marokkanischen Kollegen Abdelouafi Laftit.
Die meisten der Neuankömmlinge auf den Kanaren waren zuletzt im mehr als 100 Kilometer entfernten Marokko in See gestochen. Spanien hat zwar mit Marokko und anderem afrikanischen Staaten bilaterale Abkommen zur Rückführung von Migranten unterzeichnet. Wegen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Reisebeschränkungen und Grenzschließungen ist die Zahl der Abgeschobenen in diesem Jahr aber deutlich gesunken.
(rt/dpa)
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